Freitag, 30. Januar 2009
Mittagessen oder Krieg?
Kriegstreiber und Ministerpräsident in Spe Netanyahu
Mittagessen oder Krieg?
Das Weltwirtschaftsforum in Davos bot dem Gaza-Krieg eine Bühne und sorgte für einen Eklat
Der Gaza-Krieg hat auch das Weltwirtschaftsforum eingeholt. Benjamin Netanyahu, der Vorsitzende des rechtskonservativen Likud-Blocks, der bislang vom Krieg am meisten für die Wahlen profitiert hat, machte auch beim Weltwirtschaftsforum in Davos Stimmung für den nächsten Krieg und baute erneut an der Drohkulisse Iran. Und dann gerieten sich auch der israelische Präsident und der türkische Regierungschef in die Haare, nachdem der weltferne Moderator einer Diskussionsrunde nicht nur einseitig, sondern offensichtlich völlig überfordert war und die Diskussion über den Krieg durch Verweis auf das anstehende Mittagessen unterbrach..
Benjamin Netanyahu. Foto: swiss-image.ch/Remy Steinegger (Bild vergrößern)
Netanyahu nutzte die mediale Aufmerksamkeit, um sich in Szene zu setzen und Wahlkampf zu machen. Die Beschwörung von Krieg, Bedrohung und Angst sind immer ein probates Mittel, um die Menschen hinter sich bringen. Die Gefahr schafft Einheit – und Feinde. Die Finanzkrise, so Netanyahu, der gute Chancen hat, der neue Regierungschef zu werden, sei ein geringfügiges und vorübergehendes Problem, dagegen wäre die atomare Aufrüstung des Iran eine Katastrophe. Der stünde kurz davor, die erste Atombombe in Händen zu halten, und das bedrohe die ganze Welt:
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Nicht reversibel ist der Erwerb von Atomwaffen durch ein fanatisches radikale Regime, das eine vormittelalterliche Weltsicht hat. Wir hatten seit Beginn des Atomzeitalters Atomwaffen in den Händen eines solchen fanatischen Regimes.
Er sei darum bemüht, enen Frieden herzustellen, aber solange die Welt nicht Iran hindere, Atomwaffen zu erhalten, sei dies zum Scheitern verurteilt. Das sei das größte Problem des 21. Jahrhunderts, erklärte Netanyahu in dem Versuch, die ganze Welt gegen den Iran zu mobilisieren, wohl um die Stimmung noch zu drehen, da US-Präsident Obama nicht willens zu sein scheint, weiterhin den harten, starren Kurs gegen den Iran zu fahren. Auch anderweitig scheint Netanyahu vermessen zu sein. So sagte er, Israel könne – natürlich unter seiner Regierung – zu den zehngrößten Industriemächten der Welt aufsteigen.
Recep Tayyip Erdogan und Shimon Peres bei der Podiumsdiskussion. Foto: swiss-image.ch/Monika Flueckiger (Bild vergrößern)
Während Netanyahu aber auf einer Nebenbühne aufgetreten ist, haben der israelische Präsident Shimon Peres und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, dank des unfähigen Moderators David Ignatius von der Washington Post, einen Eklat herbeigeführt, der die ansonsten gepflegte Eintracht der politischen und wirtschaftlichen Elite empfindlich störte und von Davos in die Wirklichkeit holte. Zunächst hatte Peres sich lange zu der Militäroperation äußern und diese rechtfertigen können, wobei auch er versuchte, den Iran als Hauptschuldigen einzubeziehen, der die Hamas und Hisbollah mit Waffen ausstatte.
