Sonntag, 25. Januar 2009
Der Untergang der Weltmacht USA
- Die USA sind selbstzerstörerisch und reißen die restliche Welt mit in den Abgrund -
Von TANYA CARIINA HSU, 14. November 2008:
"Ich glaube, dass die Bankinstitutionen für unsere Freiheiten gefährlicher sind als die Armeen."
(Thomas Jefferson, Amerikanischer Präsident; 1743-1826)
Die USA liegen im Sterben. Sie sind selbstzerstörerisch und reißen die restliche Welt mit sich in den Abgrund.
Oftmals als Subprime-Hypothekenkrise bezeichnet, verschleiert dieser Begriff den wahren Grund für den Zusammenbruch der Finanzmärkte. Indem man greifbare notleidende Hypothekenkredite mit der Krise in Verbindung bringt, kann wenigstens etwas ‚Reales’ für das Gemetzel verantwortlich gemacht werden. Problematisch ist nur, dass dies ein Märchen ist. Das Ausmaß dieses Finanzzusammenbruchs liegt darin begründet, dass es alles nichts als heiße Luft war.
Die Bankenbranche änderte Ausfallgarantien in so genannte „Credit Default Swaps“ und verwandelte riskante Wetteinsätze in ‚Derivate’. Finanzmanager und Bankvorstände tischten der gesamten Welt diesen ultimativen Schwindel auf, ähnlich wie die Quacksalber im 18. Jahrhundert, nur diesmal mit Anzug und Krawatte. Und im Oktober war es schließlich zu einem Billiarden-Dollar-Gewerbe (das sind 1000 Billionen Dollar) geworden, das nur wenige durchschauten.
Auf falscher Hoffnung errichtet, fallen die USA nun wie ein Kartenhaus in sich zusammen.
Es begann alles Anfang des 20. Jahrhunderts. 1907 verbreitete J.P. Morgan, ein Privatbanker aus New York, das Gerücht, dass eine große konkurrierende Bank – der Name blieb ungenannt – zusammenbrechen würde. Es war eine falsche Anschuldigung, dennoch liefen alle Kunden zu ihren Banken, um ihr Geld abzuheben. Es konnte schließlich ihre Bank sein. Durch die massenhaften Abhebungen verloren die Banken ihre Sichteinlagen und waren gezwungen, ihre Kredite zurückzufordern. Die Leute mussten nun also ihre Hypotheken zurückzahlen, um die Banken wieder mit Einkommen zu versorgen, was zu ihrem Bankrott führte. Die Panik von 1907 führte zu dem Finanzzusammenbruch, aus dem die Gründung der U.S. Notenbank resultierte, im Grunde ein Privatbankenkartell, das als unabhängige Regierungsorganisation getarnt wurde. Es war gewissermaßen ein Coup von Elitebankern zur Kontrolle der Branche.
1913 gesetzlich verankert, wurde das Geld der Nation nun von der U.S. Notenbank bereit gestellt und verliehen, allerdings mit Zinsen. Je mehr Geld die Notenbank drucken konnte, desto mehr ‚Gewinn’ konnte sie für sich erwirtschaften. Von Natur aus würde die Notenbank also dauerhaft Schulden produzieren, um selbst überleben zu können. Sie war in der Lage, die Geldversorgung nach Belieben zu gestalten, indem sie den Wert regulierte. Um die Wertbestimmung zu kontrollieren, musste die Inflation jedoch in Schach gehalten werden.
Innerhalb von fünf Jahren verdoppelte die Notenbank die Geldversorgung der USA und forderte 1920 einen Massenanteil ihrer Darlehen zurück. Mehr als fünftausend Banken brachen über Nacht zusammen. Ein Jahr später erhöhte die Notenbank ihre Geldversorgung wieder um 62%, aber forderte 1929 erneut die Darlehen zurück, wiederum en masse. Diesmal führte der Crash von 1929 zum Zusammenbruch von über sechzehntausend Banken und zu einem Börsensturz von 89%. Die privaten und gut geschützten Banken innerhalb des Notenbanksystems waren somit in der Lage, die zusammengebrochenen Banken zum Spottpreis aufzukaufen.
