Dienstag, 17. März 2009

Kriege um Wasser


Kriege um Wasser –

über Verknappung und Privatisierung
einer lebensnotwendigen Ressource


Autor: Jens Loewe

Wir Bürger der westlichen, der „zivilisierten“ Welt haben ein ungetrübtes Verhältnis zu Wasser, weil es uns ungetrübt, in hoher Qualität und durchgehend zur Verfügung steht. Noch. Wir müssen nicht an Durst leiden. In Entwicklungs- und Schwellenländern stellt sich die Situation anders dar: täglich sterben mehrere tausend Menschen an Wassermangel oder an Krankheiten, die durch Wasserverunreinigung verursacht sind.

Um es an Beispielen zu verdeutlichen:

In Manila, Hauptstadt der Philippinen mit 12 Mill. Einwohnern, brach im November 2003die Cholera aus - verursacht durch Kolibakterien, die über das Trinkwasser übertragen wurden. Verantwortlich für die Wasserversorgung in der Megametropole sind seit 1997 die beiden transnationalen Konzerne Suez (Frankreich) und Bechtel (USA).

Der Konzern Bechtel ist auch in einem anderen Zusammenhang in die Schlagzeilen geraten: nach seiner Übernahme der Wasserversorgung in Cochabamba / Bolivien und nach exorbitanter Wasserpreiserhöhung kam es in Cochabamba zu Protesten, Aufständen und Toten, nachdem die Regierung das Kriegsrecht verhängt hatte und auf die Protestierenden scharf geschossen wurde. Die Mitarbeiter von Bechtel „flüchteten“ und die Wasserprivatisierung musste rückgängig gemacht werden. Das war im Jahre 2000.

Weniger bekannt ist, dass derzeit noch eine Klage von Bechtel bei der WTO-Schiedsstelle (World Trade Organisation) anhängig ist, mit der Forderung auf 25 Mill. US-Dollar Schadensersatz wegen entgangenem Gewinn. Im Oktober 2003 wurde Präsident Sanchez de Lozada wegen dieser Vorgänge gestürzt.


Ähnliches ereignete sich in El Alto und La Paz, ebenfalls Bolivien. Seit 1997 hatte ein Konsortium, „Aguas del Illimani“, unter Führung des französischen Konzerns SUEZ die Wasserversorgung übernommen, die Wartung vernachlässigt und die Preise erhöht. Seit Ende 2004 protestierten dagegen Bürger und Nachbarschafts- Komitees, indem sie zu tausenden die Zufahrtsstraßen nach El Alto blockierten. Wegen der Massenproteste sah sich Präsident Carlos Mesa gezwungen, am 12. Januar 2005 den Vertrag mit dem Wassermulti zu lösen. Daraufhin gingen zehntausende von Bürgern auf die Straße, um ihren Triumph gebührend zu feiern. Nebenbei bemerkt: an dem gekündigten Wasserkonsortium war die Weltbanktochter IFC (International Finance Corporation) mit 8% beteiligt...

Aber zu den Hintergründen: die größten Wasservorkommen auf der Erde sind die Weltmeere und somit Salzwasser. Nur ca. 0,6 % sind für uns erreichbare Süßwasservorkommen. Süßwasser kann aus Oberflächenwasser bezogen werden, also aus Seen und Flüssen, aus Quellen oder aus Brunnen. (Meerwasserentsalzung ist in dieser Prozentangabe nicht enthalten.) Den geringen Süßwasservorkommen steht ein steigender Verbrauch durch Bevölkerungszunahme, industrielle Verwendung, landwirtschaftliche Nutzung, Verschwendung und Verschmutzung gegenüber.

Was für die einen zum Schicksal und Verhängnis wird, ist für die anderen eine Goldgrube, eine Ressource, die immer höhere Gewinne durch Verknappung verspricht: „Wasser wird im 21. Jahrhundert das werden, was das Öl im 20. Jahrhundert war“, so die Prognose des US-Wirtschaftsmagazins FORTUNE im Jahr 2000. Diese Aussage ist umso verständlicher, wenn man das Wesen des Wassers im Verhältnis zu allen Lebewesen bedenkt; Wasser ist durch nichts in der Welt zu ersetzen und eine absolut zwingende Lebensgrundlage für Pflanzen, Tiere und Menschen. Deshalb sind wir, um zu (über)leben, zwingend auf Wasser angewiesen und in letzter Konsequenz bereit, jeden Preis zu bezahlen. Oder mit anderen Worten: wir sind erpressbar. Dieser Umstand blieb den Börsianern nicht verborgen und führte zu der nachdrücklichen Empfehlung der Analysten, in Konzerne zu investieren, die mit Wasserversorgung befasst sind. Die Gewinne der „Water Grabber“ (Wasser-Grabscher) bewegen sich in Milliardenhöhe, Tendenz steigend.

Unterstützt werden die Aktivitäten der Konzerne im Wassermarkt von verschiedenen Institutionen und Organisationen:

Weltbank und IWF (internationaler Währungsfond) betreiben schon seit den achtziger Jahren mit ihren „Strukturanpassungsprogrammen“ (SAP, structural adjustment programme) Wasserprivatisierungspolitik, indem sie z.B. die Vergabe von Krediten an die Bereitschaft des Empfängerlandes koppeln, die Wasserversorgung zu privatisieren.

Die 1995 mit der Gründung der WTO in Kraft getretenen GATS Abkommen (General Agreement on Trade in Services / Handel mit Dienstleistungen) zielen auf die Privatisierung fast aller Dienstleistungen in den 147 Mitgliedsländern ab und dabei besonders auf den Sektor der Daseinsvorsorge (Public Services) und der Wasserversorgung.

