Montag, 26. Januar 2009
Lobbyismus
Exkurs in die deutsche Instituts- und Meinungsbildner-Landschaft
Die Arbeitgeberverbände und etliche mehr oder weniger geneigte Politiker (aus welcher Motivation heraus diese das auch immer tun - zu ihrem Schaden wird es bestimmt nicht sein) beschwören regelmässig den Untergang des Abendlandes, wenn sich die Lohnnebenkosten, die Löhne an sich sowie die Unternehmenssteuern nicht weiter absenken lassen - was ausschließlich ihrem kurzfristigen Vorteil dient, aber einen massiven gesamtvolkswirtschaftlich Flurschaden anrichtet und die Arbeitnehmer und noch mehr die massiv belastet, die schon durch die Arbeitgeber von der Arbeit "befreit" wurden.
Hier werden über die diversen mit zig Millionen arbeitgeberseitig und teilweise auch staatlich finanzierten Institute, Vereinigungen und Verbände (auch immer gut miteinander verflochten) Meinungen und Stimmungen lanciert, die ohne wirklichen Hintergrund und ohne Benennung der wahren Interessenlage - dafür aber sehr laut und medienwirksam - in unseren Veröffentlichungsmedien (Presse kann man das nicht mehr nennen) dem Volk stimmungs- und meinungsbildend präsentiert werden. Die aus dem Hause Bertelsmann initierte und zum Teil sehr kritisch betrachtete "Du bist Deutschland"-Kampagne (Aufwand: rund 30 Millionen) ist auch dabei.
Früher (1933) hieß es: "Denn du bist Deutschland" (2005 als 30 Millionen Kampagne wiederbelebt von Bertelsmann: "Du bist Deutschland"). Der Begriff der Asozialen für angebliche "Drückeberger" wurde erfunden. Es entstand ein Klima von Denunziation und Verdächtigung. Diese gesellschaftlichen Bedingungen haben die Kirchen genutzt, um ebenfalls im großen Stil Zwangsarbeiter zu beschäftigen. Es wird geschätzt, dass es im Nazi-Deutschland 12 Mio. Zwangsarbeiter gegeben hat. Davon mussten mindestens 15.000 in kirchlichen und diakonischen Einrichtungen in den Bereichen Landwirtschaft, Hauswirtschaft, in Kliniken, im Gartenbau, in Heimen und in Pfarrfamilien Zwangsarbeitsdienste leisten. Die Kirche wurde mitschuldig an der Zufügung von Zwang, Entmündigung und Erniedrigung - vor allem an jüngeren Menschen. Im Bereich der Kirche wurde nicht weniger diskriminiert als anderswo. Siehe auch hier:
Massgebliche deutsche Lobbies
Dazu gehören neben vielen anderen die folgenden:
Institut für Wirtschaftsforschung e.V. (Ifo)) Chef: Prof. Sinn,
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW)) Chef: Prof. Dr. Zimmermann,
Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) Präsident: Dr. Hans-Dietrich Winkhaus; Direktor: Dr. Hüther (und Kurator der INSM),
Wichtige Projekte sind JUNIOR, welches Jugendlichen und Schülern grundlegende Einblicke in die Wirtschaft bereits in jungen Jahren ermöglichen soll, und die "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" (INSM).
Tochterunternehmen des Institut der deutschen Wirtschaft e. V. (IW) sind zum Beispiel der Deutsche Institutsverlag (DIV), edition agrippa und alpha-omega.
Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM)
eine besonders perfide - mit 100 Millionen finanzierte - Meinungsmaschine der Arbeitgeber mit "Kuratoren" und "Botschaftern", die sich branchen- und parteienübergreifend (praktisch nur CDU/CSU) gibt, es aber keinesfalls ist.
Wenn aus dieser Ecke tönt: "Es müsse Vollzeitjobs unterhalb der Existenzsicherung geben, so Hüther". (taz, 7.3.2006), so weiss wohl jeder, was bezweckt werden soll.
