Dienstag, 24. März 2009
Ein pathologsiches Krankheitsbild "der Krise"
REPORTAGE: Mit Haut und Haaren gegen die Krise
Was tun, wenn in Zeiten der Krise das Geld knapp wird? Millionen von Menschen haben in den USA während der vergangenen Monate die Arbeitsstelle verloren, neue Jobs gibt es kaum, und die geringen staatlichen Sozialleistungen reichen oft nicht zum Leben. Die Lösung liegt für manche US-Bürger nahe - hautnah, sozusagen. Denn sie bieten feil, was in ihnen und auf ihnen wächst: Blutplasma, Haare, Sperma. Mit den körpereigenen Rohstoffen lässt sich in Zeiten der Not gutes Geld machen. Diesen
Phil Maher vermittelt über seine Webseite bloodbanker.com Blut- und Spermaspender gegen Bezahlung an Interessenten. Das Geschäft sei allein in den letzten drei Monaten um mehr als 50 Prozent gewachsen, sagt der 32-Jährige. "Ich habe hier alleinerziehende Mütter, die niemals daran dachten, ihr Blut zu verkaufen - bis sie ihre Stelle verloren", berichtet er. "Jetzt gehen sie in die Klinik, spenden Blut und bekommen dafür 25 Dollar." Noch profitabler seien Spermaspenden, bei denen Männer bis zu 100 Dollar pro Sitzung kassieren könnten. "Man kann alle zwei bis drei Tage Sperma spenden", sagt der Vermittler. "Wenn man sich da auf ein Jahr verpflichtet, wird es finanziell wirklich interessant."
Es müssen freilich nicht immer Körpersäfte sein. Auch Dana Pendragon aus North Carolina hat Not mit Erfindungsreichtum gepaart - und sich entschlossen, ihr langes rotglänzendes Haar zu verkaufen. "Es reichte mir bis an die Hüften", erinnert sich Pendragon mit leichtem Bedauern. Über den Vermittlungsdienst HairTrader.com bekam sie 2000 Dollar für ihr Haar, das nun zu Echthaarperücken verarbeitet wird. Sie sah keine andere Wahl, nachdem ihr Auto kaputt gegangen war. "Ich wollte nicht noch mehr Schulden machen", sagt Pendragon. "Andererseits brauchen wir ein Auto. Also habe ich meine Haare abgeschnitten."
Über noch mehr Geld konnte sich Paul Clough freuen, der sich selbst scherzhaft als "menschliche Laborratte" bezeichnet. Clough verdient seinen Unterhalt damit, dass er sich für medizinische und klinische Experimente anbietet. Ungefähr 26.000 Dollar habe er so binnen Jahresfrist verdient. "Ich hatte ungefähr 400 Mal Nadeln in mir stecken", berichtet Clough. Er gibt zu, dass die Sparte nichts für Zartbesaitete sei. "Manchen wird schon bei den Vor-Tests schwindlig", sagt er. "Die werden dann nicht für die Studie zugelassen."
Gutes Geld winkt auch Frauen, die zum Spenden von Eizellen bereit sind. Das Pennsylvania Hospital in Philadelphia etwa verzeichnet seit Beginn der Finanzkrise im Oktober einen sprunghaften Anstieg an Interessentinnen. "Davor hatten wir etwa 18 bis 40 Interessentinnen pro Monat, nun sind es immer 40 bis 60", berichtet Abteilungsleiterin Maureen Kelly. "Das Timing legt nahe, dass hier auch finanzielle Motive eine Rolle spielen." Vermittler im Internet bringen Spenderinnen und Frauen mit Kinderwunsch zusammen, Spenderinnen erhalten um die 5000 Dollar.
Das Abgeben von Blut, Haaren oder Körperzellen ist in vielen Fällen aus reiner Not geboren. Internet-Vermittler Maher berichtet, dass viele Spender große Scham empfänden. Er zitiert aus der Email einer kommerziellen Blutspenderin namens Emily: "Ich hätte nie gedacht, dass ich so tief sinken könnte", heißt es darin. "Ich kann aber kaum noch für meine Wohnung, mein Auto, mein Essen bezahlen."
Quelle: http://www.afp.de
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