Sonntag, 15. Februar 2009
Interview mit den Yes Men zu ihrem zweiten Film
Interview mit den Yes Men zu ihrem zweiten Film
Dank ihnen endete 2008 der Irakkrieg. Zumindest in einer fingierten Ausgabe der New York Times, die sie in 100.000 Exemplaren gratis in New York verteilten: Die Aktivistengruppe The Yes Men hilft der Realität gern etwas auf die Sprünge, wenn sie sich nicht von selbst so entwickeln will, wie man sich das wünschen würde. Bekannt wurden sie dafür, dass sie sich als Sprecher der WTO oder großer Unternehmen ausgeben und deren Positionen dann entweder bis zur Kenntlichkeit karikieren, oder all das sagen, was man aus dem Mund der echten Vertreter leider nie zu hören bekommt.
In ihrem zweiten Film, The Yes Men Fix the World - der auch die NYT-Aktion dokumentiert - erklären sie so z.B. vor einem Millionen-TV-Publikum im Namen von Dow Chemical, die volle Verantwortung für die Katastrophe von Bhopal vor 20 Jahren zu übernehmen und volle Entschädigungen zu zahlen. Kurz nach unserem Gespräch machten Andy Bichlbaum und Mike Bonanno auch auf der Berlinale nicht nur durch die begeistert aufgenommene Premiere des Films Schlagzeilen: In ihren "Survivaball"-Kostümen stürmten sie den Roten Teppich der "Cinema For Peace"-Gala, um darauf hinzuweisen, dass deren Sponsor BMW durch die Produktion umweltfreundlicherer (oder gar keiner) Autos mehr für die Sicherung des Weltfriedens tun könnte als durch solche Glamour-Events.
The Yes Men Fix the World. Bilder: Yes Men || (Bild vergrößern)
Als denn - was glaubt ihr, was nun nach dem Kapitalismus kommt?
Andy Bichlbaum: Vermutlich Kapitalismus.
Mike Bonanno: Kapitalismus light, für eine Weile. Irgendwann muss dann aber etwas anderes kommen, weil es mit dem Wachstum nicht ewig so weitergehen kann. Wir werden die Dinge, die wir unbedingt benötigen, aufgebraucht haben, und dann brauchen wir ein anderes System, das nachhaltig ist. Hoffentlich schaffen wir den Wechsel, bevor es zu spät und alles zerstört ist.
Andy Bichlbaum: Wenn ihr beiden von "Kapitalismus" sprecht, dann meint ihr "Turbo-Kapitalismus", oder? Und nicht, dass die Leute irgendwann nicht mehr auf den Markt gehen und Gemüse verkaufen, oder so...
Gute Frage. Im Moment scheint ja fast alles möglich, wenn es so weitergeht. Ein guter Zeitpunkt also für euren Film?
Mike Bonanno: Ja, ganz klar, ein guter Zeitpunkt für diesen Film: Alles geht den Bach runter, und der Film will uns daran erinnern, warum. Die letzten 30 Jahre haben wir diese Freier-Markt-Fantasie verfolgt, und jetzt bekommen wir die Quittung dafür präsentiert. In dem Film geht es in vielerlei Hinsicht um das Versagen dieser Systeme - und am Ende sagt er: Lasst uns diesen Moment nutzen. Lasst uns das System jetzt ändern, wo wir noch die Chance dazu zu haben scheinen.
Wenn "Die Krise" ein Gutes hat, dann doch, dass plötzlich wieder Raum ist für neue Ideen, oder mundtot gemachte.
Mike Bonanno: Ja, die Leute sind wieder offen für Ideen, die vor einem Jahr nicht mal Teil des Diskurses waren. Es gab nur so ein bisschen "Öko-Konsumverhalten", was absurd war. Wir waren zuletzt auf dem Sundance Filmfestival, und da bewarben sie dieses abgefüllte "Öko-Wasser", das angeblich die Welt retten sollte. Das ist doch genau der Widerspruch: Eine Bewegung, die auf Konsum basiert, taugt nicht, um die Welt zu retten. Da ist fundamental der Wurm drin.
Und derzeit öffnen vielleicht die Leute ihre Augen und denken nicht nur über Ideen nach, wie man die Banken regulieren kann. Sondern vielleicht auch: Okay, wo müssen wir sonst noch regulierend eingreifen, was uns richtige Probleme bereiten wird - Klimawandel, Verbrauch fossiler Brennstoffe, extreme Einkommensunterschiede, soziale Ungerechtigkeiten...
Gar nicht viel also...
Mike Bonanno: (Lacht) Nein, alles lauter Kleinigkeiten. Andererseits: Da wird viel als die komplexeste Sache der Welt dargestellt, aber nehmen wir die Abholzung des Regenwalds, okay? Ein Riesenproblem. Aber wir wissen, was mir tun müssen, um es abzustellen. Wir müssen aufhören den Regenwald abzuholen. Das ist verdammt einfach. Ich meine, es ist schwerer, ihn abzuholzen als ihn einfach stehenzulassen. Wie kann man also Gesetze durchsetzen, die Anreize schaffen, dass die Leute dort ihn nicht mehr abholzen müssen?
Quelle:http://www.heise.de/tp/r4/artikel/29/29738/1.html
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