Die Große Depression schlug um sich. Im April 1933 gab der amerikanische Präsident Roosevelt die Verfügung heraus, dass alle Goldbarren der Öffentlichkeit konfisziert werden sollten. Diejenigen, die sich weigerten ihr Gold herzugeben, sollten für zehn Jahre ins Gefängnis gesperrt werden. Am Ende des Jahres wurde der Goldstandard abgeschafft. Was gegen Gold eintauschbar gewesen war, wurde nun zum „gesetzlichen Zahlungsmittel“ aus Papier, und Bargeld konnte nicht mehr gegen Gold eingewechselt werden.
Jahrzehnte später, 1971, setzte Präsident Nixon den Dollar komplett vom Goldstandard ab, weswegen kein Handel zum international fixierten Preis von 35 Dollar mehr möglich war. Der Wert des U.S. Dollars wurde nun von den USA beliebig festgesetzt, weil er „genauso wie Gold“ war. Es gab kein Wertmaß mehr und der Dollar wurde zur allgemein gültigen Währung. Schatzwechsel (Kurzzeitwechsel) und Anleihen (Langzeitwechsel) ersetzten Gold als Wert, Eigenwechsel der U.S. Regierung und vom Steuerzahler bezahlt. Außerdem konnte Gold, weil es von den währungspolitischen Deckungsvorschriften ausgenommen war, nicht verfolgt werden, im Gegensatz zum treuhänderischen (d.h. auf Vertrauen basierenden) Finanzsystem des Westens. Dies war nicht im Interesse der USA.
Da nach der Großen Depression die Privatbanken bei der Ausgabe von Hypotheken zurückhaltend blieben, rief Roosevelt Fannie Mae ins Leben. Als staatlich gestützte Hypothekenbank bot sie bundesstaatliche Finanzierung von Hypotheken für erschwingliche Immobilien. 1968 privatisierte Präsident Johnson Fannie Mae und 1970 wurde Freddie Mac als Konkurrenzbank zu Fannie Mae gegründet. Beide Banken kauften nun Hypotheken von anderen Banken und Kreditgebern auf und verkauften sie an neue Investoren.
Als Folge des Booms nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die USA mit Bargeld und Anleihen überspült. Durch die Rolle des militärisch-industriellen Komplexes kamen Kriege den USA immer exponentiell zu Gute und, im Gegensatz zu anderen Weltmächten in der Geschichte, errangen sie somit Supermacht-Status. Dabei vergaßen sie jedoch, dass, geschichtlich gesehen, Weltmächte immer zu gleichem Maße fallen wie sie vorher aufgestiegen sind.
Amerikaner konnten sich alle Annehmlichkeiten des modernen Lebens leisten und exportierten ihre Industriegüter in die ganze Welt. Nach dem Vietnamkrieg wurden die USA vom wirtschaftlichen Abschwung erfasst. Aber die Menschen wollten ihren gehobenen Lebensstil trotz Jobverlusten ungern aufgeben, und die Produktion wurde zunehmend ins Ausland verlagert. Durch äußere Irreführung und eigenes Anspruchsdenken verharrten die Amerikaner über lange Zeit in der Tretmühle des Verbraucherkonsums.
1987 brach die amerikanische Börse durch risikoreiche Termingeschäfte, so genannte Derivate, um 22% an einem Tag ein. 1989 führte die Savings-and-Loans-Krise dazu, dass Präsident George H. W. Bush 142 Milliarden Dollar aus Steuermitteln dazu benutzte, die Hälfte der Hypothekenbanken zu retten. Um dies zu bewerkstelligen wurde Freddie Mac damit beauftragt, Geringverdienern Subprime-Hypotheken (also zweitklassige Hypotheken) anzubieten. 2000 platzte der irrationale Überschwang der Internet-Blase, und 50% der High-Tech-Firmen meldeten Bankrott an, wobei sie 5 Billionen Dollar ihres übermäßig aufgeblähten Marktwertes abschreiben mussten.
