Samstag, 7. März 2009

Die schleichende Vertreibung


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Israelische Gewalt gegen Palästinenser nimmt zu

Zahlreiche in den letzten Wochen erschienene Medienberichte zeigen, daß israelische "Siedler" in der von Israel seit 1967 besetzten palästinensischen West Bank immer häufiger gewaltsam gegen die dort lebenden Palästinenser vorgehen.

Beispielsweise berichtete die israelische Menschenrechtsorganisation B'Tselem am 7. August, daß sie derzeit 12 Fälle von Angriffen israelischer "Siedler" auf Palästinenser untersuche. Diese ereigneten sich alle innerhalb weniger Tage zwischen dem 29. Juli und dem 4. August dieses Jahres. In fünf der Fälle wurden Steine geworfen, in zwei wurde Vieh gestohlen, in einem geschossen, in drei der Fälle kam es zu körperlicher Gewalt und in drei der Fälle wurde Eigentum von Palästinensern beschädigt – wobei es in mehreren der Fälle zu mehreren der genannten Verbrechen kam. In mindestens vier der Fälle waren Minderjährige betroffen.

So wurde in einem Fall nahe der "Siedlung" Yizhar die Windschutzscheibe der im 6. Monat schwangeren Falastin Ma'ali von einem großen Stein getroffen. Sie erlitt hierdurch eine Gehirnblutung und ihre sechs Jahre alte Tochter Hadil erlitt einen Schädelbruch und wird möglicherweise ihr Augenlicht verlieren. Ihre zwei Jahre alte Tochter, die sich ebenfalls in dem Fahrzeug befand, wurde von Glassplittern verletzt. Zeugenaussagen zufolge handelte es sich bei dem Angreifer um einen von drei Männern, die bei einem geparkten Auto mit israelischen Kennzeichen standen. Später wurde ein 16-jähriger Bewohner von Yizhar von der Polizei verhaftet, später aber wieder freigelassen. Ein nicht namentlich genannter Beamter wurde in Presseberichten mit den Worten zitiert, daß "das Werfen eines Ziegelsteins auf das Auto der palästinensischen Familie anscheinend nur eines in einer ganzen Reihe von Ereignissen ist, in denen rechte Aktivisten die palästinensische Bevölkerung angreifen." Statistiken der UN-Behörde für die Koordination humanitärer Angelegenheiten (UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs, OCHA) zeigen, daß die Zahl gemeldeter Fälle von Gewalt seitens israelischer "Siedler" gegenüber Palästinensern im Juli im Vergleich zum Vormonat um 46 Prozent gestiegen ist. Anfang August ist auch der B'Tselem-Mitarbeiter Issa Amro Ziel eines Angriffs geworden, als er seinerseits einen Angriff israelischer "Siedler" auf eine palästinensische Hochzeitsgesellschaft filmen wollte, woran er aber von israelischen Soldaten gehindert wurde. Hierbei wurde seine Kamera zerstört, während die israelischen Soldaten tatenlos blieben.



Einen Tag zuvor hatte die britische Times berichtet, daß eine Gruppe israelischer "Siedler" einen 14 Jahre alten palästinensischen Jungen von einem Dach gestoßen haben. Hamza Abu Khetar befand sich auf dem Dach eines vierstöckigen Hauses, das er mit Freunden renovierte, als eine Gruppe israelischer "Siedler" auf das Haus in der Altstadt von Hebron zu kam. Während seine Freunde rechtzeitig fliehen konnten, sah er nicht die auf ihn zukommende Gefahr. "Als ich sie schließlich sah, waren sie schon über mir", sagte der 14-Jährige. "Sie begannen mich zu treten und zu schlagen. Ich konnte mich nicht schützen, da waren etwa 25 von ihnen."

"Sie schoben mich über die Dachkante", so Hamza weiter. "Sie wollten mich töten." Da er auf ein vorgelagertes Dach fiel, brach er sich stattdessen einen Fuß. Als seine Familie ihn schließlich fand, hatte er starke Schmerzen. Trotzdem mußte ein palästinensischer Krankenwagen an einem israelischen Kontrollpunkt eineinhalb Stunden lang warten, weil in jenem Gebiet nur israelische Fahrzeuge zugelassen sind. "Sie betrachten uns als nichts anderes als Moskitos, nicht als Menschen, als würden wir gar nicht existieren", sagte Hamzas Vater Sufian.