Die Europäische Union (EU) verschärft die Lage erheblich, indem sie in den laufenden GATS-Verhandlungen (offers and requests) von 72 Ländern die Marktöffnung für Wasserprivatisierung fordert (requests).
Die größten Wasserkonzerne haben ihren Sitz in Europa:

Suez Lyonnaise; Véolia; Danone; SAUR in Frankreich
RWE / Thames Water / American Water Works; Aqua Mundo; Berlinwasser; Gelsenwasser; in Deutschland
Biwater; Severn Trend und United Utilities in Großbritannien und
Nestle in der Schweiz

Dazu kommen noch zwei Schwergewichte aus den USA: Bechtel und Coca Cola.
Aber auch innerhalb der EU droht den Kommunen die „Enteignung“ ihrer Wasserversorgung. Über verschiedene Strategien - EU Verfassung, Grünbuch, Weißbuch und Binnenmarktrichtlinien - versuchen Kommission und Ministerrat die Privatisierung der „Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ (was immer auch damit gemeint sein mag ...) zu erzwingen. Über 10.000 in Brüssel akkreditierte Lobbyisten und „pressure groups“ aus der Wirtschaft sind täglich fleißig bei der Arbeit, haben die Politik fest im Würgegriff und sind in zahlreichen so genannten „Runden Tischen“ organisiert. Um nur einige dieser „think tanks“ zu nennen: ERT (European Round Table on Industrialists), TABD (Trans Atlantic Business Dialogue), ESF (European Service Forum) sowie viele andere.

Hinzu kommt, dass im Laufe der letzten Jahrzehnte durch Unterzeichnung diverser EU-Verträge die Souveränität der Mitgliedsstaaten soweit ausgehebelt wurde, dass ein Mitentscheiden „von unten“ kaum noch möglich ist. Oder mit anderen Worten: der demokratische Prozess, bei dem die Stimme des Souveräns, des Bürgers, in einem vermittelbaren Zusammenhang zu einer Entscheidung steht, wurde abgeschafft.

EU-Recht bricht das Recht der Mitgliedsstaaten. Die Entscheidungsgewalt auf EU-Ebene liegt bei der Kommission und dem Ministerrat. Das Ziel der so genannten Lissabonstrategie ist es, die EU „zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt“ umzubauen. Die dazu notwendige Grundlage liefert die europäische Verfassung, die in erschreckender Weise wirtschaftliche Interessen vertritt, sowie eine Aufrüstungsverpflichtung und mögliche weltweite militärische Einsätze unter EU-Oberbefehl festschreibt.

Am 29.Oktober 2004 wurde diese Verfassung von den Regierungschefs voller Stolz unterzeichnet, die Ratifizierung durch die Mitgliedsländer soll folgen. Deutschland spielt eine führende Rolle bei der Umsetzung dieser Ziele. Aber nicht nur dies.

Deutschland nimmt, neben Frankreich und Großbritannien, den Pionieren der Wasserprivatisierung, eine Sonderrolle ein insofern, als dass die deutschen Ministerien BMZ (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) sowie das BMWA (Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit) mitunter die aggressivsten Architekten der Wasserprivatisierung auf EU-, aber auch auf der WTO-Ebene sind: mehrere hundert Millionen Euro werden über „Entwicklungshilfe-Töpfe“ investiert, um deutschen Konzernen den Einstieg in die Wasserversorgung in der Dritten Welt und auch in EU Ländern zu erleichtern. Das BMZ bietet den Konzernen geradezu einen „Zauberkasten“ an Hilfen an: Kredite, „Versicherungsfazilitäten“, Hermesbürgschaften, Auslandsbüros als Stützpunkte, die deutschen Botschaften als Anlaufstellen, Gewinnabsicherungen und Tipps, wie man das Vertrauen der Entscheider im Ausland gewinnen kann. Unter dem Deckmantel der „Hilfe“ soll eine „schlagkräftige deutsche Wasserwirtschaft“ (Dr. Uschi Eid, Staatssekretärin im BMZ) aufgestellt werden, die den beiden weltweit größten Wasserkonzernen (Suez und Véolia, Frankreich) Paroli bietet, oder diese sogar überrundet. Bekannte Organisationen wie: GTZ (Deutsche Gesellschaft für technische Zusammenarbeit), KFW (Kreditanstalt für Wiederaufbau), DEG (Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft mbH), Europäische Zentralbank und andere leisten dabei loyale Hilfe.

Diese moderne Art der Kolonialisierung wird verständlicher, wenn man bedenkt, in welch katastrophaler Lage sich Deutschland in ökonomischer Hinsicht befindet. Die Zinsen können bei einer Staatsverschuldung von über 1.300 Milliarden Euro kaum noch bedient werden, die Arbeitslosenzahlen werden zwingend weiter steigen und nur noch zügelloses Wachstum oder ein Krieg könnten einen wirtschaftlichen Kollaps abwenden. Deutschland hat ein sehr hohes Preisniveau und verfängt sich möglicherweise selbst in genau den neoliberalen Fußangeln, die es selber mit ausgelegt hat. Der Kampf um die Standorte ist bereits voll entbrannt. Dies alles erklärt, warum ein so großes Interesse an der Vermarktung der Daseinsvorsorge, den bisher öffentlich erbrachten Dienstleistungen und nicht zuletzt an der Wasserversorgung besteht.

Besonders feinsinnig sind auch die Strategien, mit denen die Seilschaften aus Politik und Wirtschaft in den Bereich der Zivilgesellschaft vorstoßen, um für die wirtschaftlichen Expansionspläne breite Akzeptanz und vor allem ein vertrauenswürdiges Klima herzustellen. Eine der jüngsten Aktionen ist der „Multi Stakeholder Review“, eine weltweite „Studie“, die klären soll, ob und wo Wasserprivatisierung „sinnvoll“ ist. Gleich scharenweise werden NGOs (Nicht-Regierungs-Organisationen) mit eingebunden. Das Tagesgeschäft liegt bei der „Hilfsorganisation“ WATER AID (Großbritannien) und wesentliche Finanziers sind die deutsche GTZ sowie RWE / Thames Water, der weltweit drittgrößte Wasserkonzern.

