Samstag, 7. Februar 2009

Darfur – Zurück in die Wirklichkeit


Darfur – Zurück in die Wirklichkeit
Das Unvermögen westlicher Politik, Medien und der Vereinten Nationen
von Dr. Stefan Kröpelin
Die Auseinandersetzungen im Darfur-Konflikt überschreiten die Grenzen, die Erfolgs­chancen der UN- und AU-Missionen sinken, die negativen Folgen einseitiger Meinungsmache werden immer deutlicher. In den Köpfen westlicher Politiker ist ein virtuelles Bild entstanden, das nur noch wenig mit der Realität gemein hat und kaum dazu beitragen kann, die Lage der Menschen langfristig zu verbessern. Aktueller Höhepunkt der fatalen Entwicklung ist die Anklageerhebung des Internationalen Gerichtshofs gegen den sudanesischen Präsidenten.

Es erscheint wenig aussichtsreich, eine Korrektur der öffentlichen Meinung in Sachen Darfur und Sudan wagen zu wollen angesichts einer praktisch gleichlautenden westlichen Berichterstattung und Kommentierung in Presse, Funk, Fernsehen und rund 20 Millionen Google-Links. Was seit fünf Jahren so einmütig auf allen Kanälen wiederholt und darüber hinaus von Sympathieträgern von George Clooney bis Elton John unterstützt wird, kann beim Leser, Hörer, Zuschauer, Internetsurfer und Politiker kaum Skepsis auslösen. Selten in der Nachkriegszeit existierte zu einem Thema eine solche, scheinbar über jeden Zweifel erhabene einhellige Meinung in der breiten Öffentlichkeit Europas und der USA. Dennoch stossen mit den Gegebenheiten im Sudan Vertraute immer wieder auf Ungereimtheiten, sachliche Fehler und Unwahrheiten in den Medienberichten, die nur in Ausnahmen von Reportern stammen, die wenigstens kurz vor Ort waren, in der überwiegenden Mehrheit aber auf unüberprüften Quellen und Kolportagen beruhen.
Nur wenige Foren bieten noch die Gelegenheit, der Öffentlichkeit authentische Informationen, Hintergründe, Richtigstellungen und vom gängigen Schema abweichende Einschätzungen zu präsentieren. Und Fragen zu stellen: Wer eigentlich den Darfur-Konflikt begonnen hat; worauf sich die unablässig wiederholten Angaben von Hunderttausenden Toten stützen; ob es wirklich einen «Völkermord» gab und gibt; warum man trotz der allgemeinen Verfügbarkeit höchstauflösender Satellitenbilder auf Kinderzeichnungen zurückgreift, um eben diesen zu belegen zu versuchen; warum man in den Flüchtlingslagern fast nur Frauen und Kinder antrifft und warum sich dort überhaupt so viele Menschen befinden; ob die eingerichteten Lager ausschliesslich unmittelbar Bedrohte angezogen haben; ob die Unsicherheit dort wirklich zugenommen hat, und wenn ja warum; ob nicht politisch-ökonomische Interessen ausländischer Mächte eine grosse Rolle spielen; wer ein Interesse daran hat, den Sudan zu stigmatisieren, und wer hinter den millionenschweren Kampagnen steckt; warum nicht andere, kaum weniger schlimme Krisen wie im Kongo thematisiert werden; ob Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen nicht die Lage dramatisieren, um mehr Fördermittel einzuwerben, und wie viel davon bei den Betroffenen ankommt; ob sich die Lebensbedingungen der Darfur-Bewohner erst und allein durch den Konflikt der letzten fünf Jahre verschlechtert haben; ob die Zentralregierung in Khartum tatsächlich «islamistisch» ist und an allem die Schuld trägt; ob der wirtschaftliche Boykott und die Einstellung der Entwicklungszusammenarbeit sinnvoll waren; ob der bisherige ausländische Militäreinsatz etwas gebracht hat und ob die Entsendung weiterer Truppen eine Lösung der Probleme näher bringt. Die Fragen liessen sich noch länger fortsetzen.