Die Liste der beteiligten Personen, bestehend aus den: Gründungsmitgliedern, Geschäftsführern, Kuratoren, Botschaftern und Mitgliedern des Fördervereins sowie öffentlichen Befürwortern der INSM liest sich schon sehr interessant.
Eine Unmenge an weiteren Informationen zur INSM, deren "Botschafter", Machenschaften und Hintergründen finden Sie auf den nicht nur zu diesem Themenkreis interessanten Seiten von Gert Flegelskamp:
INSM: Botschafter des Terrors? Bilder der Kuratoriumsmitglieder und Botschafter
INSM und Konsorten
Die INSM
INSM: Neoliberalismus durch die Hintertür
Neoliberalismus - was ist das? Einführende Beschreibung
Weitere neoliberal Think Tanks (kleine Übersicht mit Links)
Leibnitz-Gemeinschaft
Die "Mutter" der meisten deutschen Institute, wobei die Finanzierung insgesamt nicht so recht durchschaubar ist, aber auch viele Steuergelder aus Bund und Ländern weitgehend ungehemmt fliessen.
Bertelsmann: Schattenkabinett aus Gütersloh Jens Wernicke in Telepolis vom 01.06.07
Das Rezept der allgegenwärtigen gemeinnützigen Stiftung ist stets das Gleiche: Die Gesellschaft soll wie ein Unternehmen geführt werden
Die Bertelsmann-Stiftung wurde 1977 von Reinhard Mohn gegründet. Heute ist sie der mit Abstand einflussreichste Politikberater im Land. Und da sie offiziell als "gemeinnützig" agiert, ist auch gleich ganz oder teilweise von Steuerzahlungen befreit.
Das ist kein unbedeutendes, sondern wichtiges Detail, denn während es beispielsweise in den USA untersagt ist, dass eine steuerbegünstigte Stiftung mehr als 20 Prozent der Anteile eines Unternehmens besitzt, hält die Bertelsmann-Stiftung bereits 76 Prozent der Anteile der Bertelsmann AG, einem der bedeutendsten Medien- und Dienstleistungsriesen weltweit, und spart somit – ganz im Sinne ihres Stifters – einen Großteil der Steuern für die jährlich etwa 18 Milliarden Euro Bertelsmann'schen Konzernumsatz ein. Das uneingeschränkte Stimmrecht in Sachen des Konzerns liegt dabei nicht etwa bei der Stiftung, sondern bei den Mitgliedern der Familie Mohn, die ebenso in der Stiftung selbst themensetzend und tonangebend sind.
Einzigartiger Machtapparat: Die Stiftung ist nicht etwa eine Förderstiftung, sondern arbeitet ausschließlich operativ. Das heißt, mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln von etwa 60 Millionen Euro im Jahr, die sich aus einer steuerfreien jährlichen Dividendenzahlung der Aktiengesellschaft an die Stiftung speisen, unterstützt sie nicht etwa Non-Profit-Organisationen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben, sondern finanziert ausschließlich ihren, den eigenen Interessen verpflichteten Organisations-, Forschungs- und Beratungsapparat. Das unterscheidet sie auch maßgeblich von allen anderen "Beratern" im Geschäft: Sie nimmt kein Geld, sondern hat eigenes. Die Stiftung ist also nicht nur finanziell unabhängig, sondern unterliegt auch keinerlei externen Kontrolle und verfügt zudem über einen sehr hohen Grad an wissenschaftlichem Potential, Autonomie und Schlagkraft – sowie vielfältigsten Kontakten hin zu Medien, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik.
Inzwischen gehen StiftungsmitarbeiterInnen in allen Landesregierungen ein und aus und kooperieren mit Kultusministerien, Kanzleramt und Bundespräsident ebenso wie mit Kommunalverwaltungen. Die Experten der Stiftung sind allgegenwärtig geworden und längst nicht mehr wegzudenken: bei neuen Hochschulgesetzen, der EU-Verfassung, den Hartz-Gesetzen, der Außenpolitik, geplanten Schulreformen, der Privatisierung von Gesundheitssystem und Kommunalverwaltungen sind ihre "Beratungen" ebenso maßgeblich und tonangebend wie auch bei der Etablierung einer Europäischen Armee und anderem.