Der Slogan „Water is a human right“ wird in dieser Kampagne mit dem „Milleniumsziel 2015“ verknüpft, bei dem bis 2015 die Anzahl derer halbiert werden soll, die keinen Zugang zu Trinkwasser haben (UN Umweltkonferenz 2000). Zur Erreichung dieses Ziels wird von Weltbank, BMZ und Konzernen eine Summe genannt, 180 Milliarden US-Dollar jährlich, die nötig sei, um dieses Ziel zu erreichen. Da die öffentlichen Hände nicht (mehr) in der Lage seien, dieses Geld aufzubringen, müsse man nun auf die Investitionsbereitschaft der Konzerne setzen.

Das würde aber die Konsequenz nach sich ziehen, dass verbunden mit dieser „Hilfe“ die Verfügungsgewalt über das Wasser auf die Konzerne übergeht - und diese Millionen-Profite erwirtschaften würden, durch Ausnutzung der Zwangslage derer, die das Wasser zum Leben benötigen.

Nebenbei: In unserem Rechtsystem würde man das Erwirtschaften von Gewinn unter Ausnutzung einer unumgänglichen Notlage von Menschen als sittenwidrig qualifizieren.

Es gibt aber noch weitere Gesichtspunkte, die im Zusammenhang mit einer sich verschärfenden Wassersituation zu erwähnen sind:

Bislang wurde der kommunalen Wasserversorgung immer eine hohe Bedeutung beigemessen, weil die Wasserversorgung gewissermaßen die Lebensader der Bewohner darstellt und durch sie gestaltbar sein muss. Man spricht hier auch von einem natürlichen Monopol. Wenn nun dieses Monopol durch ein privates ersetzt wird, so ist nicht mehr das Wohlergehen der Gemeinde das oberste Ziel, sondern die Profitmaximierung der Konzerne, die die Wasserversorgung übernommen haben! Also zwei Zielsetzungen, die sich unvereinbar gegenüberstehen müssen. Die bis jetzt gemachten Erfahrungen mit der Wasserversorgung durch die Konzerne zeichnen ein klares Bild: die Wasserpreise steigen, die Erhaltungsinvestitionen für die Pflege des Leitungsnetzes werden abgesenkt, und die Wasserqualität sinkt. Es treten soziale Spannungen auf, bis hin zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Wie z.B. in Cochabamba / Bolivien.

Die Vernachlässigung der Rohrleitungsnetze bringt aber auch Umweltprobleme mit sich: in Großbritannien zum Beispiel sind Wasserverluste von bis zu 50 % durch Leckagen zu verzeichnen. Damit erhöht sich der absolute Wasserverbrauch drastisch, ohne dass der Verbraucher daraus einen Nutzen ziehen könnte und dies bei einem knapper werdenden, lebensnotwendigen Gut. Hinzu kommt, dass durch die Leckagen die Verunreinigung des Wassers zunimmt. In der Kosten-Nutzen Rechnung eines Konzerns schlägt der Wasserverlust weniger zu Buche als die Beträge, die in eine sorgfältige Reparatur investiert werden müssten. Immer wieder musste letztlich die öffentliche Hand die Sanierung der Wassersysteme bezahlen, nachdem ein Konzern seinen Instandhaltungsverpflichtungen nicht nachgekommen war.


Ein anderer Gedanke: bei Wasserknappheit versucht eine Gemeinschaft, Wasser zu sparen. Der Wasserkonzern hat das gegenteilige Interesse, nämlich über einen möglichst hohen Wasserverbrauch mehr Gewinn zu erzielen!


Ökonomisch gesehen entsteht kein Vorteil für die Bürgerschaft, weil sie bei jeder Rechtskonstruktion, wie PPP (public private partnership) oder Vollprivatisierung, immer den Profit für den Konzern mitbezahlen muss; entweder direkt, über die Gebührenabrechnung, oder aber indirekt, über Steuern, bzw. über öffentliche Mittel. Würde also die Gemeinde die genau gleiche Leistung in Eigenverantwortung erbringen, so würde sich der Wasserpreis um die Gewinnmarge senken, die der Konzern einstreicht. Mit anderen Worten: es gibt keinen Konzern, der aus humanitären Gründen eine Wasserversorgung aufbaut. Vielmehr engagiert er sich, um einen satten Gewinn zu machen. Eine Gewinnmarge also, die der Verbraucher zusätzlich zu den tatsächlichen Kosten bezahlen muss. Im Gegensatz dazu kann eine öffentliche Wasserversorgung nach dem Kostendeckungsprinzip arbeiten, oder sogar mit ihren Überschüssen noch andere Einrichtungen einer Kommune unterstützen (Quersubventionierung). Wegen der desolaten Finanzsituation der Kommunen ist diese Überlegung wichtig.


Selbst die größten Wasserkonzerne haben nicht die Eigenmittel, um für ihre umfangreichen „Wasser-Einkaufstouren“ gerüstet zu sein. So hat RWE zig Milliarden Euro Darlehen bei Banken aufnehmen müssen, um zunächst Thames Water (Großbritannien) und danach American Water Works (USA) aufkaufen zu können, mit der Folge, dass der Einfluss auch der finanzierenden Banken auf die Wasserversorgung zunimmt.


Konzerne haben aber auch gemeinsame Interessenslagen wie z.B. die, dass sie einen echten Wettbewerb im Wassergeschäft, ein „race to the bottom“ (Preiskampf) vermeiden wollen und deshalb Oligopole bilden. Mit solchen Absprachen können maximale Profite erzielt werden, übrigens nicht nur im Wassersektor. Ein echter Wettbewerb wird zwar dauernd als für die Bürger vorteilhaft angepriesen, nur findet er in der Realität nicht statt. Ein Wettbewerb bei der Wasserversorgung ist ohnehin abwegig, schon aus hygienischen Gründen. Ein echter Wettbewerb bei der Stromversorgung, der möglicherweise sinnvoll ist, kann aber gerade nur dann entstehen, wenn die Kommunen nicht privatisieren, sondern ihre Infrastruktur behalten und sich damit für faire Durchleitungsentgelte einsetzen können. Das bedeutet, dass sich noch nicht einmal das Kernargument der Neoliberalen, nämlich der Wettbewerb, durch Privatisierung bei der Daseinsvorsorge stützen lässt.