Nach dieser Krise hielt Notenbankchef Alan Greenspan die Zinssätze so niedrig, dass sie unter der Inflationsrate lagen. Jeder, der sein Einkommen sparte, verlor dabei Geld, und die Sparquote fiel bald ins Defizit.
In den 90er Jahren vermarkteten Werbeleute in ihrem Übermut einen immer luxuriöseren Lebensstil, der durch billige und einfache Kredite möglich gemacht werden sollte. Zweithypotheken wurden zur Normalität und Eigenheimkredite wurden dazu genutzt, Kreditkartenrechnungen zu begleichen. Je mehr die Amerikaner kauften, desto mehr Schulden machten sie. Aber so lange sie ihr Eigenheim hatten, konnten sie an ihrem falschen Sicherheitsgefühl festhalten: ihr Haus war ihr Eigenkapital, es würde immer im Wert steigen, und sie konnten es jeder Zeit, wenn notwendig, zu niedrigeren Raten neu belasten. Auch die Finanzbranche glaubte daran, dass die Immobilienpreise immer weiter steigen würden. Und selbst wenn sie fallen sollten, würde die Zentralbank die Zinssätze schon senken, so dass die Preise wieder steigen würden. Jeder glaubte, dass es eine Win-Win-Situation sei.
Greenspans niedrige Zinssätze ermöglichten jedem die Finanzierung eines Eigenheims. Geringverdiener aus dem Dienstleistungsbereich bekamen hundertprozentige Fremdfinanzierungen für Häuser mit einem Wert von einer halben Million. Dabei war den Kreditgebern klar, dass sie die Ratenzahlungen nicht aufrechterhalten könnten.
Es erhielten so viele Menschen diese Subprime-Hypotheken, dass die Handelsbanken und Kreditgeber bald mit einem neuen Plan daher kamen: nämlich diese geradezu wertlosen Eigenheimkredite zu bündeln und als solide amerikanische Kapitalanlagen an ahnungslose Länder zu verkaufen, die den Unterschied sowieso nicht erkennen würden. Die Ausschweifungen und Konsumausgaben der Amerikaner litten darunter nicht und wurden dabei durch ebenso unwissende Länder noch gestützt.
Es ist schon immer so gewesen, dass eine Bank mehr Geld verliehen hat, als sie tatsächlich besaß, da die Zinszahlungen ihr Einkommen generieren würden. Je mehr die Bank verlieh, desto mehr Zinsen konnte sie einfordern, selbst ohne eigene Geldbestände. Es war ein lukratives Gewerbe, Geld zu verleihen, das man selbst nicht besaß. Hypothekenbanken und Handelsbanken liehen sich sogar Geld von internationalen Geldmärkten, um diese Subprime-Hypotheken bis zu über 100% zu finanzieren, und sie begannen, mehr als zehnmal so viel zu verleihen, als sie an zugrunde liegendem Vermögen besaßen.
Nach dem 11. September 2001 forderte George Bush die Nation auf, Geld auszugeben, und in Zeiten des Krieges folgte die Nation dieser Bitte. Die USA liehen sich beispiellose Summen, nicht nur um den Krieg gegen den Terror im Nahen Osten zu finanzieren (veranschlagte Kosten von vier Billionen Dollar), sondern auch um Steuerkürzungen zu einer Zeit zu finanzieren, in der sie Steuern hätten erhöhen müssen. Bush senkte die Mindestreserveanforderungen für Fannie Mae und Freddie Mac von 10 auf 2,5 Prozent. Sie waren somit nicht nur in der Lage, noch mehr Geld zu Schnäppchen-Zinsen zu verleihen, sondern brauchten dazu nur noch einen Bruchteil ihres Deckungskapitals. Bald verliehen die Banken das Dreißigfache ihres Kapitalwerts. Es war eine „Orgie der Maßlosigkeit“, wie ein Ökonom es ausdrückte.
