Freitag, 13. Februar 2009

DIE ISRAEL-LOBBY UND DIE US-AUSSENPOLITIK

DIE ISRAEL-LOBBY UND DIE US-AUSSENPOLITIK

John J. Mearsheimer

Department of Political Science

University of Chicago

Stephen M. Walt

John F. Kennedy School of Government

Harvard University

März 2006

RWP06-011

Die beiden Verfasser dieses Arbeitspapiers sind allein verantwortlich für die darin zum Ausdruck kommenden Ansichten. Als akademische Institutionen nehmen

die Harvard University und

die Universität von Chicago

nicht Stellung zu den Gelehrten der jeweiligen Fakultäten. Dieser Artikel sollte nicht dahingehend interpretiert oder so dargestellt werden, als gebe er die offizielle Haltung der jeweiligen Institution wieder.

Eine gekürzte und bearbeitete Version dieses [Original-] Papiers wurde in der London Review of Books, Vol. 28, Nr. 6 (23. März 2006) veröffentlicht und ist online unter www.lrb.co.uk zu finden.

DIE ISRAEL-LOBBY UND DIE US-AUSSENPOLITIK

Die US-Außenpolitik bestimmt Ereignisse in jeder Ecke des Globus. Nirgends ist dies wahrer als im Nahen Osten, einer Region von sich wiederholender Instabilität und enormer strategischer Bedeutung. Erst kürzlich hat der Versuch der Bush-Regierung, die Region in eine Gemeinschaft von Demokratien umzuformen, dazu beigetragen, im Irak einen nicht zu bekämpfenden Aufstand zu entfachen, die Ölpreise stark ansteigen zu lassen und Terrorbomben in Madrid, London und Amman hochgehen zu lassen. Wo für so viele so viel auf dem Spiel steht, müssen alle Länder die Kräfte verstehen, welche die US-Politik im Nahen Osten steuern.

Das nationale Interesse sollte an erster Stelle der US-Außenpolitik stehen. Für die letzten Jahrzehnte jedoch, und speziell seit dem Sechstagekrieg 1967, wurde das Verhältnis zu Israel zum Kernstück der US-Nahostpolitik. Die Mischung aus unerschütterlicher Unterstützung für Israel und der damit in Zusammenhang stehenden Anstrengung, die Region zu demokratisieren, hat die arabische und islamische Öffentlichkeit entflammt und die Sicherheit der USA gefährdet.

Diese Lage hat in der politischen Geschichte Amerikas keine Parallele. Warum waren die USA willens, ihre eigenen Sicherheitsinteressen zu mißachten, um die Interessen eines anderen Staates zu vertreten? Man könnte annehmen, daß das Band zwischen den beiden Ländern auf gemeinsamen strategischen Interessen gründet oder auf der Erzwingung moralischer Imperative. Wie wir im folgenden aufzeigen, kann jedoch keine dieser Begründungen die bemerkenswerten Höhe materieller und diplomatischer Unterstützung der USA für Israel hinreichend erklären.

Statt dessen beruht der Hauptdruck der US-Politik in der Region fast gänzlich auf der US-Innenpolitik, und hier speziell auf den Aktivitäten der "Israel-Lobby". Auch anderen "special interest groups" ist es gelungen, die US-Außenpolitik in ihrem Sinne zu beeinflussen, aber keine Lobby brachte es fertig, die US-Außenpolitik so weit davon zu trennen, was das nationale Interesse sonst erfordern würde, während sie gleichzeitig die Amerikaner davon überzeugte, daß die Interessen der USA und Israels im Grunde identisch seien. (1)

Auf den folgenden Seiten beschreiben wir, wie die Lobby diese Leistung vollbracht hat und wie ihre Aktivitäten die amerikanischen Aktionen in dieser kritischen Region bestimmt haben. Angesichts der strategischen Bedeutung des Nahen Ostens und seiner potentiellen Wirkung auf andere müssen sich sowohl Amerikaner als auch Nichtamerikaner dem Einfluß der Lobby auf die US-Politik zuwenden und ihn verstehen.

Einige Leser werden diese Analyse beunruhigend finden, aber die hier aufgezählten Tatsachen werden unter Fachleuten nicht ernsthaft diskutiert. Allerdings stützt sich unsere Bilanz stark auf die Arbeit israelischer Gelehrter und Journalisten, die sich dadurch, daß sie diese Fragen beleuchten, große Verdienste erwerben. Wir verlassen uns ebenso auf Beweise, die von respektierten israelischen und internationalen Menschenrechtsorganisationen erbracht wurden. In ähnlicher Weise beruhen unsere Ausführungen über die Lobby auf Zeugenaussagen sowohl von Lobbymitgliedern als auch von Politikern, die mit ihnen gearbeitet haben. Die Leser können unsere Schlußfolgerungen natürlich ablehnen, aber der Beweis, auf dem sie beruhen, ist unstrittig.