Die Behauptung von Weltbank und Konzernen, durch Wasserprivatisierung könne die Wasserversorgung der Ärmsten in ländlichen Gegenden sichergestellt werden, findet in der Realität keine Bestätigung. Vielmehr betätigen sich die Konzerne besonders gerne in Megametropolen, in denen eine verwertbare Infrastruktur bereits vorhanden und eine zahlungsfähige Kundschaft zu erwarten ist. In ländlichen Gegenden hingegen bleiben die Bewohner weiter ohne Wasser, weil sich der Anschluss für die Konzerne nicht lohnt. Aber selbst in den Großstädten kann das Wasser versiegen: der Wasserhahn ist da, der Verbraucher kann aber wegen überhöhter Preise nicht mehr bezahlen. Wegen Nichtzahlung der Rechnung wurde zum Beispiel tausenden von Haushalten in Großbritannien der „Wasserhahn“ zugedreht.


Besonders kritisch ist - neben Wasserpreis und Qualität - auch der Verlust an demokratischem Einfluss und Selbstbestimmung einer Gemeinde durch eine Privatisierung des Wassers. Die neoliberalen Verfechter verweisen zwar auf die Möglichkeit, per Gesetz und Vorschriften den privaten Konzern „in Schach zu halten“, die Erfahrungen sprechen aber eine andere Sprache. So wurde z.B. RWE/Thames Water in Großbritannien über zwanzig Mal zu hohen Geldstrafen verurteilt, was aber nicht zu einer nennenswerten Verhaltensänderung des Konzerns geführt hat. Daraus folgt, dass eine von einem Gericht verhängte Geldstrafe für einen großen Konzern kein wirkliches Problem darstellt.


In vielen Fällen wurde deutlich, dass Wasserprivatisierung mit Korruption einhergeht. Wenn einmal die Wasserversorgung an Private übergegangen ist, ist für die „Vetternwirtschaft“ Tür und Tor geöffnet. Die Bürgerschaft kann kaum noch nachvollziehen, welche finanziellen Transaktionen zu wessen Vor- oder Nachteil durchgeführt wurden.

So hat z.B. RWE/Thames Water 1997 den Zuschlag für die Wasserversorgung in Jakarta / Indonesien dadurch bekommen, dass Familienmitglieder des Diktators Suharto mit erheblichen Anteilen an der neuen Wasserversorgungsgesellschaft Pam Jaya ausgestattet wurden. Oder: die Wasserprivatisierung von Grenoble kam zustande aufgrund einer Bestechung des Bürgermeisters in Millionenhöhe. Der Vertrag wurde nach Bekannt werden der Affäre rückabgewickelt.

In Deutschland ist, vergleichend betrachtet, eher die „weiße Korruption“ verbreitet. Bei dieser Form der Vorteilsgewährung, also dem Gefügigmachen der politischen Entscheider durch - leider legale - Zuwendungen gibt es verschiedene Modelle: gut bezahlte Aufsichtsratsmandate, „Beraterverträge“, oder schlicht Ämterpatronage, bei der z.B. der politische Entscheider oder jemand aus dem Freundeskreis später einen lukrativen Posten in dem privatisierten Unternehmen erhält.


Traditionell sind Verträge mit Wasserkonzernen geheim, wodurch bereits grundsätzlich der kontrollierende Einfluss der Bürgerschaft unterbunden und die demokratische Teilhabe unterlaufen wird. Man könnte auch sagen: die politischen Entscheider begehen Interessensverrat, weil sie ihrem Auftraggeber, dem Bürger, Fakten vorenthalten, zugunsten von Unternehmens-Interessen. Diese Art von Interessensverrat wird immer häufiger stillschweigend hingenommen.


Besonders deutlich wird derzeit das Bangen um rechtliche Auseinandersetzungen am Beispiel der CBL-Geschäfte (Cross Border Leasing, auch service contract oder lease in lease out genannt): in Hunderten von Fällen wurden in den letzten Jahren Scheingeschäfte abgeschlossen zwischen einem US-Investor und Kommunen in EU-Staaten, bei denen ein Investor Infrastruktur für 99 Jahre „mietet“ (z.B. die Abwasserentsorgung einer Stadt, die Trinkwasserversorgung oder die Straßenbahnen) und an die Kommunen wieder „zurückver¬mietet“. Über die vorgetäuschte Auslandsinvestition ergeben sich Steuerersparnisse in Milliardenhöhe. Der Steuerausfall in den USA wird auf ca. 10 Milliarden US-Dollar pro Jahr geschätzt. Die „Beute“ wird unter den Akteuren verteilt. Die Verträge unterliegen strenger Geheimhaltung. Seit Oktober 2004 ist nun klar - nachdem sich Senat und Repräsentantenhaus auf einen Gesetzesentwurf geeinigt haben -, dass CBL Geschäfte verboten sind. Die Behandlung bereits bestehender CBL Verträge ist noch nicht umfassend geklärt. Auch beginnt nun das große Bangen in den Kommunen, weil befürchtet wird, dass der US-Investor versuchen könnte, sich durch den Nachweis von Vertragsverletzungen bei bereits abgeschlossenen Verträgen schadlos zu halten.


Ein weiteres Problem besteht darin - um bei den rechtlichen Fragen zu bleiben - dass in mehreren Fällen ein privater Betreiber in Konkurs ging oder „geschluckt“ wurde, und damit auf einmal die Anteile an einer Wasserversorgung in aller Welt verstreut sind. Mögliche Ansprüche oder Forderungen gegenüber den neuen Eigentümern sind fast nicht durchsetzbar. An dieser Überlegung zeigt sich, dass eine Kommune kaum in der Lage wäre, einen längeren Rechtsstreit gegen einen „Global Player“ durchzustehen, weil sie nicht für die Dauer eines Rechtsstreits auf die Wasserversorgung verzichten kann. Die Konsequenz: eine Kommune macht sich durch den Verkauf ihrer Wasserversorgung erpressbar.


