Samstag, 14. Februar 2009

Geheimabkommen zwischen Uno und Nato kann nicht im Sinne der Weltgemeinschaft sein


Geheimabkommen zwischen Uno und Nato kann nicht im Sinne der Weltgemeinschaft sein

Ende September, Anfang Oktober 2008 berichteten nur sehr wenige Medien sehr kurz über ein geheimes Abkommen zwischen Uno und Nato, das der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki-Moon, und der Generalsekretär der Nato, Jaap de Hoop Scheffer, unterzeichnet haben sollen.

Die «Financial Times Deutschland» meldete am 26. September, strengstes Stillschweigen sei vereinbart worden. Das Abkommen solle «die Zusammenarbeit in Krisensituationen wie in Afghanistan oder in Kosovo vereinfachen».
Das Abkommen sei bis zuletzt innerhalb der Uno umstritten gewesen, nicht zuletzt wegen der parteiischen Haltung der Nato im Georgien-Krieg. Ban Ki-Moon habe dann aber auf Druck Frankreichs, der USA und Grossbritanniens doch noch unterschrieben.
Und am 9. Oktober war in der englischsprachigen Ausgabe von RIA Novosti zu lesen, dass der russische Aussenminister Sergej Lavrov über dieses Abkommen schockiert sei. Der Vertrag sei im Geheimen und ohne Konsultation aller Uno-Mitgliedstaaten unterzeichnet worden. Nachdem es Hinweise darauf gegeben hatte, dass ein solcher Uno-Nato-Vertrag geplant sei, habe der russische Aussenminister beim Generalsekretär nachgefragt, von diesem aber nur ausweichende Antworten erhalten.
Der Redaktion Zeit-Fragen liegt der Text des Vertrages nun vor (siehe Kasten). Er hat das Datum vom 23. September und ist unterzeichnet von Ban Ki-Moon und Jaap de Hoop Scheffer. In der Tat haben die Generalsekretäre von Uno und Nato nicht nur die bisherige «Zusammenarbeit», zum Beispiel auf dem Balkan oder in Afghanistan, hervorgehoben, sondern auch eine Fortschreibung und einen Ausbau der «Zusammenarbeit» beschlossen.
Diese «Zusammenarbeit» wird insbesondere auf den «Geist» der Uno-Gipfelerklärung aus dem Jahr 2005 zurückgeführt. Das war der Uno-Gipfel, der die Möglichkeit weltweiter militärischer Interventionen der Uno, auch über die bisherige Uno-Charta hinausgehend, unter der Überschrift «Responsibility to protect» vorschlug und damit weitgehend einer Vorlage aus dem Jahr 2001 folgte, die unter wesentlicher Beteiligung von Kriegsscharfmachern wie Gerath Evans (Australien) oder Klaus Naumann (Deutschland) verfasst worden war (Zeit-Fragen berichtete am 26. Mai).
Schon einen Monat vor dem Uno-Gipfel, im September 2005, hatte der damalige Nato-Generalsekretär de Hoop Scheffer Vorschläge für einen Kooperationsvertrag zwischen Uno und Nato vorgelegt. Darüber berichtet ein, übrigens in Deutschland verfasstes, Analyse- und Strategiepapier (Janka Oertel: «The United Nations and Nato») vom Juni 2008, das den Vorschlag einer engeren «Zusammenarbeit» von Uno und Nato ebenfalls unterstützt.
So bestätigen sich also die grossen Bedenken der Kritiker des Konzeptes «Responsibility to protect», die hinter diesem Konzept nichts anderes sehen als das umformulierte Nato-Konzept der «humanitären Intervention», mit dem die Nato ihren mit imperialen Absichten verbundenen völkerrechtswidrigen Krieg gegen Jugoslawien rechtfertigen wollte – ein Krieg, der Tausenden von Menschen das Leben gekostet, die zivile Infrastruktur des Landes auf Jahrzehnte hin zerstört und weite Teile des Landes auf Dauer radioaktiv verseucht hat.