DER GROSSE WOHLTÄTER

Seit dem Oktoberkrieg 1973 hat Washington Israel mit einer Unterstützung in solcher Höhe versehen, daß sie die Unterstützung für jedes andere Land in den Schatten stellt. Es war seit 1976 der größte Empfänger von direkter jährlicher US-Wirtschafts- und Militärhilfe und der größte Gesamtempfänger seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Direkthilfe der USA für Israel belief sich 2003 auf gut 140 Milliarden Dollar. (2) Israel erhält jährlich 3 Milliarden Dollar an direkter Auslandshilfe, das entspricht rund einem Fünftel des amerikanischen Entwicklungshilfeetats. Pro Kopf gerechnet, geben die Vereinigten Staaten jedem Israeli jährlich Subventionen in Höhe von 500 Dollar. (3) Diese Höhe fällt besonders ins Gewicht, wenn man bedenkt, daß Israel jetzt ein wohlhabender Industriestaat ist mit einem Pro-Kopf-Einkommen, welches in etwa dem von Süd-Korea oder Spanien entspricht. (4)

Israel erfährt auch in anderer Hinsicht von Washington eine besondere Behandlung (5) Andere Hilfsempfänger erhalten ihr Geld in vierteljährlichen Raten, während Israel die Gesamtsumme zu Beginn jedes Steuerjahres erhält und dadurch besonderes Interesse verdient. Die meisten Empfänger amerikanischer Militärhilfe werden gedrängt, diese vollständig in den Vereinigten Staaten auszugeben, aber Israel kann rund 25 Prozent seiner Gesamtzuwendungen zur Subventionierung der eigenen Rüstungsindustrie verwenden. Israel ist der einzige Empfänger, der nicht darzulegen braucht, wofür die Hilfe ausgegeben wird, eine Befreiung, die es praktisch unmöglich macht, zu verhindern, daß das Geld für Zwecke gegen das Interesse der Vereinigten Staaten verwendet wird, wie Siedlungsbau im Westjordanland.

Zudem haben die Vereinigten Staaten Israel mit fast 3 Milliarden Dollar unterstützt, um Waffensysteme zu entwickeln wie das Lavi-Flugzeug, welches das Pentagon weder wollte noch brauchte, während man Israel gleichzeitig Zugang zu Spitzentechnik der US-Rüstung verschaffte, wie den Blackhawk-Hubschraubern und F16-Jägern. Schließlich gewähren die Vereinigten Staaten Israel Zugang zu Geheimmaterial, welches sie ihren NATO-Verbündeten vorenthalten und stellen sich blind gegenüber israelischen Kernwaffenkäufen. (6)

Außerdem verschafft Washington Israel unbeirrbare diplomatische Unterstützung. Seit 1982 haben die Vereinigten Staaten gegen 32 israelkritische Resolutionen des UN-Sicherheitsrates ihr Veto eingelegt. Diese Zahl ist höher als die Vetos aller übrigen Sicherheitsratsmitglieder zusammengenommen. (7) Es blockiert außerdem Versuche arabischer Staaten, Israels Kernwaffenarsenal auf die Tagesordnung der Internationalen Atomenergiebehörde zu setzen. (8)

Die Vereinigten Staaten kommen Israel auch im Kriegsfalle zu Hilfe und vertreten bei Friedensverhandlungen seine Seite. Die Nixon-Regierung übernahm während des Oktoberkriegs die Versorgung Israels mit Ersatzteilen und schützte es vor der Bedrohung eines sowjetischen Eingreifens. Washington war sowohl in die Verhandlungen, die diesen Krieg beendeten, stark eingebunden, als auch in den folgenden langwierigen schrittweisen Prozeß, geradeso, wie es eine Schlüsselrolle spielte in den Verhandlungen, die den Oslo-Verträgen von 1993 vorangingen und folgten. (9) Gelegentlich gab es Reibungen zwischen Offiziellen Israels und der USA in beiden Fällen, aber die Vereinigten Staaten stimmten ihre Positionen eng mit Israel ab und stärkten der israelischen Verhandlungsführung den Rücken. In der Tat sagte ein amerikanischer Teilnehmer an Camp David (2000) später: "Viel zu oft fungierten wir… als Israels Anwalt" (10)

Wie weiter unten erörtert, hat Washington Israel einen großzügigen Spielraum im Umgang mit den besetzten Gebieten (dem Westjordanland und dem Gazastreifen) eingeräumt, selbst wenn seine Aktionen im Widerspruch zur festgesetzten US-Politik standen. Hinzu kommt, daß die ehrgeizige Strategie der Bush-Regierung zur Umformung des Nahen Ostens, beginnend mit der Invasion des Irak, wenigstens teilweise in einer Verbesserung der strategischen Lage Israels begründet ist. Jenseits von Kriegsallianzen ist es schwer, sich einen anderen Fall vorzustellen, wo ein Land ein anderes mit einem ähnlichen Grad an materieller und diplomatischer Unterstützung über einen so langen Zeitraum versehen hat; Amerikas Unterstützung für Israel ist, kurz gesagt, einzigartig.

Diese außerordentliche Großzügigkeit könnte verständlich sein, wenn Israel ein lebenswichtiger strategischer Gewinn wäre oder wenn es einen zwingenden moralischen Grund für die ununterbrochene Rückendeckung der USA gäbe. Es gibt aber keine vernünftige überzeugende Begründung.