Wasserversorgung findet nicht immer über Hausanschlüsse statt. In besonders armen Gegenden werden auch Water-meter, oder pre-paid Systeme installiert, bei denen ein Wasserhahn im Dorf steht und die Bewohner mit einer vorher bezahlten Kreditkarte Wasser aus dem Wasserhahn entnehmen können. Oft haben die Nutzer nicht das nötige Geld und versuchen, die Leitung anzubohren. Wenn der Wasserkonzern dies bemerkt, setzt er polizeiliche Maßnahmen ein oder stellt ganz einfach die Wasserleitung für das entsprechende Dorf ab, sodass die Bedürftigen sich nur noch über längere Wege das Wasser in Kanistern besorgen können.


Immer populärer wird das Abfüllen von Wasser in Flaschen, weil für die Konzerne klar ist, dass sich ihr Profit nochmals um viele hundert Prozent steigern lässt. Die Konzerne suchen sich dazu entsprechende Orte auf dem Globus, an denen sie (meist über Brunnenbohrungen / tube wells) an das Grundwasser kommen und über eigene Fabriken das Wasser abfüllen und teuer verkaufen.

So hat z.B. Danone im Jahr 2002 eine solche Wasser-Flaschen-Abfüll-Fabrik in der Nähe von Solo / Indonesien errichtet. Die Lastwagen mit den Wasserflaschen verlassen dort fast im 5-Minuten-Takt das Gelände. Besonders umstritten ist derzeit die Wasserflaschenabfüllung von Coca Cola in Kerala / Plachimida / Indien, wo den in extremer Armut lebenden Indern der Zugang zu ihrem vormals „eigenen Wasser“ verwehrt wird. Hinzu kommt, dass durch die immer tiefer gebohrten Brunnen (teils mehrere hundert Meter) der Grundwasserspiegel immer weiter absinkt. Die Folge: die Landwirtschaft im Umfeld bricht zusammen, weil die kleineren Brunnen und Wasserstellen versiegen. Hunderte solcher Tiefbrunnen wurden auch im Rahmen der „Entwicklungshilfe“ gebohrt, auch finanziert von der Weltbank, mit dem Ergebnis, dass tausende Quadratkilometer ehemals fruchtbaren Landes verödeten (Desertifikation).


Sicherlich ist auch eine Überlegung in diesem Zusammenhang nicht ganz unberechtigt: Es könnte durchaus der Interessenslage eines Wasserkonzerns entsprechen, wenn das Leitungswasser (Tap Water) nicht allzu gute Qualität aufweist, weil dadurch der Umsatz mit dem zwangsläufig erhöht werden kann.


Es gibt aber trotz des sehr ernsten Themas auch manchmal Anekdoten zum Schmunzeln: Coca Cola, weltweit größter Getränkehersteller, wollte im März 2004 den britischen Markt mit einem neuen Mineralwasser namens DASANI aufmischen („höchste Qualität“). Die Markteinführung kostete über 10 Mill. Euro und die Dollarzeichen klingelten in den Augen der Coca-Colaner, als sich herausstellte, dass das „Mineralwasser“ lediglich aus einem Wasserhahn im Vorort Sidcup kam. Preis pro Liter als DASANI „Mineralwasser“: € 2,80. Das gleiche Wasser als Leitungswasser: 0,076 Cent.


Um an die Wasserressourcen heranzukommen, hat bereits auch der Kampf um die Oberflächengewässer begonnen: in Indien wurde ein Teil des Flusses Shenoath verkauft. Die Bevölkerung, die seit Generationen gewohnt war, am Fluss Wasser zu holen und Wäsche zu waschen, wurde mit Polizeigewalt vertrieben, und nach härteren Auseinandersetzungen musste zumindest diese Privatisierung wieder rückgängig gemacht werden. Derzeit laufen Vertragsverhandlungen mit Suez über den Verkauf eines Teils des Ganges, dem heiligen Fluss, der für die Inder zudem eine rituelle Bedeutung hat. Im Visier sind ebenfalls Flüsse im Amazonasgebiet in Südamerika, dem größten zusammenhängenden Süßwasservorkommen weltweit.

George Bush plant derzeit, Wasser aus Kanadischen Flüssen mit der Energie von neuen Kernkraftwerken in die USA zu pumpen, weil in den USA das Wasser knapp wird. Er zählt das Wasser in Kanada zu den strategischen Ressourcen der USA.


Nicht direkt im Zusammenhang mit Leitungswasser, doch aber im Zusammenhang mit der Frage nach der künftigen (un)gerechten Verteilung von Wasser steht der Kampf gegen Groß-Staudämme. Neben einer kaum beschreibbaren Umweltzerstörung und Überflutung von hunderten von Dörfern, kann mit Stau-dämmen auch Wasser „reguliert“ werden. So ist derzeit der Großstaudamm „Ilisu“ in der Türkei in Planung, in der Nähe der syrischen Grenze, verbunden mit der potentiellen Gefahr, dass die Türkei dem Nachbarland Syrien - und folglich auch dem Irak - das Wasser „abdrehen“ kann. Alle drei Länder leben von Euphrat und Tigris und nach internationalem Recht besteht deshalb Konsultationspflicht.

Die faktische Machtausübung ist aber stärker als der Wille zur Verständigung. Syrien ist bereits jetzt schon in der Situation, bis zu 500 Meter tief bohren zu müssen, um an Wasser zu kommen, vom Irak einmal ganz abgesehen. International betrachtet ist es schon längst an der Tagesordnung in der Wasserfrage nötigenfalls auch gewaltsam Interessen durchzusetzen. Es gibt derzeit in der Welt mehr als 40.000 Staudämme mit einer Staumauerhöhe von über 15 Metern. Weitere Projekte sind in Planung. Die zerstörerischen Auswirkungen auf Natur und Umwelt haben die Politiker noch nicht zu einem Umdenken bewegen können.
Fazit: Die Wasserversorgung ist als so sensibel anzusehen, dass sie in keiner Weise in spekulative oder Profitorientierte Geschäfte verwickelt werden darf, weil die möglichen Risiken nicht hinnehmbar sind.