Bezeichnend ist der Zeitpunkt der jetzigen Unterzeichnung. Dieser passt zum Präsidentenwechsel in den USA, zu dem ganz offensichtlich schon im Vorfeld auch international die Weichen gestellt wurden. Anders als der noch amtierende Präsident Bush und seine Ideologen im Hintergrund, die eine Weltherrschaft der USA an der Uno vorbei errichten wollten, plant das Beraterteam um den neuen Präsidenten Obama die Einbindung der Uno in die Weltherrschaftspläne und damit eine groteske Variation des Konzeptes der «Koalition der Willigen». Obama selbst hat dies in seiner Rede vor der Berliner Siegessäule am 24. Juli mit Rhetorik gefüllt: «Jetzt ist die Zeit, um neue Brücken über den ganzen Globus zu bauen, so stark wie diejenige, die uns bisher schon über den Atlantik verbindet. Jetzt ist die Zeit, um sich zusammenzuschliessen, durch andauernde Kooperation, starke Institutionen, gemeinsame Opfer und eine globale Verpflichtung zum Fortschritt, um den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu begegnen.»
Sehr vieles weist darauf hin, dass das tatsächliche Ziel dabei ist, die vollkommen ungerechte Vormacht des Westens und insbesondere der USA mit allen Mitteln aufrechterhalten zu wollen; eine Vormacht, von der es heisst – so die neueste Studie der US-Geheimdienste «Global Trends 2025: A Transformed World» (www.dni.gov/nic/NIC_2025_project.html) –, sie drohe endgültig verlorenzugehen.
Wie bislang darauf reagiert werden soll, zeigen applaudierende Äusserungen des ehemaligen deutschen Aussenministers Fischer im Nachrichtenmagazin Focus vom 13. August über die Absichten Obamas: «Seine Rede in Berlin war Klartext.» Obama habe den Europäern gesagt: «Mit mir wird in Zukunft gemeinsam entschieden und dann gemeinsam gekämpft, und wenn es sein muss, auch gemeinsam gestorben.»
Zu Obamas Beratern gehören auch Ideologen der «humanitären Intervention» wie Samantha Power (vgl. die Analyse von Jürgen Wagner: «Obama: Vorsicht vor allzu grossen Hoffnungen», IMI-Analyse 2008/37 vom 5. November). Der CDU-Abgeordnete Willy Wimmer schrieb in einem Brief am 17. November an den deutschen Aussenminister Steinmeier sogar, dass sich das Personal um Obama «wie eine Dublette jener Kräfte ausnimmt, die uns in den Jugoslawien-Krieg […] getrieben haben».
Dass sich Ban Ki-Moon dem Druck der Kriegsmächte USA, Grossbritannien und seit Sarkozy auch Frankreich gebeugt hat, bestätigt die Befürchtungen all derer, die beim neuen Generalsekretär eine Abhängigkeit von den USA vermuten.
Aber das kann nicht das letzte Wort der Vereinten Nationen sein. Die Charta der Organisation verpflichtet diese auf das Völkerrecht: auf die Gleichberechtigung der Nationen, auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker, auf das Interventionsverbot und insbesondere auf das Friedensgebot. Angriffskriege und imperiales Hegemonialstreben sind nach dem Völkerrecht ein Verbrechen. Die Nato hat sich trotz verbaler Bekundungen seit ihrem strategischen Konzept aus dem Jahr 1991, welches das erste Mal über den völkerrechtlich zulässigen Selbstverteidigungsauftrag hinausging, und noch schlimmer mit den strategischen Konzepten von 1999 sowie den strategischen Beschlüssen der Nato-Gipfel 2004, 2006 und 2008 von dieser Grundlage verabschiedet und will diese Hybris im kommenden Jahr mit einem neuen strategischen Konzept «krönen».
Die Nato hat sich mehrfach des Verbrechens gegen die Uno-Charta schuldig gemacht und tut dies täglich im von ihr faktisch besetzten Afghanistan und anderswo im Rahmen von OEF und seit der bislang nicht zurückgenommenen Erklärung des Bündnisfalles nach dem 11. September 2001. Von daher gehören die Verantwortlichen der Nato vor ein Völkerrechtstribunal. Dass der Generalsekretär der Uno mit der Nato eine engere «Zusammenarbeit» vereinbart hat, ist eine schallende Ohrfeige für jedes Rechtsbewusstsein und darf keinen Bestand haben.
Sehr oft schon seit dem Ende des kalten Krieges haben sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und der Generalsekretär der Weltorganisation vor den US-amerikanischen Karren spannen lassen. Mit einem Präsidenten Obama ist diese Gefahr noch grösser geworden. Die Weltgemeinschaft darf das nicht durchgehen lassen. •