EINE STRATEGISCHE VERPFLICHTUNG

Laut der Netzseite von AIPAC (= Amerikanisch-israelischer Ausschuß für öffentliche Angelegenheiten) "haben die Vereinigten Staaten und Israel eine einzigartige Partnerschaft gebildet, um den wachsenden strategischen Bedrohungen im Nahen Osten zu begegnen… Diese Gemeinschaftsanstrengung bietet beiden, sowohl den Vereinigten Staaten als auch Israel, bedeutenden Nutzen.” (11) Dieser Anspruch ist ein Glaubensartikel unter den Israelanhängern und wird von israelischen Politikern und pro-israelischen Amerikanern gebetsmühlenartig beschworen.

Israel mag während des Kalten Krieges ein strategischer Gewinn gewesen sein (12) Indem es nach dem Sechstagekrieg (1967) als Amerikas Stellvertreter diente, half Israel, die sowjetische Ausbreitung in der Region einzudämmen und fügte den darin verstrickten Sowjetverbündeten wie Ägypten und Syrien erniedrigende Niederlagen zu. Ab und an half Israel dabei, andere US-Verbündete zu beschützen (wie den jordanischen König Hussein) und seine militärische Stärke zwang Moskau, seinen dahinschwindenden Verbündeten mehr Rückendeckung zu geben. Israel versorgte die Vereinigten Staaten zudem mit wertvollen Geheimdienstinformationen über die sowjetischen Fähigkeiten.

Israels strategischer Wert während dieses Zeitraums sollte jedoch nicht übertrieben werden. (13) Die Rückendeckung für Israel war nicht billig und sie komplizierte die amerikanischen Beziehungen zur arabischen Welt. Zum Beispiel führte die US-Entscheidung, Israel während des Oktoberkrieges 2,2 Milliarden Dollar an Militärhilfe zu gewähren, zu einem Ölembargo der OPEC, welches den westlichen Volkswirtschaften erheblichen Schaden zufügte. Zudem kann die israelische Armee US-Interessen in dieser Region nicht schützen. Zum Beispiel konnten sich die Vereinigten Staaten nicht auf Israel verlassen, als die iranische Revolution 1979 Befürchtungen hinsichtlich der Sicherheit der Ölversorgung aus der Golfregion auslöste, und sie mußten statt dessen eine eigene "schnelle Eingreiftruppe" aufstellen.

Auch wenn Israel während des Kalten Krieges ein strategischer Gewinn war, enthüllte der erste Golfkrieg (1990-91), daß Israel zu einer strategischen Belastung wurde. Die Vereinigten Staaten konnten während des Krieges keine israelischen Stützpunkte benutzen, ohne die Anti-Irak-Koalition zu sprengen, und sie mußten Mittel (z.B. Patriot-Raketenbatterien) abstellen, um Tel Aviv davon abzuhalten, etwas zu unternehmen, was die Allianz gegen Saddam aufbrechen könnte. Die Geschichte wiederholte sich 2003: Obwohl Israel darauf versessen war, daß die Vereinigten Staaten Saddam angriffen, konnte Präsident Bush es nicht um Hilfe bitten, ohne arabischen Widerspruch auszulösen. So blieb Israel wieder im Hintergrund. (14)

Beginnend in den neunziger Jahren und besonders nach dem 11.9. wurde die US-Unterstützung für Israel durch den Anspruch gerechtfertigt, beide Staaten seien von Terrorgruppen arabischen oder muslimischen Ursprungs bedroht, sowie durch eine Reihe von "Schurkenstaaten", die diese Gruppen unterstützten und Massenvernichtungswaffen anstrebten. Diese Grundeinstellung läuft darauf hinaus, daß Washington Israel freie Hand geben sollte in seinem Umgang mit Palästinensern und Israel nicht zu Zugeständnissen drängen sollte, bis alle palästinensischen Terroristen eingesperrt oder tot waren. Es läuft auch darauf hinaus, daß die Vereinigten Staaten andere Staaten wie die Islamische Republik Iran, Saddam Husseins Irak und Bashat al-Assads Syrien angehen sollten. Israel wird daher als ein entscheidender Verbündeter im "Krieg gegen den Terror" angesehen, weil seine Feinde Amerikas Feinde seien. Diese neue Einstellung scheint überzeugend, aber Israel stellt im Wahrheit eine Verpflichtung dar im Krieg gegen den Terror und den erweiterten Anstrengungen im Umgang mit den Schurkenstaaten.

Um damit zu beginnen, ist "Terrorismus" eine Taktik im Dienste einer Vielzahl von politischen Gruppen; er ist nicht ein einzelner vereinigter Gegner. Die Terrororganisationen, die Israel bedrohen (z.B. Hamas oder Hisbollah), bedrohen nicht die Vereinigten Staaten, außer diese gehen gegen sie vor (wie 1982 im Libanon). Zudem ist der palästinensische Terrorismus keine zufällig gegen Israel oder "den Westen" gerichtete Gewalt, er ist weitgehend eine Antwort auf Israels andauernde Kampagne zur Besiedlung des Westjordanlandes und des Gazastreifens.