Mögliche Lösungsansätze und Alternativen in der Wasserfrage:

Das erste und wichtigste Ziel sollte die Information und Aufklärung über Wasser-fragen sein, auf jeder Ebene, in Schulen, Universitäten, durch Veranstaltungen, Vorträge und Seminare.


Jede Art von Verkauf der Wasserversorgungssysteme, Wasserressourcen, Quellen, Flüsse, Seen und Bohrrechten an private Konzerne sollte gestoppt werden, weil Konzerne grundsätzlich eine andere Zielsetzung haben, die der notwendigen Selbstbestimmung der Nutzer entgegensteht.


Da, wo Ressourcen oder Versorgungseinrichtungen bereits privatisiert wurden, sollten diese rekommunalisiert werden. Je weiter die Verschachtelung und Diversifizierung der Konzerne voranschreitet, desto schwieriger wird eine spätere Rückabwicklung.


Cross-Border-Leasing und ähnliche Verträge sollten nicht abgeschlossen, und da, wo bereits gültig vereinbart, möglichst bald rückabgewickelt werden. Wegen der neuen Gesetzeslage in den USA stehen die Chancen gut, dass der Investor zu einer Rückabwicklung bereit ist. CBL Geschäfte und Scheingeschäfte generell, zur Steuerumgehung, sind nicht die Lösung der Finanzkrise von Kommunen und Staaten, sondern wesentliche Ursache derselben. Oder im Volksmund gesprochen: „was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem Anderen zu“ ein ethischer Grundsatz aus den Zeiten des Konfuzius, der aber hochaktuell geblieben ist.


Bezüglich der WTO, bzw. der GATS Abkommen gibt es eine „kleine Lösung“: die Herausnahme der Wasserver- und Entsorgung, sowie jegliche Nutzung von Wasser aus Seen, Flüssen, Brunnen und Quellen aus den GATS Verhandlungen. Dieser Schritt wäre besser als nichts. Das Problem: die WTO ist so konstituiert, dass sie bei nächster Gelegenheit wieder zugreifen und auf anderem Wege versuchen wird, ihr Ziel einer Wasserliberalisierung zu erreichen. Die Länder der dritten Welt haben nicht den Hauch einer Chance, wirklich in „Augenhöhe“ innerhalb der WTO ihre Interessen durchzusetzen. Die WTO ist ein nicht reformierbares und von der Grundkonzeption fehlgeschlagenes Unternehmen, weil sie Wirtschaftsinteressen der stärkeren Länder durchsetzt, zum Nachteil der schwächeren Länder.

Große Lösung: Als sicheren Weg in der Wasserfrage gibt es nur die Option, die WTO als nicht reformierbar zu betrachten und sie zu verlassen. Die Gründe sind weitreichend: Eingegangene Verpflichtungen eines Mitgliedstaates sind kaum umkehrbar, was im Falle der Wasserversorgung nicht hinnehmbar ist. Zum anderen hat die WTO eine schwere Schlagseite, indem sie besonders die Interessen der mächtigsten Länder vertritt (Europa, USA, Japan, Kanada). Deshalb sollte die Stellung der WTO als „Welt-Obergesetzgeber“ – und Schiedsstelle in Personalunion – weder akzeptiert noch gestärkt oder ausgeweitet werden. Gerechtigkeit in der Wasserfrage kann nur einkehren, wenn die Menschenrechte, die soziale Frage und der Umweltschutz vorrangig vor Wirtschaftsinteressen vereinbart, verankert und durchgesetzt werden. Das erscheint derzeit am ehesten über die (dringend reformbedürftige) UNO möglich. Oder über eine neu zu gründende Organisation, die von ihren demokratischen Qualitäten der UNO überlegen sein müsste.

Auch Weltbank und IWF (Internationaler Währungsfonds / IMF, International Monetary Fund) sind ähnlich kritisch zu sehen und völlig ungeeignet, um in der Wasserfrage hilfreich wirken zu können. Um nur ein Argument zu nennen: die Stimmgewalt verhält sich proportional zu den Einlagen der Mitgliedsstaaten, sodaß wieder einmal die Mächtigen das Sagen haben und ihre Interessen durchsetzen. Mit Ungerechtigkeit kann keine Gerechtigkeit hergestellt werden, ebenso wenig wie im Irak durch Bomben Frieden herbeigebombt werden kann.


Auf der EU-Ebene sieht es ähnlich aus: mit der Unterzeichnung der diversen Verträge in den letzten Jahrzehnten wurde ein Gebilde mit totalitären Tendenzen geschaffen, eine Art Supranationalstaat, dessen Gesetzgebung die Selbstbestimmung der Mitgliedsstaaten bricht und damit deren Souveränität unterläuft. Das Ziel einer gerechteren Welt ist aber nur durch eine Weiterentwicklung der Demokratie zu erreichen, hin zu mehr Partizipation und Selbstbestimmung. Wirkliche Demokratie muss auf dem Prinzip der kleinsten Einheit aufbauen, also auf dem Prinzip der höchstmöglichen Selbstbestimmung auf der untersten - der kommunalen Ebene. Man könnte auch sagen, eine Art Subsistenzprinzip, also das Regeln möglichst all dessen, was auf lokaler Ebene geregelt werden kann. Also dort, wo der direkte Bezug zwischen der Daseinsvorsorge und den direkt Betroffenen, den Bürgern einer Stadt besteht. Die Architektur der EU ist so ziemlich das genaue Gegenteil: ein Mega-Staat, in dem die Mitgliedsstaaten aufgelöst- und wirtschaftliche Interessen von Konzernen verfassungsmäßig verankert und durchgesetzt werden sollen. Der hohe Liberalisierungsdruck der EU lässt nur den Schluss zu, dass alles denkbare unternommen wird, um so ziemlich alle Dienstleistungen und speziell die Wasserversorgung zu liberalisieren.