Mehr und mehr gelingt es der Stiftung hierbei, selbst zu definieren, was "Gemeinwohl" eigentlich meint – und zudem die Rolle der dem Staat aufgrund fehlender Steuereinnahmen immer weiter abhanden kommender eigener politischer Intelligenz einzunehmen, wodurch sie sich unabdingbar macht und bereits weit in die Kernbereiche staatlicher Souveränität vorgedrungen ist: Die Stiftung wird mehr und mehr selbst zum "Staatsapparat" – ohne dabei jedoch demokratisch verfasst oder kontrolliert zu sein.
Vorparlamentarischer "Elitenkonsens": Eine Debatte findet nicht statt: Dank der eingesparten Steuergelder hat die Stiftung inzwischen ein riesiges Politiknetzwerk aufgebaut, mit dem sie Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen kann und nimmt, lange bevor diese im Parlament verabschiedet werden. Damit wird eine Art "Elitenkonsens" im vorparlamentarischen Raum hergestellt, der kritische Stimmen bereits im Vorfeld eliminiert und so dafür sorgt, dass es zu großen gesellschaftlichen Debatten über viele Reformvorhaben gar nicht erst kommt.
Aufgrund der Einzigartigkeit der ihr zur Verfügung stehenden Finanzen kann sie dabei als einziger "Politikberater" im Lande jahrelang an einem Thema arbeiten und sich mit immer wieder neuen, aber in die gleiche Richtung zielenden Argumenten ("Studiengebühren sind gerecht, weil…) in die Debatte einmischen, vor Ort "Modellprojekte" realisieren, um Vertrauen zu gewinnen, oder eben auch öffentliche Bedienstete – wie etwa Richter des Bundesarbeitsgerichtes zum Thema der Reform des Arbeitsrechts - auf eigene Kosten zu Veranstaltungen, Kongressen und ähnlichem laden.
Der Ansatz von Arbeit und Projekten ist dabei stets top-down. Kein Stiftungsprojekt findet statt, das nicht der Prämisse "wirtschaftsfreundliches Ergebnis" unterliegt. Die Stiftung ist stets bemüht, die geförderten Projekte und Vorstellungen für Zwecke zu instrumentalisieren, die "ihrem" Konzern dienlich sind.
Privatisierung der Kommunen: In den Kommunen hat die Stiftung sich beispielsweise längst zwischen Verwaltung und die Bürger geschoben. Auf kommunalen Kongressen lockt sie Stadtdirektoren, Kämmerer und Oberbürgermeister mit einer ganzen Palette von Reformvorschlägen an – und legitimiert ihr Wirken dabei nicht etwa über ein demokratisches Mandat, sondern über ihren Status als vermeintlich gemeinnütziger Akteur. Als solcher rät sie den öffentlichen Kommunen zur Teilprivatisierung ihrer Aufgaben – und dann übernimmt diese schließlich die hochprofitable Dienstleistungstochter der Bertelsmann AG, Arvato. Ganz im Sinne der Mohnschen "Gemeinnützigkeit".
Bleibt zu hoffen, dass Gesellschaft und Politik diese Stiftung als das begreifen, was sie einzig ist: nicht etwa "Lösungsgeber", sondern Teil des Problems.
Anmerkung: Der Autor ist Studienstipendiat der Rosa-Luxemburg-Stiftung und Mitherausgeber des eben im BdWi-Verlag Marburg erschienenen Buches Netzwerk der Macht - Bertelsmann. Der medial-politische Komplex aus Gütersloh.
Bertelsmann: kritische Informationen und Materialien
Die "Muttergesellschaft" aller Lobbyisten ist die Bertelsmannstiftung.
Die Bertelsmann-Stiftung ist Inhaberin der Bertelsmann AG, des größten deutschen Medienkonzerns. (u.a. RTL, RTL 2,Vox, Stern, Brigitte, Eltern, Capital, Financial Times Deutschland, Berliner Zeitung, Berliner Kurier, Spiegel (24,75%) usw.)