Wichtiger ist die Feststellung, daß Israel und die Vereinigten Staaten durch eine gemeinsame Bedrohung durch Terrorismus geeint werden, dessen Kausalzusammenhang umgekehrt zu betrachten ist: Die Vereinigten Staaten haben ein Terrorismusproblem zum großen Teil deswegen, weil sie so eng mit Israel verbündet sind, und nicht umgekehrt. Die US-Unterstützung für Israel ist nicht die einzige Quelle für antiamerikanischen Terrorismus, aber eine wichtige, und sie macht den Sieg im Krieg gegen den Terror schwieriger (15) Zweifelsohne werden z.B. viele al-Quaida-Führer, einschließlich bin Ladens, durch die Präsenz Israels in Jerusalem und das Elend der Palästinenser motiviert. Laut der US-Kommission zum 11.9. wollte bin Laden die Vereinigten Staaten ausdrücklich für ihre Nahostpolitik strafen, einschließlich der Unterstützung für Israel, und er versuchte sogar, die Angriffe so abzustimmen, daß dieser Punkt betont wurde. (16)

Ebenso wichtig ist der Umstand, daß die unbedingte US-Unterstützung für Israel es Extremisten wie bin Laden leichter macht, öffentliche Unterstützung zusammenzutrommeln und Rekruten anzuwerben. Öffentliche Meinungsumfragen bestätigen, daß die arabische Bevölkerung der amerikanischen Unterstützung extrem feindselig gegenübersteht, und die Beratergruppe des US-Außenministeriums für öffentliche Diplomatie in der arabischen und muslimischen Welt fand heraus, daß "Bürger dieser Staaten zutiefst erschüttert sind vom Elend der Palästinenser und von der Rolle, die sie den Vereinigten Staaten dabei zumessen." (17)

Die sogenannten Schurkenstaaten des Nahen Ostens stellen keine gefährliche Bedrohung für lebenswichtige US-Interessen dar, außer für die US-Verpflichtung Israel gegenüber. Obwohl die Vereinigten Staaten einige Zerwürfnisse mit diesen Regimen haben, wäre Washington nicht annähernd so besorgt über den Iran, den Irak der Baath-Partei oder Syrien, wäre es nicht fest an Israel gebunden. Selbst wenn diese Staaten Kernwaffen erwerben - was offensichtlich nicht wünschenswert ist - wäre das doch kein strategisches Desaster für die Vereinigten Staaten. Weder Amerika noch Israel könnten durch einen mit Kernwaffen bestückten Schurken erpreßt werden, weil der Erpresser seine Drohung nicht wahr machen könnte, ohne einen unausweichlichen Vergeltungsschlag hinnehmen zu müssen. Die Gefahr eines "nuclear handoff", die Weitergabe von Kernwaffen an Terroristen, ist ebenso abwegig, weil der Schurkenstaat nicht sicher sein könnte, daß die Weitergabe unentdeckt bliebe, oder daß er nicht dafür angeklagt oder bestraft würde.

Überdies macht die US-Beziehung zu Israel den Umgang mit diesen Staaten schwieriger. Israels Kernwaffenarsenal ist ein Grund dafür, daß einige seiner Nachbarn Kernwaffen anstreben, und die Bedrohung dieser Staaten durch einen Regimewechsel vergrößert dieses Bestreben. Israel ist auch kein großer Gewinn, wenn die Vereinigten Staaten über Gewaltanwendung gegen diese Staaten nachdenken, weil es am Kampf nicht teilnehmen kann.

Kurz gesagt, die Behandlung Israels als Amerikas wichtigsten Verbündeten im Kampf gegen den Terror und verschiedene Diktaturen im Nahen Osten übertreibt in beiden Fällen Israels Fähigkeit zur Hilfe in beiden Fällen und sie ignoriert die Wege, auf denen die Politik Israels die US-Anstrengungen erschwert.

Unangeforderte Unterstützung für Israel schwächt auch die US-Stellung außerhalb des Nahen Ostens. Ausländische Eliten betrachten die Vereinigten Staaten logischerweise als zu israellastig und beurteilen ihre Toleranz gegenüber der israelischen Unterdrückung in den besetzten Gebieten als moralisch verwerflich und als Handicap im Krieg gegen den Terror. (18) Im April 2004 z.B. sandten 52 ehemalige britische Diplomaten Premierminister Tony Blair einen Brief des Inhalts, daß der israelisch-palästinensiche Konflikt "die Beziehungen zwischen dem Westen und der arabischen und islamischen Welt vergiftet" habe und warnten, daß die Politik von Bush und Premierminister Ariel Sharon "einseitig und illegal" sei. (19)

Ein letzter Grund, Israels strategischen Wert in Frage zu stellen, ist, daß es nicht als loyaler Verbündeter handelt. Israelische Offizielle ignorieren häufig Bitten der USA und halten sich nicht an Versprechen, die sie Spitzenvertretern der USA gegeben haben (einschließlich vergangener Zusicherungen, den Siedlungsausbau zu beenden und von "gezielten Tötungen" palästinensischer Führer abzulassen) (20) Zudem hat Israel sensible US-Militärtechnik an potentielle US-Gegner wie China weitergegeben, was der Generalinspektor des US-Außenministeriums "einen systematischen und ausufernden Plan für unauthorisierten Transfer" nannte. (21) Laut dem U.S. General Accounting Office betreibt Israel auch "die aggressivsten Spionageoperationen aller Verbündeten gegen die USA" (22) Zusätzlich zum Fall Jonathan Pollard, der in den frühen Achtzigern Israel große Mengen Geheimmaterials übergab (welches Israel angeblich an die Sowjetunion weitergab, um mehr Ausreisevisa für sowjetische Juden zu erhalten) brach 2004 eine neue Kontroverse aus, als enthüllt wurde, daß eine Schlüsselfigur des Pentagon (Larry Franklin) Geheimmaterial an einen israelischen Diplomaten weitergegeben hatte, angeblich unterstützt durch zwei AIPAC-Vertreter. (23) Israel ist wohl kaum das einzige Land, das die Vereinigten Staaten ausspioniert, aber seine Bereitschaft, seinen Hauptgönner auszuspionieren, läßt weiteren Zweifel an seinem strategischen Wert aufkommen.