Kleine Lösung: die Herauslösung der Wasserversorgung aus allen Liberalisierungs-, Binnenmarkt- und Dienstleistungsrichtlinien. Allerdings verbunden mit dem Risiko, dass schon allein durch unklare Formulierungen („Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse...“) jederzeit mit einem erneuten Liberalisierungsvorstoß auf EU-Ebene zu rechnen ist.


Große Lösung: Austritt aus der EU, bzw. mindestens der Austritt aus allen EU-Verträgen, die die Selbstbestimmung im Hinblick auf die Daseinsvorsorge tatsächlich oder potentiell einschränken. Als Argument lässt sich anführen, dass bei vielen Formulierungen in der EU-Verfassung davon ausgegangen werden muss, dass die Durchsetzung von Wirtschaftsinteressen notfalls auch gewaltsam erfolgen soll, während friedliche Koexistenz, Gewaltfreiheit, Menschenrechte und soziale Belange eher nachrangig gewichtet sind. So verlangt die EU-Verfassung von den Mitgliedsstaaten zwingend die Teilnahme an weltweiten Militäreinsätzen, z.B. „zur Krisenbewältigung“ unter dem Oberkommando eines EU-Außenministers. Ein solches Konstrukt ist nicht hinnehmbar, weil die Sorge begründet ist, dass es in der Wasserfrage zu gewaltsamen Auseinandersetzungen kommen kann.

Natürlich lässt sich nun entgegnen, dass eine „große Lösung“, wie hier vorgeschlagen, unrealistisch ist, dass man solch „dicke Bretter nicht bohren kann“, dass man aus Bündnissen wie WTO oder EU nicht aussteigen kann. Dagegen lässt sich sagen, dass alle diese Bündnisse politisch entschieden wurden und ebenso politisch wieder aufgelöst werden können, wenn wir es nur wollen. Aus der Geschichte könnten wir lernen, dass es manchmal gut ist, eine Fehlentwicklung dann zu korrigieren, wenn sie noch korrigierbar ist.
Zu bedenken ist immerhin:

wenn auf der lokalen Ebene die Demokratie abgebaut wird, so wie es derzeit durch die EU geschieht, kann auf den darüber liegenden Ebenen (Land, Bund, EU, International) niemals ein gerechter Interessensausgleich stattfinden. Wenn die Daseinsvorsorge an Konzerne übergeht, erzwungen durch EU-Richtlinien, ist der Schritt zur Zerstörung lokaler Demokratie weitgehend getan. Ohne Demokratie / Selbstbestimmung auf der untersten, der lokalen Ebene geht es nicht! Wenn die Wasserversorgung in den Händen von anonymen Aktiengesellschaften ist, wird es früher oder später zu harten Auseinandersetzungen kommen. In diesem Sinne sollte das Subsidiaritätsprinzip erhalten und gefördert werden.

In einer Demokratie müssen ganz grundsätzlich die sozialen und ökologischen Ziel- und Rahmensetzungen durch den Bürger, den Souverän, erfolgen bzw. über die vom Souverän demokratisch legitimierten Organe. Innerhalb dieses Rahmens kann sich die Wirtschaft betätigen. Die derzeitige Entwicklung zeigt in die entgegengesetzte Richtung: die Wirtschaft diktiert ihre Vorstellungen der Politik in die Feder. Die Machtausstattung der WTO bricht EU-Recht, EU-Recht bricht nationales Recht. Das ist ein Webfehler. Die Verantwortung für diese Fehlentwicklung liegt nicht bei den Konzernen und auch nicht bei den Politikern. Sie liegt bei uns Bürgern, weil wir als Souverän der „oberste Dienstherr“ sind, vieles nicht bemerkt, einiges nicht verstanden und uns letztlich zu wenig um die Dinge gekümmert haben. Je mehr die demokratische Selbstbestimmung zerstört wird, umso schwerer wird es sein, die Fehlentwicklungen zu korrigieren. Wer sonst, wenn nicht der Souverän selbst, sollte sich für echte Demokratie einsetzen sollen?
Unabhängig von WTO, GATS, EU und Wasserkonzernen bestehen diverse Wasserversorgungsprobleme, welche es zu lösen gilt. Mögliche Schritte dazu sind:

Information

Einüben eines sparsamen Umgangs mit Wasser

jegliche Art von Wasserverschmutzung vermeiden, jegliche radioaktive Verseuchung radikal und zum frühest möglichen Zeitpunkt vermeiden

Regenwassernutzung (Rainwater Harvest)

bei Neubauten Doppelrohranschlüsse legen und bei Altbauten nachrüsten, mit dem Ziel, Trinkwasser und Brauchwasser parallel je nach Verwendungszweck zu nutzen, um Trinkwasserverschwendung zu vermeiden

Grundwasser nur in dem Maße entnehmen, wie es nachfließt (die Regenerationszyklen belaufen sich teils auf mehrere hundert Jahre)

möglichst viele verschiedene zur Verfügung stehende Wasserressourcen verwenden und nicht nur eine, die möglicherweise am leichtesten zu erreichen ist

die Wasserversorgung möglichst dezentralisieren und nicht auf Großanlagen setzen

in der Landwirtschaft Kunstdünger vermeiden und Tropfenbewässerung einsetzen, um Wasser zu sparen (Drop Water Irrigation)

in der Abwasserreinigung low-tech Lösungen einsetzen, wie z.B. Schilfgraskläranlagen

Umstellung der Industrie von Trink- auf Brauchwasser, besonders zu Kühlzwecken

Gesetze ändern, falls diese einer ökologisch, technisch und sozial richtigen Lösung entgegenstehen

Fleischkonsum stufenweise reduzieren, weil der Wasserverbrauch für 1 Kilo Fleisch tausend mal höher ist, als für 1 Kilo Gemüse

alle Konzepte so auslegen, dass bei der Wasserfrage jeweils auch Pflanzen und Tiere in ihrem natürlichen Umfeld mit bedacht werden. Wenn Planungen dies übersehen, stehen bereits die nächsten Probleme vor der Tür

Beibehaltung des Solidargedankens in der Daseinsvorsorge. Das neue, neoliberale Prinzip „Jeder kümmert sich um sich selbst“ wird ohnehin aus ökonomischen Gründen scheitern und speziell in der Wasserfrage zu weiteren Katastrophen führen

Kaufboykott von Getränken solcher Hersteller, die sich als „Wasser-Grabscher“ betätigen, sofern sich die Konzerne im Hintergrund identifizieren lassen (z.B. ist das Tafelwasser BON AQUA von Coca Cola, PURE LIFE von Nestle etc.)

