1,1 Mio. Kinder in DNA-Datenbank
In Großbritannien gibt es momentan lebhafte Diskussionen um die Archivierung der DNA von Kindern in einer zentralen Datenbank.
Nach offiziellen Angaben sollen in der nationalen DNA-Datenbank auch die DNA-Daten von rund 1,1 Millionen Minderjährigen gespeichert seien. Datenschützer gehen davon aus, das rund die Hälfte dieser Kinder und Jugendlichen nie wegen irgendwelcher Straftaten verurteilt wurden. Das Ausmaß der Erfassung, auch von Minderjährigen, löste nun eine Datenschutzdebatte in Großbritannien aus.
Auch die Liberaldemokraten, die drittgrößte Partei in Großbritannien und seit Langem aktiv gegen die Antiterrorpolitik der amtierenden Labour-Regierung, üben heftige Kritik an der offenbar extremen Verbreitung der DNA-Speicherung. Der namhafteste Innenexperte der Partei, Chris Huhne, sagte: "Wir wissen bereits, dass Schuld und Unschuld die Minister nicht interessieren, aber offensichtlich gilt dasselbe auch für den negativen Effekt, den die Datenbank auf Kinder hat."
Kritiker machen veränderte Taktiken der Polizei für die große und immer schneller ansteigende Anzahl von Kindern und Jugendlichen in der DNA-Datenbank verantwortlich. Terri Dowty von der Kinderschutz-Organisation Action on Rights for Children erklärt ein verbreitetes Szenario: "Viele Kinder werden festgenommen, ihre DNA wird archiviert, und es wird nichts weiter gegen sie unternommen, oder sie bekommen eine Verwarnung. Wir sammeln riesige Mengen von Daten über Kinder, einschließlich der Tatsache, wie wahrscheinlich es ist, dass sie kriminell sind, und das beinhaltet das Risiko, dass wir sie vorverurteilen."
Von offizieller Stelle heißt es, 88 Prozent der Kinder und Jugendlichen, von denen DNA-Proben genommen würden, würden auch angezeigt, verurteilt oder bekämen eine "letzte Warnung". Wie viele der Anzeigen aber tatsächlich in einer Verurteilung enden und wie hoch der Anteil der "letzten Warnungen" (die nicht als Vorstrafe gelten) ist, teilten die zuständigen Behörden aber nicht mit.
Datenschutz-Gruppen werfen der Regierung daher vor, die Anzahl unschuldiger Kinder und Jugendlicher in der Datenbank zu unterschätzen oder sogar vorsätzlich herunterzuspielen. Helen Wallace, Direktorin der Datenschutz-Organisation GeneWatch, geht davon aus, dass bis zu der Hälfte der betroffenen Minderjährigen unschuldig ist.
Insgesamt sind bereits sieben Prozent der Briten in der DNA-Datenbank erfasst. Fast jeder, der wegen Verdachts auf eine Straftat festgenommen wird, muss mittlerweile eine DNA-Probe abgeben, ob ein Strafverfahren folgt oder nicht. Die Daten werden bis zum 100. Geburtstag der Person archiviert. Die Ermittlungsbehörden betonen, die Datenbank sei ein wertvolles Werkzeug für die Kriminalitätsbekämpfung. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte kam jedoch schon einmal zu dem Schluss, dass die dauerhafte Speicherung der DNA Unschuldiger nicht rechtmäßig ist. Innenministerin Jacqui Smith erwägt deshalb nun nach eigenen Angaben ein flexibleres System, das die Löschung der Daten einiger Personen vorsieht. Bereits jetzt gibt es Beispiele dafür, dass die langfristige Speicherung auch geringfügiger Vergehen oder die falsche Verdächtigung Unschuldiger das Leben der Betroffenen maßgeblich negativ beeinflussen kann. (Annika Kremer)
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