B'Tselem zufolge wandten sich die "Siedler" nach dem Angriff auf Hamza einer palästinensischen Hochzeitsfeier zu, die in einem Haus gegenüber der "Siedlung" Jabara stattfand. Dort trafen sie sich mit mehreren Dutzend weiterer "Siedler" und begannen, Steine auf die Hochzeitsgäste zu werfen, wobei sie "Mohammed ist ein Schwein" sangen und zwei behinderte Kinder verspotteten, sagte der Vater des Bräutigams, Abd al-Karim al-Jabari. Als seine Tochter die Angreifer mit der ihr von B'Tselem für solche Fälle zur Verfügung gestellten Videokamera aufnehmen wollte, wurde sie von mehreren israelischen Frauen angegriffen. Als ihr Bruder ihr helfen wollte, wurde er von zwei israelischen Soldaten festgehalten und von einem "Siedler" mit einem Stein ins Gesicht geschlagen.

Sowohl die israelischen "Siedler" als auch das israelische Militär bestreitet die Darstellung der Palästinenser – was bei objektiver Betrachtung angesichts der zahllosen gleichlautenden Berichte allerdings wenig glaubwürdig erscheint.

Ebenfalls am 7. August berichtete die britische BBC, daß in Hebron sogar ein Fahrzeug mit britischen Diplomaten von israelischen "Siedlern" angegriffen worden ist. Die drei Diplomaten waren zuvor von einem Mitarbeiter der israelischen Menschenrechtsorganisation Breaking the Silence, einem ehemaligen israelischen Soldaten, in Hebron herumgeführt worden. Der Angriff ereignete sich in einem für Palästinenser gesperrten Bereich Hebrons. Zwar schritten israelische Polizisten in diesem Fall ein, so daß es zu keinerlei Verletzungen gekommen ist, offenbar ist es ihnen aber nicht gelungen, der Angreifer habhaft zu werden. Derzeit werde der Vorfall seitens der israelischen Polizei "untersucht", so eine Erklärung des britischen Konsulats. In Hebron leben inmitten der dort beheimateten etwa 120.000 Palästinenser etwa 500 israelische "Siedler", die von rund 1.200 israelischen Soldaten "geschützt" werden.

Bereits am 27. Juli veröffentlichte die Organisation International Solidarity Movement (ISM), die sich der Unterstützung der palästinensischen Bevölkerung verschrieben hat, einen Artikel, dem zufolge mehrere israelische "Siedler" am gleichen Tag eine Gruppe palästinensischer Kinder und ihre zwei Begleiter von der Organisation Christian Peacemaker Teams (CPT) mit Steinwürfen angegriffen haben. Nachdem es den Kindern im Alter zwischen 6 und 15 Jahren gelungen war, den Steinen unverletzt zu entkommen, wandten sich die "Siedler" gegen das CPT-Mitglied Joel Gulledge, der den Angriff mit einer Videokamera aufgezeichnet hatte. Nachdem sie ihn mit einem Stein getroffen hatten und er zu Boden gegangen war, liefen sie zu ihm und schlugen ihn mit einem Stein und seiner Kamera. Anschließend rannten sie mit seiner Kamera weg. In den Tagen vor diesem Angriff war es bereits mehrfach zu ähnlichen Angriffen auf die Kinder gekommen, das israelische Militär weigerte sich aber, ihnen auf ihrem Weg in das Ferienlager Schutz zu gewähren.



Am 21. Juli berichtete die israelische Haaretz, daß zwei selbstgebaute Raketen in der Nähe der palästinensischen Dörfer Odala und Awarta in der West Bank eingeschlagen sind. Anwohner sagten, diese seien von der nahegelegenen israelischen "Siedlung" Yitzhar aus auf sie abgefeuert worden. Zwar bezeichnete eine nicht näher benannte Quelle innerhalb der israelischen Sicherheitskräfte diese Darstellung als unzutreffend, ein Kameramann der Nachrichtenagentur Reuters hat allerdings selbst eine etwa 45 Zentimeter lange Rakete auf einem Acker brennen gesehen. Damit nicht genug war erst eine Woche zuvor Gilad Herman, ein in Yitzhar wohnender "Siedler" von der israelischen Polizei verhaftet worden, weil er verdächtigt wurde, an einem anderen Raketenangriff auf das palästinensische Dorf Burin im Juni beteiligt gewesen zu sein. Es ist also offensichtlich durchaus so, daß mittlerweile selbstgebaute Raketen auf Palästinenser abgefeuert werden.



Daß diese massiv anwachsende Gewalt ebenso wie das mindermotivierte Vorgehen der israelischen Behörden gegen sie kaum geeignet ist, die Beziehungen zwischen Israelis und Palästinensern zu verbessern, ist offensichtlich. Aber das ist ohne Zweifel auch nicht ihr Ziel. Vielmehr versuchen die "Siedler" hier offenbar, Palästinenser zu vertreiben, um so leichter weitere Flächen für "Siedlungen" annektieren zu können.

Quelle:www.freeace.de

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