Die meisten Konzerne sind so genannte „Multi Utility“ Konzerne, die neben Wasser auch oft Strom, Gas und andere Dienstleistungen oder Verbrauchsgüter anbieten. Deshalb ist es sinnvoll, immer dann, wenn (noch) eine Wahlmöglichkeit besteht, zu alternativen Energieversorgern zu wechseln. Um ein konkretes Beispiel zu geben: in Baden Württemberg mobilisiert das Stuttgarter Wasserforum zum Stromwechsel vom EnBW Konzern zu den Schönauer Elektrizitätswerken, die Strom aus umwelt- freundlichen und regenerativen Energiequellen verkaufen.
Die Entscheidungsmacht hinter der EnBW AG hingegen liegt bei der EDF (Eletricite de France), einem der größten Atomstrom-Betreiber. Gut ist, wenn die Verbraucher sich ihrer Entscheidungsmacht bewusst sind und sie einsetzen. Ein Stromwechsel zu den Schönauer Elektrizitätswerken ist z.B. in ganz Deutschland möglich.

In letzter Konsequenz ist die Wasserfrage (und die der Daseinsvorsorge generell) nur über eine weiterentwickelte Demokratie zu lösen. Die Durchführung von Bürgerentscheiden und Volksentscheiden muss so selbstverständlich werden, wie die Abschaffung der Sklaverei. Die Teilnahme am Entscheidungsprozess muss wichtiger werden als die Entscheidung selbst. Einen Weg dorthin weist der Bürgerhaushalt von Porto Alegre / Brasilien (Orcamento Participativo) bei dem sich die Bürger in den Stadtteilen beraten und ganz konkret Entscheidungen treffen, auch über Investitionen!
Dritte-Welt-spezifische Überlegungen:

Aufkündigung von Verträgen mit privaten Konzernen

Kein Einleiten von Abwasser in Flüsse, die gleichzeitig für Trinkwasser genutzt werden; für das Abwasser Einfachstkläranlagen errichten (Schilfgras)

im Bedarfsfall (z.B. Anlagenbau) Ingenieur- und Fachwissen von Ehrenamtlichen beziehen, oder auch bezahltes Wissen zukaufen, nicht aber die Entscheidungsmacht über die Wasserversorgung aus der Hand geben oder sie verkaufen

Annahme von „Hilfen“ durch reiche Länder oder Konzerne nur dann, wenn es wirklich eine Hilfe sein soll und keine Form von Kolonialisierung, Knebelung, Abhängigkeit oder Unumkehrbarkeit zurückbleibt

keine Annahme von IWF / Weltbank-Krediten, wenn daran für das Land schädliche Bedingungen geknüpft sind (z.B. der Zwang zur Wasserprivatisierung)

Bildung auf allen Ebenen, Abhalten von Kursen und Veranstaltungen, mit dem Ziel, die einheimische Bevölkerung selbst in die Lage zu versetzen, die nötigen Anlagen zu errichten und zu betreiben

Meerwasserentsalzungsanlagen nur sparsam einsetzen, da wo nötig, da ansonsten ein ökologisches Ungleichgewicht und somit ein neues Problem entsteht

weltweites Sammeln von Know-how und low-tech Konzepten für die Wasserver- und Entsorgung; Anlegen einer Datenbank im Internet, mit freiem Zugang, als open-source-Wissen (wie z.B. bei LINUX); Übersetzung in andere Sprachen, um den Zugang zu Fachwissen über die Sprachbarrieren hinweg zu ermöglichen

große Vorsicht bei Einladungen aus reichen Ländern, zu „Informationsveranstaltungen“, zu Konferenzen und „neutralen“ Wassersymposien in teuren Hotels, weil mit dieser Methode oft der erste Schritt zu einer Wasserprivatisierung vorbereitet wird (Vertrauen aufbauen, Wirtschaftskontakte knüpfen)

Ablehnung und Boykott des so genannten „Welt-Wasser-Forums“ (World Water Forum) und des WWC (World Water Council) weil diese Institutionen vorgeben, eine gerechte, internationale Plattform für die Wasserfrage zu sein - in Wirklichkeit aber von den mächtigen Konzernen dominiert sind.
Fazit:

Wasser darf nur in dem Maße verschmutzt werden, wie es auch wieder gereinigt wird.

Die volle Verfügungsgewalt über Wasserver- und -entsorgung muss jederzeit selbstbestimmt in den Händen derer liegen, die das Wasser für ihr tägliches Leben benötigen.

Die Verfügungsmöglichkeit über das Wasser muss an die nachfolgenden Generationen uneingeschränkt weitergegeben werden.

Eine Hilfe kann nur die Tat sein, die die Menschen in den jeweiligen Regionen bei der Wasserversorgung unterstützt, ohne ihnen die Verfügungsgewalt über das Wasser zu nehmen.

Die Nutzung von Wasser zur Profitmaximierung von Konzernen oder zur Machtausübung über andere ist abzulehnen, weil sie in letzter Konsequenz zu einer nicht auflösbaren Gewaltspirale führen muss.

Jens Loewe, Stuttgarter Wasserforum, Januar 2005
web: www.unser-aller-wasser.de
email: info@nwwp.de

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