Es war schamlose Budgetüberschreitung in Kriegszeiten. Noch nie vorher ist eine Nation einen Konflikt eingegangen, ohne Opfer, Kürzungen, Steuererhöhungen und einen wirtschaftlichen Status Quo hinzunehmen.
Und es wurde immer wahrscheinlicher, dass, genauso wie 1929, die Investoren alle zur selben Zeit ihr Geld zurückfordern würden.
Um die Haftung für die risikoreichen Hypotheken sicherzustellen, schufen dieselben Finanzhäuser, die diese Hypotheken verkauft hatten, „Versicherungspolicen“ für ihre eigenen Subprime-Investitionen, vermarktet als so genannte „Credit Default Swaps“ oder CDS. Da aber die Regierung Versicherungspolicen regulieren muss, blieben die in CDS umbenannten Policen gänzlich unreguliert. Die Finanzinstitutionen sicherten sich nach allen Seiten ab und verkauften Prämien, um die Ramschanlagen zu schützen. Mit anderen Worten, die Anlage, die eigentlich an Wert gewinnen sollte, konnte darüber hinaus auch eine „Nebenwette“ haben, für den Fall, dass sie doch an Wert verlieren würde. Im Oktober dieses Jahres wurden CDS für 62 Billionen Dollar gehandelt, mehr als der gesamte Aktienhandel der Welt zusammen genommen.
Diese Einsätze besaßen keinen Wert und waren keine Investments. Sie waren einfach nur als Derivate betitelte finanzielle Instrumente – risikoreiche Spekulationen, „Nichts gegen Nichts“ – oder wie Warren Buffet sie bezeichnete, „finanzielle Massenvernichtungswaffen“. Der Derivathandel war mehr als eine Billiarde Dollar „wert“ oder mehr als die Wirtschaft der gesamten Welt. (September 2008 lag das weltweite Bruttoinlandsprodukt bei 60 Billionen Dollar).
In den 1990er Jahren dem Vorwurf der Illegalität ausgesetzt, legalisierte Greenspan die Praxis der Derivate. Bald wurden Hedge Fonds zu einer ganz eigenen Branche, die auf dem Derivatmarkt ihre Einsätze machten und so viel verspielten, wie sie wollten. Da sie von Anfang an kein Geld hatten, war dies einfach. Diese „Finanzindustrien“ traten wie Banken auf, mit der Ausnahme, dass die Makler der Hedge Fonds, Aktienfonds und Derivate im Fall eines Zahlungsverzugs keinen Zugriff auf Regierungsanleihen hatten. Wenn die Eigentümer mit ihren Zahlungen in Verzug gerieten, würden die Hedge Fonds keinerlei Zahlungsverpflichtungen haben. Diejenigen, die in eine schwankende Anleihe investiert hatten, würden weder Gewinne noch Verluste einfahren können.
Der Finanzmarkt war somit zur größten Industrie der Welt geworden, und alle Finanzriesen schlugen daraus ihr Kapital: Bear Stearns, Lehman Brothers, Citigroup und AIG. Doch die Hausbesitzer, die ihren Kredit längst ausgereizt hatten, begannen nun, mit ihren Hypothekenzahlungen in Verzug zu geraten. Sie zahlten schließlich nicht nur ihr Haus ab, sondern auch die ganzen Schulden, die sich über die Jahre für Auto, Kreditkarten, Ausbildungskredit, Arztrechnungen und Eigenheimkredit angesammelt hatten. Sie hatten Geld aufgenommen, um Einkäufe und emporschießende Krankenversicherungsprämien bezahlen zu können, die mit ihren größeren Häusern und Autos mithalten sollten; sie refinanzierten die schon vorhandenen Schulden zu geringeren Raten, die bald in die Höhe stiegen. 25% des Jahreseinkommens eines durchschnittlichen Amerikaners ging allein in die Tilgung der Kreditkartenschulden.