Die Bertelmann Stiftung und die vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall finanzierte INSM betreiben eine Art Arbeitsteilung bei der Vermittlung neoliberaler Propaganda an die Öffentlichkeit. Wo Bertelsmann als Medienkonzern nicht offensiv PR betreiben kann, ohne Misstrauen zu erregen oder den eigenen Ruf zu schädigen, wird die INSM tätig. Bertelsmann liefert dafür Hintergrund-Studien und bietet der INSM in seinen Medien ein Forum, zum Beispiel als Medienpartnerschaft mit dem Bertelsmann-Blatt Financial Times Deutschland (50%ige Bertelsmann-Tochter). Einer der Geschäftsführer ist Tasso Enzweiler, zuvor Chefreporter der Financial Times Deutschland. Das Kuratorium der INSM berreichert Oswald Metzger, Bündnis 90/Die Grünen, "Fellow" der Bertelsmann Stiftung.
Krake Bertelsmann: Eine Dokumentation
Neben etlichen anderen widmen sich nun auch die NachDenkSeiten von Albrecht Müller und Wolfgang Lieb in einer eigenen Rubrik dem zum Staat im Staate hochgewachsenen Konzern
Diese Rubrik heißt „Krake Bertelsmann“, weil die Bertelsmann Stiftung, die Bertelsmann AG, ihre Tochterfirmen, ihre angegliederten Unternehmen und Institute ein höchst einflussreicher und weit verzweigter Machtfaktor in Deutschland sind. Sie haben die so genannte Reformpolitik entscheidend mitgeprägt, Bertelsmann hat maßgeblichen Einfluss auf die Bildungsreformen, auf die demographische Debatte, auf die Meinungsbildung zur Altersvorsorge und auf die gesellschaftspolitische Debatte insgesamt. Bertelsmann ist ein Staat im Staate, teilweise beanspruchen die Bertelsmann Stiftung und ihre Vertreter schon so etwas wie öffentliche Gewalt und spielen sich als oberste Beurteilungsinstanz für Ministerien, Kommunen und öffentliche Einrichtungen wie Universitäten und Schulen auf. Diese Macht ist nicht demokratisch legitimiert, sie stützt sich ausschließlich darauf, dass der Konzern und seine Stiftung mehr Geld hat als jede andere private und staatliche Institution, Expertisen und Gutachten erstellen zu lassen, Kongresse zu veranstalten, Forschungsaufträge zu erteilen um die Mission ihres Patriarchen zu verbreiten. Bertelsmann gewinnt seinen Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung und auf das politische und gesellschaftliche Leben vor allem auch dadurch, dass der Konzern über wichtige Teile der Medien in Deutschland verfügt oder großen Einfluss darauf hat. Wolfgang Lieb und Albrecht Müller. Die Machtausübung geschieht über weite Strecken im Stillen. Teilweise sind die Einflüsse offen gelegt. Viele der von Bertelsmann beeinflussten Personen sind arglos, sie nehmen die finanzielle und konzeptionelle Hilfe der Vertreter von Bertelsmann an, ohne die undemokratische Dimension dieser Vorgänge und die dahinter stehende Botschaft zu erkennen und zu hinterfragen. Bertelsmann hat inzwischen eine politische Rolle erlangt, bei der es sich kaum noch ein Politiker vom Bundespräsidenten angefangen, über die Regierungen und Ministerien oder Vertreter von öffentlichen Einrichtungen mehr erlauben kann, sich den „Angeboten“ zu entziehen.
Warum die Mainstreammedien "Mainstream" sind Noam Chomsky in ZDNet (Z Media Institute 15.07.1997)
Auszug: Wenn man die Medien oder eine beliebige Institution verstehen will, stellt man sich zunächst einmal Fragen nach ihrer inneren Struktur. Zweitens wird man sich dafür interessieren, welche Rolle sie im Rahmen der Gesamtgesellschaft spielen: In welcher Beziehung stehen sie zu anderen Systemen von Macht und Autorität? Und schließlich gibt es, wenn man Glück hat, Akten und Aufzeichnungen führender Leute im Mediensystem, aus denen man erfahren kann, welche Ziele sie verfolgen. Das ist wichtig, da wir es mit einem ideologischen System zu tun haben. Ich meine natürlich nicht die üblichen Public-Relations-Veröffentlichungen, sondern das, was diese Leute sich gegenseitig über ihre Absichten mitteilen. Und was das betrifft, gibt es eine Menge interessantes Material.