EIN FALL VON SCHWINDENDER MORAL

Außer seinem angeblichen strategischen Wert behaupten die Hintermänner Israels außerdem, daß ihm die uneingeschränkte Unterstützung der Vereinigten Staaten zustehe, weil 1) es schwach und von Feinden umgeben sei, 2) es eine Demokratie sei, was eine moralisch vorzuziehende Regierungsform sei, 3) das jüdische Volk in der Vergangenheit unter Verbrechen zu leiden gehabt habe und deshalb eine besondere Behandlung verdiene, und 4) das israelische Verhalten moralisch dem seiner Gegner überlegen gewesen sei.

Bei näherer Betrachtung jedoch ist keines dieser Argumente überzeugend. Es gibt einen starken moralischen Grund für die Stützung der Existenz Israels, aber diese ist nicht in Gefahr. Objektiv gesehen bietet Israels Verhalten in Vergangenheit und Gegenwart keinen Grund für seine Bevorzugung gegenüber den Palästinensern.

Rückendeckung für den Schwächeren?

Israel wird oft als schwach und belagert dargestellt, ein jüdischer David umgeben von einem feindlichen arabischen Goliath. Diese Darstellung wurde von israelischen Führern und gleichgesinnten Schreibern sorgfältig gepflegt, aber das Gegenteil kommt der Wahrheit näher. Entgegen dem Volksglauben hatten die Zionisten im Unabhängigkeitskrieg 1947-49 größere, besser ausgerüstete und geführte Truppen und die israelische Armee (IDF) errang schnelle und leichte Siege gegen Ägypten 1956 und gegen Ägypten, Jordanien und Syrien 1967 - bevor großzügige US-Hilfe nach Israel floß. (24) Diese Siege liefern den beredten Beweis für israelischen Patriotismus, organisatorische Fähigkeiten und militärische Tüchtigkeit, aber sie decken ebenso auf, daß Israel weit entfernt von Hilflosigkeit war, selbst in seinen frühesten Jahren.

Heute ist Israel die stärkste Militärmacht im Nahen Osten. Seine konventionellen Streitkräfte sind denen seiner Nachbarn weit überlegen und es ist der einzige Staat der Region mit Kernwaffen. Ägypten und Jordanien haben Friedensverträge mit Israel geschlossen und Saudi-Arabien hat dies ebenfalls angeboten. Syrien hat seinen sowjetischen Schutzherren verloren, der Irak wurde durch drei verheerende Kriege geschwächt und der Iran ist hunderte von Meilen entfernt. Die Palästinenser verfügen kaum über eine wirkungsvolle Polizei, geschweige denn über Militär, das Israel bedrohen könnte. Laut einer Einschätzung des berühmten Jaffee Center für Strategische Studien an der Universität Tel Aviv von 2005 "begünstigt die strategische Bilanz eindeutig Israel, das den qualitativen Abstand zwischen der eigenen militärischen Fähigkeiten und Abschreckungskraft und derjenigen seiner Nachbarn weiter vergrößerte." (25) Wenn Rückendeckung für den Schwächeren ein zwingender Grund wäre, würden die Vereinigten Staaten Israels Gegner unterstützen.

Hilfe für eine befreundete Demokratie?

Amerikas Rückendeckung wird oft mit der Behauptung gerechtfertigt, Israel sei ebenfalls eine Demokratie, umgeben von feindseligen Diktaturen. Diese Begründung klingt überzeugend, kann aber nicht verantwortlich sein für das derzeitige Maß an US-Unterstützung. Immerhin gibt es viele Demokratien weltweit, aber keine erfährt eine so großzügige Unterstützung wie Israel. Die Vereinigten Staaten haben Demokratien gestürzt und Diktatoren unterstützt, wenn es als Vorteil für die US-Interessen erachtet wurde, und sie unterhalten auch heute gute Beziehungen zu einer Reihe von Diktaturen. Somit ist das Vorhandensein von Demokratie weder eine Rechtfertigung noch eine Erklärung für die amerikanische Unterstützung Israels.

