Samstag, 31. Januar 2009

Vorzeigeüberwachungsstaat: GB


Großbritannien

Demnächst Gefängnisstrafen für Fotos von Polizisten?

Die ohnehin schon schwierige Situation für Amateur- und Profifotografen in Großbritannien wird sich voraussichtlich mit dem 16. Februar noch einmal weiter verschärfen. Dann nämlich tritt eine neue Antiterror-Gesetzgebung in Kraft, die das Fotografieren von Polizisten, Geheimagenten und Mitgliedern der Streitkräfte zu einer rechtlich zweifelhaften Angelegenheit macht.

Am 16. Februar wird der sogenannte Counter-Terrorism Act 2008 in Kraft treten. Dieser stellt eine Ergänzung zum bereits seit längerem geltenden Terrorism Act 2000 dar und hält in einigen Punkten, so auch im Bereich Fotografie, noch einmal strengere Regeln bereit.


Sektion 76 des neuen Gesetzes besagt, dass es verboten ist, "Informationen über [Angehörige derartiger Berufe] zu beschaffen, die ihrer Art nach wahrscheinlich nützlich für die Durchführung oder Planung terroristischer Akte ist, oder dies zu versuchen". Ein Verstoß gegen Sektion 76 kann mit einer Geldstrafe sowie einer bis zu zehnjährigen Haftstrafe geahndet werden. Unter diese Regel fallen nach Ansicht vieler Beobachter wie Fotografen und Journalisten auch Fotos entsprechender Personen - zumindest könnte das Gesetz von der Polizei so ausgelegt werden. Eine Ausnahme für die Presseberichterstattung ist nicht vorgesehen.

Die betroffenen Berufsgruppen befürchten einen Missbrauch dieser Regel durch die Polizei. Bereits die bisherige Gesetzgebung wurde von der Polizei oft dazu genutzt, eine Berichterstattung über kontroverse Situationen zu verhindern, und führte außerdem zu zahlreichen falschen Verdächtigungen. Das könnte sich mit dem Counter-Terrorism Act 2008 noch verschärfen.

Wie fotoscheu sich die britische Polizei bereits jetzt zeigt und welche Auswirkungen das auf die freie Berichterstattung hat, berichtet beispielsweise Justin Tallis, ein in London lebender freiberuflicher Fotograf. Tallis hatte vergangene Woche von den Protesten gegen den Radiosender BBC im Zusammenhang mit dem Krieg im Gaza-Streifen berichtet. Als er dabei auch ein Foto eines Polizisten machte, trat dieser an ihn heran und verlangte, das Foto gezeigt zu bekommen. Tallis verweigerte dies mit der Begründung, dass er als Pressefotograf das Recht habe, auch Polizisten zu fotografieren. Der Polizist versuchte daraufhin, ihm die Kamera wegzunehmen. Dies gab er schließlich auf, wobei er allerdings zu Tallis sagte, dieser "habe ihn eingschüchtert" und hätte das Foto nicht machen sollen. Tallis' Kollege, der Fotojournalist Marc Vallée, dokumentierte den Vorfall. "Der Vorfall dauerte nur zehn Sekunden, aber man erwartet nicht, dass ein Polizist versucht, einem die Kamera vom Hals zu reißen", meint Tallis, der unter Anderem Mitglied der National Union of Journalists und der British Press Photographers' Association ist.

gulli meint:
Gingen schon bisherige britische Antiterror-Gesetzgebungen in eine zutiefst bedenkliche Richtung, so wird mit dem Counter-Terrorism Act 2008 noch eins draufgesetzt. Verbietet man, die Aktivitäten von Polizisten, sowie Mitgliedern von Geheimdienst und Streitkräften, zu dokumentieren (beziehungsweise schafft eine Regelung, aus der sich ein solches Verbot je nach Lust und Laune des zuständigen Beamten ableiten lässt), so hebelt man damit ein wichtiges Kontrollinstrument aus, das ein Fehlverhalten dieser Menschen verhindern soll. Das ist, gerade bei Berufen, die mit derart vielen Kompetenzen und damit der Möglichkeit, bei unverantwortlichen Verhalten besonders viel Schaden anzurichten, höchst gefährlich.

Die Aufgabe der Presse ist es, zu dokumentieren und auf Missstände aufmerksam zu machen. Diese Aufgabe aber können britische Fotografen unter den derzeitigen und erst recht den ab nächsten Monat anstehenden Bedingungen nicht oder nur unter inakzeptablen Risiken erfüllen. Möchte die Polizei verhindern, dass über eine bestimmte Situation berichtet wird, hat sie dazu nun erhebliche und leicht zu missbrauchende Mittel in der Hand. Man muss kein Genie sein, um sich auszurechnen, wohin das führen wird: Fehlverhalten vonseiten der Beamten, insbesondere Polizeigewalt, wird so noch eher im Verborgenen stattfinden - und wahrscheinlich wird das ein solches Verhalten vonseiten der Polizei begünstigen.

Schutz der Bürger vor staatlicher Willkür? Wieder einmal, wie so oft in Großbritannien, Fehlanzeige. Auch die Pressefreiheit muss wieder einmal eine Niederlage hinnehmen, wie man sie in einer westlichen Demokratie nicht erwarten sollte. In Großbritannien allerdings passt ein derartiges Verhalten nur zu gut ins Bild - in ein Bild, das einen zunehmend unfreier werdenden Staat erkennen lässt, der zum Gefangenen seiner eigenen Ängste wird.

Quelle:Gulli.de

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