Anmerkung: Zwar schon etwas älter und überwiegend auf Amerika bezogen, aber auf europäische und deutsche Verhältniss direkt umsetzbar, zeigt dieser Bericht, wie das Mediensystem funktioniert und warum "unpassende" Nachrichten und Meinungen nicht erscheinen können.
Deutsches Institut für Altersvorsorge: “Verloren im Dschungel der Möglichkeiten” Wolfgang Lieb in NachDenkSeiten vom 30.08.07
Informationsdefizite, Überforderungen durch Produkt- und Fördervielfalt sowie Geldmangel sind die größten Hemmnisse für eine effektive und passgenaue Altersvorsorge. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Untersuchung des Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA). Für die Studie wurden 26 Bundesbürger im Alter von Ende 20 bis Mitte 40 vom Forschungsinstitut empirica (Berlin) im Auftrag des DIA jeweils bis zu zwei Stunden befragt. Das Ergebnis: Die Komplexität der Materie und die verwirrende Vielfalt der Förderwege sowie die Furcht vor einer falschen Anlageentscheidung und einer langfristigen Festlegung schrecken vom Abschluss eines Altersvorsorgevertrags ab.
Wieder einmal ein typisches PR-Machwerk als “Studie” getarnt - schreibt Wolfgang Lieb
Über Sinn und Zweck seines Schaffens gibt das DIA dankenswerterweise auf den eigenen Seiten Auskunft: “Ziel des Instituts ist es, Chancen und Risiken der staatlichen Altersversorgung bewusst zu machen und die private Initiative zu fördern.”
Gesellschafter des Instituts sind die Deutsche Bank AG, Deutsche Bank Bauspar AG, DWS Investment GmbH und Deutscher Herold AG, Kooperationspartner ist die Deutsche Bank Privat- und Geschäftskunden AG.
Sprecher des DIA ist Bernd Katzenstein, er ist gleichzeitig Chefredakteur des Kundenmagazins „Forum“ des Finanzdienstleisters MLP AG. Soviel zum erkenntnisleitenden Interesse des Auftraggebers der „Studie“.
Die Befragung der 26 Bundesbürger wurde vom privaten Forschungsinstitut „empirica“ durchgeführt. Ein Forschungsschwerpunkt liegt im Bereich “Vermögensbildung und Altersvorsorge”. Das Institut bekommt deshalb schon gerne mal einen Auftrag vom DIA, so etwa zum Thema „Mehr Altersvorsorge durch kürzere Ausbildungszeiten“.
Aufsichtsratsvorsitzender und Mitbegründer dieses Instituts ist Ulrich Pfeiffer. Pfeiffer ist auch Sprecher des Managerkreises der Friedrich-Ebert-Stiftung. Die von diesem „Managerkreis“ in den letzten Jahren veröffentlichten Papiere belegen über weite Strecken, dass sich die Mehrheit dieses Kreises als Lobby und Brückenkopf der neoliberalen Ideologie im Umfeld der SPD versteht. In den Papieren des Managerkreises wird seit Jahren gefordert, das „Rentenniveau abzusenken“ und die „Privatvorsorge ausbauen“.
Soviel zum erkenntnisleitenden Interesse des beauftragten Instituts.
Nun zur Sache:
Auch ohne Spezialkenntnisse in Umfragen, Studien etc. kann man die Zahl von 26 Befragten zurückhaltend formuliert als nicht sehr repräsentativ bezeichnen – da kann man sich auch nicht damit herausreden, dass die 26 Leute im Alter von Ende 20 bis Mitte 40 „bis zu zwei Stunden“ befragt wurden. Nun gut, könnte man sagen, es handle sich ja nur um eine „Pilotstudie“, mit der man mal sondieren wollte, wie man eine richtige Studie anlegen müsste.