Die Begründung "gemeinsame demokratische Überzeugungen" wird ebenso geschwächt durch Gesichtspunkte der israelischen Demokratie, die mit amerikanischen Grundwerten unvereinbar sind. Die Vereinigten Staaten sind eine großzügige Demokratie, in der Menschen unabhängig von Rasse, Religion oder Volkszugehörigkeit als gleichberechtigt angesehen werden. Im Gegensatz dazu wurde Israel ausdrücklich als jüdischer Staat gegründet und die Staatszugehörigkeit basiert auf dem Prinzip der Blutsverwandtschaft. (26) Bei dieser Vorstellung von Staatsangehörigkeit ist es nicht überraschend, daß die 1,3 Millionen Araber Israels als Bürger zweiter Klasse behandelt werden, und daß kürzlich eine israelische Regierungskommission feststellte, daß Israel sich ihnen gegenüber in einer "vernachlässigenden und diskriminierenden" Art verhalte. (27)

Ähnlich verhält es sich damit, daß Israel Palästinensern, die israelische Staatsbürger heiraten, nicht erlaubt ebenfalls Staatsbürger zu werden und diesen Ehegatten das Aufenthaltsrecht in Israel verweigert. Die israelische Menschenrechtsorganisation B'tselem nannte diese Beschränkung "ein rassistisches Gesetz, das nach Rassenkriterien entscheidet, wer hier leben darf" (28) Solche Gesetze mögen angesichts der Gründungsprinzipien Israels verständlich sein, sind aber nicht vereinbar mit Amerikas Bild von Demokratie.

Israels Status als Demokratie wird auch unterminiert durch seine Weigerung, den Palästinensern einen eigenen lebensfähigen Staat zuzugestehen. Israel kontrolliert das Leben von 3,8 Millionen Palästinensern in Gaza und dem Westjordanland, während es Land kolonisiert, auf dem schon lange Palästinenser leben. Formal gesehen ist Israel demokratisch, aber den Millionen Palästinensern, die es kontrolliert, werden volle politische Rechte vorenthalten und das Argument "geteilte Demokratie" dadurch entsprechend geschwächt.

Entschädigung für ehemalige Verbrechen

Eine dritte moralische Rechtfertigung ist die Geschichte vom jüdischen Leid im christlichen Westen, besonders die tragische Episode des Holocaust. Weil Juden jahrhundertelang verfolgt wurden und nur in einem jüdischen Vaterland sicher sein können, glauben viele, daß Israel eine besondere Behandlung durch die Vereinigten Staaten verdiene.

Zweifelsohne haben die Juden sehr unter dem verabscheuungswürdigen Vermächtnis des Antisemitismus gelitten und die Gründung Israels war eine angemessene Antwort auf eine lange Geschichte von Verbrechen. Diese Geschichte stellt, wie bemerkt, einen starken moralischen Grund für die Unterstützung des Existenzrechts Israels dar. Aber die Gründung Israels schließt weitere Verbrechen an einer dritten, weitgehend unschuldigen Partei ein: den Palästinensern.

Die Geschichte dieser Ereignisse ist wohlbekannt. Als der politische Zionismus im späten 19. Jahrhundert ernstlich begann, gab es in Palästina nur rund 15.000 Juden. (29) 1893 z.B. bestand die Bevölkerung zu rund 95 Prozent aus Arabern, und obwohl sie unter osmanischer Herrschaft standen, waren sie für 1300 Jahre ununterbrochene Eigentümer des Landes (30) Selbst als Israel gegründet wurde, stellten Juden nur 35 Prozent der Bevölkerung Palästinas und sie besaßen 7 Prozent des Landes. (31)

Die tonangebende zionistische Führerschaft war an der Errichtung eines binationalen Staates nicht interessiert und nicht gewillt, eine dauerhafte Abtrennung von Palästina zu akzeptieren. Die zionistische Führerschaft war zeitweilig bereit, eine Abtrennung als ersten Schritt zu akzeptieren, aber dies war nur ein taktisches Manöver und nicht ihr wirkliches Ziel. David Ben-Gurion stellte es in den späten dreißiger Jahren so dar: "Nach der Aufstellung einer großen Armee im Kielwasser der Errichtung des Staates werden wir die Abtrennung aufgeben und uns auf ganz Palästina ausbreiten." (32)

Um dieses Ziel zu erreichen, mußten die Zionisten eine Vielzahl von Arabern aus dem Territorium vertreiben, das schließlich zu Israel werden würde. Zur Erreichung ihres Zieles gab es einfach keinen anderen Weg. Ben-Gurion sah das Problem deutlich, als er 1941 schrieb: "Es ist unmöglich, sich eine allgemeine Evakuierung (der arabischen Bevölkerung) vorzustellen ohne Zwang, und zwar ohne brutalen Zwang." (33) Oder wie der israelische Historiker Benny Morris es darstellte: "Die Idee eines Transfers ist so alt wie der moderne Zionismus und begleitet seine Entwicklung und Vorgehen während des letzten Jahrhunderts." (34)

Diese Gelegenheit kam 1947-48, als die jüdischen Truppen bis zu 700.000 Palästinenser ins Exil trieben. (35) Israelische Offizielle haben lange behauptet, die Araber seien geflohen, weil ihnen ihre Führer es sagten, aber sorgfältige Forschungen (Großteils durch israelische Historiker wie Morris) haben diesen Mythos zerstört. In Wahrheit haben die meisten arabischen Führer die palästinensische Bevölkerung gedrängt, daheim zu bleiben, aber die Furcht vor einem gewaltsamen Tod durch die Hand der zionistischen Truppen trieb die meisten von ihnen zur Flucht. (36) Nach dem Krieg verbot Israel die Rückkehr der palästinensischen Exilanten. Die Tatsache, daß die Errichtung Israels ein moralisch verwerfliches Verbrechen an den Palästinensern zur Folge hatte, war den israelischen Führern wohl bewußt. Ben-Gurion sagte Nahum Goldman, dem Präsidenten des World Jewish Congress: "Wenn ich ein arabischer Führer wäre, würde ich niemals mit Israel verhandeln. Das ist natürlich: Wir haben ihr Land genommen… Wir kommen aus Israel, aber das ist zweitausend Jahre her. Und was bedeutet das für sie? Es gab Antisemitismus, die Nazis, Hitler, Auschwitz. Aber war das ihre Schuld? Sie sehen nur eines: wir sind hierher gekommen und haben ihr Land gestohlen. Warum sollten sie das akzeptieren?" (37)