Verstoss gegen Uno-Charta

Wenn der Text der gemeinsamen Erklärung über die Zusammenarbeit zwischen Uno und Nato stimmt, ist es ein Skandal; denn es geht gegen Geist und Buchstabe der Uno-Charta und überschreitet die Kompetenzen des Uno-Generalsekretärs. Die Uno muss unabhängig bleiben und darf sich nie auf die Seite eines Militärbündnisses stellen. Es liegt auf der Hand, dass dies ein Affront gegen China und Russland ist sowie auch gegen die «blockfreien» Staaten (118 Staaten).
Als mein ehemaliger Chef Sergio Viera de Mello und etliche Uno-Kollegen in Bagdad im August 2003 durch ein Attentat ums Leben gekommen sind, machte ich in einem Interview deutlich, dass dies zum Teil darauf zurückzuführen war, dass die Iraker die Uno als einen imperialistischen Arm der Nato verstanden haben beziehungsweise wahrscheinlich noch so verstehen. So wurden meine guten Kollegen Ziel des Anschlags.
Man muss daran denken, dass sich die Nato an illegalen Kriegen beteiligt hat so wie 2003 im Irak (was Artikel 2 [4] der Uno-Charta verletzt, wie der damalige Generalsekretär der Uno Kofi Annan damals mehrfach festgestellt hat). Ausserdem hat sich die Nato Kriegsverbrechen auf dem Balkan, im Irak und in Afghanistan zuschulden kommen lassen. Auch den Einsatz von DU-Waffen kann man nur als Verbrechen gegen die Menschheit bezeichnen.
Die Generalversammlung muss sich mit dieser Uno-Nato-Erklärung dringend befassen und ihre Rechtsungültigkeit feststellen.

Prof. Dr. iur. et phil. Alfred de Zayas,
Uno-Beamter im Ruhestand, ehemaliger Sekretär des Menschenrechtsausschusses

Gemeinsame Erklärung über die Zusammenarbeit der Sekretariate von Uno und Nato
Der Generalsekretär der Vereinten Nationen und der Generalsekretär der Nato begrüssen die bereits über ein Jahrzehnt andauernde Zusammenarbeit zwischen den Vereinten Nationen und der Nato zur Unterstützung der Arbeit der Vereinten Nationen an der Aufrechterhaltung des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit und wünschen im Geist der Ergebnisse des Weltgipfels von 2005 einen Rahmen für erweiterte Beratung und Zusammenarbeit zwischen ihren jeweiligen Sekretariaten zu schaffen. Daher haben sie sich auf folgendes geeinigt:

1.Wir, der Generalsekretär der Vereinten Nationen und der Generalsekretär der Nato, versichern erneut unsere Verpflichtung, den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit aufrechtzuerhalten.

2.Unsere gemeinsamen Erfahrungen haben den Wert effektiver und effizienter Koordination unserer Organisationen erwiesen. Wir haben eine operative Zusammenarbeit, beispielsweise bei der Friedenserhaltung auf dem Balkan und in Afghanistan, entwickelt, wo von der Uno autorisierte und von der Nato geführte Operationen gleichzeitig mit Friedenseinsätzen der Uno arbeiten. Wir sind zudem zusammen und gemeinsam mit weiteren Partnern zur Unterstützung von regionalen und subregionalen Organisationen tätig geworden. Weiter hat die Nato Pakistan 2005 während der Uno-Katastrophenhilfeaktionen Material und Personal zur Verfügung gestellt. Unsere Zusammenarbeit wird geleitet von der Uno-Charta, international anerkannten humanitären Prinzipien und Richtlinien und der Abstimmung mit nationalen Behörden.

3. Die weitere Zusammenarbeit wird einen signifikanten Beitrag dazu leisten, den Bedrohungen und Herausforderungen zu begegnen, auf die die internationale Gemeinschaft reagieren muss. Wir unterstreichen daher die Bedeutung der Einrichtung eines Rahmens für Beratung, Dialog und Zusammenarbeit, einschliess­lich eines je nach der Situation erforderlichen Austausches und Dialogs zu politischen und operationalen Fragen auf der Führungsebene sowie auf den Arbeits­ebenen. Auch versichern wir erneut unsere Bereitschaft, innerhalb unserer jeweiligen Mandate und Möglichkeiten regionalen und subregionalen Organisationen jeweils gewünschte und angemessene Unterstützung zu gewähren.

4.Wir gehen davon aus, dass dieser Rahmen flexibel gestaltet werden muss und sich mit der Zeit weiterentwickelt. Daher vereinbaren wir, die Zusammenarbeit zwischen unseren Organisationen im Hinblick auf Fragen von gemeinsamem Interesse weiterzuentwickeln, einschliesslich, aber nicht beschränkt auf Kommunikation, Teilen von Informationen, einschliesslich Fragen des Schutzes der Zivilbevölkerung, des Aufbaus von Kapazitäten, von Training und Übungen, Auswertung von Lernergebnissen, Planung und Unterstützung für Eventualitäten und operationale Koordination und Unterstützung.

5.Unsere Kooperation wird sich unter Berücksichtigung des spezifischen Mandates, der speziellen Erfahrung, Verfahrensweisen und Möglichkeiten unserer jeweiligen Organisation in praktischer Hinsicht weiterentwickeln, um einen Beitrag zur internationalen Koordination bei der Reaktion auf globale Herausforderungen zu leisten.

Vereinbart in New York am 23. September 2008.

Jaap de Hoop Scheffer,
Generalsekretär der Nato;
Ban Ki-Moon,
Generalsekretär der Vereinten Nationen

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