Aber warum muss man eine solche „Pilotstudie“ veröffentlichen und dazu noch als Buch? Und warum muss die DIA dafür werben und an die Presse gehen?
Letztlich ging es dabei eigentlich nur um Marktforschung für die Finanzwirtschaft:
Etwa ein Drittel der Befragten, vor allem Akademiker, gehörten zu den „potentiell Unterversorgten“, heißt es in der Veröffentlichung. „Diese Gruppe ist nur mit sehr individuell zugeschnittenen und äußerst flexiblen Sparverträgen zu überzeugen“, rät Pfeiffer.
Weitere 20 Prozent der Befragten sähen sich dazu schlicht finanziell nicht in der Lage. Die einen glaubten das allerdings nur, entdecken aber nach entsprechender Beratung noch Einsparpotentiale in ihrem aktuellen Konsumverhalten.
Die Adressaten dieser Ratschläge zu „individuell zugeschnittenen“ und „äußerst flexiblen Sparverträgen“ oder zu „entsprechender Beratung“ über Einsparpotentiale in ihrem Konsumverhalten sind ziemlich klar – es können eigentlich nur die Finanzdienstleister sein.
Was es volkswirtschaftlich bedeutet, bei einer schwachen Binnennachfrage - dem Hauptproblem bei der gegenwärtigen Stabilisierung des Konjunkturaufschwungs - den Menschen einzureden, sie müssten noch mehr Abstriche bei ihrem Konsum machen, lassen wir hier einmal außer Betracht. Zu mehr Arbeitsplätzen und höheren Löhnen und damit zu mehr Beiträgen für die gesetzlichen Sicherungssysteme trüge ein solcher Konsumverzicht jedenfalls nicht gerade bei.
Bernd Katzenstein – wie gesagt Sprecher des DIA und Chefredakteur des MLP-Forums - zieht aus der Studie auch gleich die für seine Klientel und die Politik passenden Schlüsse:
Er plädiert angesichts der verwirrenden Vielzahl der Förderwege und Vorsorgeprodukte für einfache Lösungen, „so könnten beispielsweise zukünftige Gehaltserhöhungen komplett oder teilweise in Altersvorsorgepläne umgeleitet werden“.
Ja, das wäre doch was: Die Gewerkschaften nehmen bei Tarifverhandlungen künftig die Vertreter der Versicherungswirtschaft mit an den Tisch, damit die Prozentpunkte, die in die Altersvorsorgepläne umgelenkt werden sollten, möglichst hoch ausfallen. Vielleicht könnten sie ja damit sogar ihre gegenwärtige Schwäche gegenüber dem Unternehmerlager wieder etwas kompensieren.
Am besten wäre aber doch gleich ein verpflichtendes Gesetz, wonach Gehaltserhöhungen künftig „komplett oder teilweise“ als Spielgeld im Casino der Investmentbanker eingesetzt werden. Denn – so wurde jedenfalls vor dem gegenwärtigen Crash fast überall behauptet - auf den Finanzmärkten werden ja am effizientesten und profitabelsten die ökonomische Werte geschaffen, und nicht etwa dadurch, dass sich die Arbeitnehmer von ihren Löhnen Waren und Güter der (altertümlichen) Realökonomie leisten können.
Verzicht auf Gehaltserhöhungen zugunsten des Umsatzes der Versicherungswirtschaft, das wäre doch was für eine neue Öffentlichkeitskampagne der Finanzdienstleister und ihrer PR-Agenturen. Und die Forschungslobbyisten von DIA oder empirica würden auch das noch mit Dutzenden von „Studien“ als „alternativloses“ Konzept für die Politik begründen. Man braucht dazu ja nur mal 26 Leute intensiv zu befragen.
Und man kann sich inzwischen wohl sicher sein, dass solche „Studien“ in der Öffentlichkeit als ernsthafte, wissenschaftliche Expertenmeinungen aufgenommen werden.
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