Seit damals haben israelische Führer immer danach getrachtet, nationale Ambitionen der Palästinenser zu leugnen. (38) Premierministerin Golda Meir tat den berühmten Spruch "Da gab es kein solches Ding wie einen Palästinenser", und sogar Premierminister Yitzhak Rabin, der die Osloabkommen von 1993 unterzeichnete, wandte sich nichtsdestoweniger gegen die Schaffung eines richtiggehenden Palästinenserstaates. (38) Druck durch extremistische Gewalt und die wachsende palästinensische Bevölkerung hat nachfolgende israelische Führer dazu gezwungen, einige der besetzten Gebiete zu räumen und territoriale Kompromisse zu suchen, aber keine israelische Regierung war bereit, den Palästinensern einen lebensfähigen Staat anzubieten. Sogar Premierminister Ehud Baraks angeblich großzügiges Angebot von Camp David im Juli 2000 hätte den Palästinensern nur ein entwaffnetes und zersplittertes "Bantustan" unter de facto israelischer Kontrolle zugestanden. (40)

Die europäischen Verbrechen an den Juden stellen eine klare moralische Rechtfertigung des Existenzrechts Israels dar. Aber das Überleben Israels steht außer Frage - selbst wenn einige islamische Extremisten unverschämte und unrealistische Bemerkungen machen, "es von der Landkarte zu radieren" - und die tragische Geschichte des jüdischen Volkes verpflichtet die Vereinigten Staaten nicht dazu, Israel zu helfen, ohne Rücksicht darauf, was es heute tut.

"Tugendhafte Israelis" gegen "böse Araber"

Das letzte Argument stellt Israel als ein Land dar, das Frieden suchte unter allen Umständen und große Selbstbeherrschung zeigte, selbst, wenn es provoziert wurde. Den Arabern wird im Gegensatz dazu nachgesagt, sie hätten mit großer Bösartigkeit gehandelt. Diese Geschichte - die von israelischen Führern und ihren amerikanischen Verteidigern wie Alan Dershowitz endlos wiederholt wird - ist jedoch ein weiterer Mythos. (41) In Bezug auf sein tatsächliches Verhalten ist das Verhalten Israels moralisch nicht von dem seiner Gegner zu unterscheiden. Israelische Forscher weisen nach, daß die frühen Zionisten weit von wohlwollendem Verhalten gegenüber den palästinensischen Arabern entfernt waren. (42) Die arabischen Einwohner leisteten den Übergriffen der Zionisten Widerstand, was kaum überraschend ist, bedenkt man, daß die Zionisten ihren eigenen Staat auf arabischem Land errichten wollten. Die Zionisten antworteten heftig und keine der beiden Seiten kann in jener Zeit die moralische Überlegenheit für sich beanspruchen. Die gleichen Forscher enthüllen auch, daß die Errichtung Israels 1947-48 ausdrücklich Fälle von ethnischen Säuberungen bedeutete, einschließlich Exekutionen, Massakern und Vergewaltigungen durch Juden. (43)

Überdies war Israels weiteres Verhalten gegen seine arabischen Widersacher und palästinensischen Unterworfenen oft brutal, was jeden Anspruch auf ein moralisch überlegeneres Verhalten widerlegt. Zwischen 1949 und 1956 z.B. töteten israelische Sicherheitskräfte zwischen 2.700 und 5.000 Araber, die über die grüne Grenze ins Land kamen, die meisten von ihnen waren unbewaffnet. (44) Die IDF unternahmen in den frühen fünfziger Jahren zahlreiche Überfälle auf seine Nachbarn jenseits der Grenzen, und obwohl diese Aktionen als Verteidigungsantwort dargestellt wurden, waren sie eigentlich Teil eines Plans zur Ausdehnung der israelischen Grenzen. Der Ehrgeiz israelischer Expansionisten führte 1956 auch zur Unterstützung des britisch-französischen Angriffs auf Ägypten und Israel zog sich aus den besetzten Gebieten erst auf massiven Druck der USA zurück. (45)

Die IDF ermordeten auch in den beiden Kriegen von 1956 und 1967 hunderte ägyptischer Kriegsgefangener. (46) 1967 wies es zwischen 100.000 und 260.000 Palästinenser aus dem frisch eroberten Westjordanland aus und vertrieb 80.000 Syrer von den Golanhöhen. (47) Außerdem waren sie Mittäter an dem Massaker an 700 unschuldigen Palästinensern in den Flüchtlingslagern Sabra und Shatila, das der Invasion des Libanon von 1982 folgte, und eine israelische Untersuchungskommission befand den damaligen Verteidigungsminister Sharon "persönlich verantwortlich" für diese Greuel. (48)