Eindrücke aus der Boomtown Khartum
Was der Sudan-Besucher hingegen denen zu berichten weiss, die das Land nur aus der Mediendarstellung der letzten Jahre kennen, steht in krassem Gegensatz zu den gängigen Schilderungen und Schwarzweissmalereien und wirkt offenbar so unglaubhaft, dass man sich schnell als «willfährig um kommode Forschungsgenehmigungen Beflissenen» (wie vom Chefredakteur des deutschen Geo) oder als Verharmloser, wenn nicht gar als von der sudanesischen Regierung Gedungenen (in Blogs und Leserkommentaren) bezeichnet sieht.
Wohl nirgends auf dem afrikanischen Kontinent findet zurzeit ein grösserer Entwicklungsschub statt als im Grossraum Khartum. Die in den letzten 15 Jahren von drei auf neun Millionen Einwohner angewachsene Dreistadt Khartum-Omdurman-Bahri ist eine Boomtown mit zahlreichen Grossbaustellen, mit Verkehrsstaus trotz neuer achtspuriger Stadtautobahnen, mit modernen Einkaufszentren, wo sich vor kurzem noch armselige Verkaufsstände befanden; Nil-Brücken, Geschäfte, Werkstätten, Restaurants, Cafés und Tankstellen schiessen aus dem Boden; ebenso Luxushotels und neue Flughafengebäude mit stark ansteigenden Passagierzahlen und problemlosen Einreiseformalitäten – ein noch grösserer Flugplatz mit Bahnanbindung ist in Planung. Am Zusammenfluss von Blauem und Weissen Nil entsteht gar ein architektonisch innovativer Gebäudekomplex mit Dubai-Anklängen. Wo man früher fast nur klapprige Fahrzeuge sah, begegnet man heute mehr Neuwagen als in mancher europäischen Stadt. Auch die gepflegten Kirchen mit Konfessionsschulen, die sich in besserem Zustand als die meisten Moscheen befinden, passen nicht ins gängige Elendsklischee. Und das Ausbildungs- und Krankenhaussystem braucht sich vor den meisten anderen afrikanischen Staaten nicht zu verstecken. Mit einer vorausschauenden Stadtplanung wird versucht, dem anhaltenden Zuzug – nach wie vor auch aus dem Südsudan, aber auch von Flüchtlingen aus benachbarten afrikanischen Ländern – standzuhalten. Abends ist man Zeuge eines ausgelassenen Soziallebens in den Strassen, Gärten, Restaurants und Cafés, man sieht mehr weibliche Autofahrer als in vielen anderen muslimischen Ländern, Kinder werden allseits liebevoll umsorgt und die Familienstrukturen sind intakt – ganz im Gegensatz zu den meisten anderen Städten des subsaharischen Afrikas mit ihren massiven alkoholbedingten Problemen.
Nicht einmal ausgesprochene Sudan-Kritiker bestreiten, dass Khartum die sicherste Grossstadt Afrikas ist. Dennoch gleicht das UN-Hauptquartier inmitten der Stadt einer Festung aus Wachtürmen und Stacheldraht, UN-Mitarbeiter, die sich mit ihren mit hohen Antennen versehenen Geländewagen und Funkgeräten in den Händen in die Stadt wagen, um ihren Kindern ein Eis zu kaufen, scheinen sich ihrem Verhalten nach in Bagdad zu wähnen.
Auch auf dem Lande sorgen monumentale Projekte wie mehrere Staudämme und ein Hunderte Kilometer langes Hochspannungsnetz zur Stromversorgung, der Ausbau von Fernstrassen und Eisenbahnlinien, neue Brücken, Flughäfen, Raffinerien, Pipelines sowie grosszügige Bewässerungs- und Siedlungsprogramme zu einer infrastrukturellen Entwicklung, die noch vor wenigen Jahren kaum jemand für möglich gehalten hätte. Logischerweise kann diese Entwicklung im grössten Flächenstaat Afrikas nicht überall gleichzeitig stattfinden, doch selbst in entlegenen Regionen wie den Nuba Mountains ist der Fortschritt deutlich spürbar. Diese Beispiele sollen genügen, um zu verdeutlichen, dass die jüngsten Rohstoffeinnahmen nicht nur kleinen Eliten zugute kommen wie in vielen anderen afrikanischen Staaten.
Noch nie in der sudanesischen Geschichte gab es einen solchen wirtschaftlichen Entwicklungsschub wie in den vergangenen Jahren. Niemand, der die Verhältnisse während Numeiri und von der vorherigen Regierung kannte, die Omar al Bashir 1989 in einem unblutigen Staatsstreich stürzte, wird dies bezweifeln wollen. Seit 1996 stellt sich der keineswegs radikal-islamisch ausgerichtete Bashir erfolgreich den Präsidentenwahlen. Er gehört dem Stamm der Jaaliyin an, die im Sudan wegen ihrer Tüchtigkeit und Tapferkeit hohes Ansehen geniessen. In Anerkennung der einen und zum Bedauern anderer hat sich der bescheiden lebende sudanesische Präsident als nicht korrumpierbar erwiesen und pragmatisch die Verbesserung der Lebensbedingungen breiter Bevölkerungsschichten vorangetrieben. Ausländische Investoren versichern, dass sie keinen einzigen Euro Bestechungsgeld zu zahlen hatten, sicherlich ein Unikum nicht nur in Afrika.

Quelle:http://www.zeit-fragen.ch/ausgaben/2008/nr41-vom-6102008/darfur-zurueck-in-die-wirklichkeit

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