Shimon Peres verteidigt den Gaza-Krieg. Foto: swiss-image.ch/Sebastian Derungs (Bild vergrößern)
Erdogan hatte in seinen Bemerkungen die Blockade des Gazastreifens kritisiert und diesen als "offenes Gefängnis" bezeichnet, das vom Rest der Welt isoliert sei. Er erinnerte auch an die vielen Toten des Krieges. In seiner leidenschaftlichen, mit Blick auf Erdogan vorgetragenen Verteidigung des Krieges fragte Peres, nachdem er erläuterte, dass Israel sich schließlich aus dem Gazastreifen zurückgezogen habe: "Warum haben sie Raketen abgeschossen? Es gab keine Belagerung von Gaza. Warum haben sie uns bekämpft? Was haben sie gewollt? Es gab niemals einen Tag des Hungers in Gaza."
Erdogan, dessen Regierung auch nicht zimperlich gegen die Kurden vorgeht, sagte, nachdem Peres fast eine halbe Stunde gesprochen hatte, während die anderen Diskussionsteilnehmer nur die vereinbarten 10-15 Minuten geredet hätten: "Ich habe den Eindruck, Sie fühlen sich ein wenig schuldig. Sie haben Menschen getötet:"
Daraufhin antwortete Peres: "Was hätten Sie denn getan, wenn jeden Abend Raketen auf Istanbul niedergegangen wären?“ Jeden Tag seien "Hunderte von Raketen auf Frauen und Kinder" niedergegangen, die deshalb in Schutzräumen schlafen mussten: "Was ist mit Ihnen los? Sie verstehen nichts und ich bin nicht bereit, mir Lügen anzuhören." Daraufhin wurde im Publikum geklatscht.
Zornig verlässt der türkische Ministerpräsident Erdogan die Bühne, weil wegen des Mittagessens nicht über den Krieg gesprochen werden soll. Foto: swiss-image.ch/Monika Flueckiger (Bild vergrößern)
Die an sich eng mit Israel kooperierende türkische Regierung hatte versucht, was Erdogan in seinen Äußerungen vor Peres darstellte, vermittelnd vor dem Krieg einzugreifen und diesen zu verhindern. Das sei auch möglich gewesen. Als Israel nicht darauf einging, warf die türkische Regierung der israelischen unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt und der Weltöffentlichkeit das zu langsame Reagieren vor.
Erdogan bat den Moderator, auf Peres antworten zu dürfen. Ignatius entgegnete: "Nur eine Minute", da er offenbar die Diskussion abwürgen wollte. Grund war, dass er Peres zu lange hatte reden lassen und nun die Zeit überschritten war. Allerdings hatte er auch Amr Mussa, den Generalsekretär der arabischen Liga, nach 12 Minuten unterbrochen. Die Einseitigkeit war also ziemlich deutlich. "Ich finde es sehr traurig, dass die Menschen das beklatscht haben, was Sie gesagt haben. Es sind viele Menschen getötet worden. Und ich denke, das ist falsch und nicht menschlich." Der Moderator unterbrach: "Wir können die Diskussion nicht wieder beginnen. Wir haben einfach nicht die Zeit dazu." Erdogan bat, ausreden zu dürfen, worauf Ignatius erwidert: "Wir müssen wirklich die Menschen ihr Mittagessen nehmen lassen."
Das sin Nöte von Moderatoren, die unter dem Zeitdiktat der Veranstaltung stehen. Aber ans Essen zu erinnern, um eine Diskussion abzubrechen, in der es um Krieg und den Tod von vielen Menschen geht, ist in hohem Grade zynisch. Kein Wunder, dass Erdogan sich ironisch bedankte und die Runde verließ, während er sagte, dass er wohl nie mehr nach Davos kommen werde. Später erläuterte er auch noch einmal, dass er nicht sauer auf Peres, sondern auf den Moderator und damit auf den Veranstalter war.
Bei seiner Rückkehr in die Türkei wurde Erdogan von Tausenden von Menschen am Flughafen begrüßt. Vermutet wird, dass der Streit zwischen Peres und Erdogan keine Auswirkungen auf die Beziehungen der beiden Länder haben wird. Offenbar haben die beiden auch bereits miteinander telefoniert.
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