Israelische Besatzer haben in zahlreichen Fällen palästinensische Gefangene systematisch gefoltert, palästinensische Zivilisten erniedrigt und belästigt und in zahlreichen Fällen blindlings Gewalt angewendet. Während der Ersten Intifada 1987-91 z.B. verteilten die IDF Schlagstöcke an ihre Truppen und forderten sie auf, die Knochen der palästinensischen Demonstranten zu zerschlagen. Die schwedische Organisation "Save the Children" schätzte, daß "während der ersten beiden Jahre der Intifada zwischen 23.600 und 29.900 Kinder ihre Schlagverletzungen medizinisch behandeln lassen mußten", wobei nahezu ein Drittel Knochenbrüche erlitten hatte. "Fast ein Drittel der zusammengeschlagenen Kinder war höchstens zehn Jahre alt." (49)

Die israelische Antwort auf die Zweite Intifada 2000-2005 war sogar noch gewalttätiger, was Ha'aretz zu der Erklärung veranlaßte, daß "die IDF… sich in einen Tötungsapparat verwandeln, dessen Effizienz eindrucksvoll, aber auch schockierend sei" (50) Die IDF verfeuerten in den ersten Tagen des Aufstands eine Million Kugeln, was weit entfernt von einer angemessenen Antwort ist. (51) Israel hat für jeden Verlust an israelischem Leben 3,4 Palästinenser ermordet, die meisten davon unschuldige Zuschauer, das Verhältnis getöteter palästinensischer zu israelischen Kindern ist sogar noch höher: 5,7 zu 1. (52) Israelische Truppen haben auch mehrere ausländische Friedensaktivisten ermordet, darunter eine 23jährige Amerikanerin, die im März 2003 mit einem Bulldozer zermalmt wurde. (53)

Diese Tatsachen über israelisches Vorgehen wurden von zahlreichen Menschenrechtsorganisationen - darunter namhafte israelische Gruppen - umfassend dokumentiert und werden von objektiven Beobachtern nicht bestritten. Aus diesem Grund verurteilten im November 2003 vier ehemalige Angehörige von Shin Bet (der israelischen Heimatschutzorganisation) Israels Vorgehen während der Zweiten Intifada. Einer von ihnen erklärte: "Wir benehmen uns schändlich" und ein anderer beurteilte das israelische Vorgehen als "offenkundig sittenwidrig" (54)

Aber ist Israel nicht dazu berechtigt, seine Bürger um jeden Preis zu schützen? Rechtfertigt nicht das einzigartige Übel des Terrorismus die US-Unterstützung, selbst wenn Israel oft überhart antwortet?

Auch dieses Argument liefert in Wahrheit keine zwingende moralische Rechtfertigung. Die Palästinenser haben Terrorismus gegen ihre israelischen Besatzer benutzt und ihre Bereitschaft zum Angriff auf unschuldige Zivilisten ist falsch. Dieses Verhalten ist jedoch nicht überraschend, weil die Palästinenser glauben, sie hätten keine andere Möglichkeit, Israel zu Zugeständnissen zu bewegen. Wie der frühere israelische Premierminister Barak einmal eingestand, daß er "einer Terrororganisation beigetreten wäre" (55), wenn er als Palästinenser geboren worden wäre.

Schließlich sollten wir nicht vergessen, daß die Zionisten Terror angewendet haben, als sie sich in einer ähnlich schwachen Lage befanden und versuchten, sich ihren eigenen Staat zu verschaffen. Zwischen 1944 und 1947 verübten mehrere zionistische Organisationen terroristische Bombenanschläge, um die Briten aus Palästina zu vertreiben, und nahmen dabei den Tod vieler unschuldiger Zivilisten billigend in Kauf. (56) Israelische Terroristen ermordeten 1948 auch den UN-Vermittler Graf Folke Bernadotte, weil sie gegen seinen Vorschlag zur Internationalisierung Jerusalems waren. (57) Auch waren die Täter keine isolierten Extremisten: Den Führern des Mordkomplotts wurde schließlich von der israelischen Regierung Amnestie gewährt und einer von ihnen wurde sogar in die Knesset gewählt. Ein weiterer Terroristenführer, der den Mordanschlag genehmigt hatte, aber nicht darin verwickelt war, war der spätere Premierminister Yitzhak Shamir. In der Tat argumentiert Shamir offen, daß "weder jüdische Ethik noch jüdische Tradition den Terrorismus als Mittel des Kampfes ausschließen könnten". Vielmehr spielte der Terrorismus "eine große Rolle… in unserem Krieg gegen die Besatzer (die Briten)" (58) Wenn die palästinensische Anwendung von Terrormethoden heute moralisch verwerflich ist, so war es auch das israelische Verhältnis dazu in der Vergangenheit; daher kann man die US-Unterstützung für Israel nicht dadurch rechtfertigen, daß sein Verhalten in der Vergangenheit moralisch überlegen gewesen sei. (59) Israel mag nicht schlechter gehandelt haben als viele andere Länder, aber es hat klar erkennbar auch nicht einen Deut besser gehandelt. Und wenn weder strategische noch moralische Gründe die Unterstützung Amerikas für Israel erklären können, wie sollen wir sie uns sonst erklären?

Link:http://www.lutz-forster.de/html/israel-lobby_1.html

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