2008 fingen die Immobilienpreise an, gefährlich zu fallen und die Hypotheken verloren plötzlich an Wert. Im September war die Auftragslage um 4,5% gefallen, Warenbestände sammelten sich in den Lagern, die Arbeitslosenquote stieg und Zwangsvollstreckungen von Häusern nahmen um 121% zu – bis zu 200% in Kalifornien.
Die Finanzriesen mussten den Handel mit den hypothekengesicherten Wertpapieren aufgeben, da über ihre Verluste nun sichtbar Rechenschaft abgelegt werden musste. Investoren begannen, ihr Geld zurückzuziehen. Bear Stearns, stark spezialisiert auf Hypothekenbestände, brach im März als erstes zusammen.
Wie schon im 20. Jahrhundert, schnellte JP Morgan herab und schnappte sich Bear Stearns für ein Almosen. Ein Jahr vorher wurden Bear Stearns Aktien noch für 159 Dollar gehandelt, doch JP Morgan konnte sich für 2 Dollar pro Aktie einkaufen und Bear Stearns übernehmen. Im September brach „Washington Mutual“ zusammen, der größte Bankenzusammenbruch in der Geschichte. Wieder erschien JP Morgan und bezahlte 1,9 Milliarden Dollar für Anlagen, die auf 176 Milliarden Dollar geschätzt wurden. Es war ein reiner Ausverkauf.
Ohne viel Aufhebens verloren im Verlauf des Sommers Freddie Mac und Fannie Mae, die beiden öffentlich notierten Unternehmen und verantwortlich für 80% der Hypotheken, fast 90% ihres Jahreswertes. Zusammen waren sie verantwortlich für die Hälfte der ausstehenden Kreditsummen. Nun aber kamen auf jeden Dollar ihrer Kapitalrücklagen 80 Dollar Schulden.
Um ihr Weiterbestehen zu garantieren schaltete sich die Notenbank ein und übernahm Freddie Mac und Fannie Mae. Am 7. September 2008 wurden sie dem „conservatorship“ unterstellt: der gesamten übrigen Welt auch als Verstaatlichung bekannt, aber Amerikaner tun sich mit der Vorstellung jeglicher Form von staatlich geführten Branchen, die zudem noch Steuererhöhungen erfordert, schwer.
Tatsächlich gewährte die Regierung einen unbeschränkten Kredit. Bereitgestellt von der Notenbank und nicht vom amerikanischen Finanzministerium, konnte die notwendige Zustimmung im Kongress umgangen werden. Das Finanzministerium versteigerte daraufhin Schatzanweisungen, um Geld für den eigenen Bedarf der Notenbank aufzubringen. Nichtsdestotrotz würde der Steuerzahler die Rettungsaktion bezahlen müssen. Die Banker hatten das System durch Sicherungsgeschäfte und Derivatspekulationen um dutzende Milliarden gebracht. Damit leiteten sie die Phase ein, in der die gegenseitige Darlehensvergabe unter den Banken eingefroren wurde, welche sich wiederum festsetzte und zusammenbrach.
Die Übernahme wurde als eine staatlich finanzierte Rettungsaktion mit einer willkürlichen Summe von 700 Milliarden Dollar dargestellt, die nicht im Geringsten zur Lösung des Problems beiträgt. Es wurden keine Wirtschaftswissenschaftler gebeten, ihre Sichtweise der Dinge vor dem Kongress vorzutragen, und die Leihgabe erhält damit nur den Mythos aufrecht, dass das Bankensystem nicht wirklich am Boden liegt.
Tatsächlich werden sich die Verluste nicht auf 700 Milliarden Dollar, sondern eher auf 5 Billionen Dollar belaufen, nämlich den Wert der Hypotheken von Freddie Mac und Fannie Mae. Es war im Wesentlichen eine Rettungsaktion der Billiarden-Dollar Derivatindustrie, auf die ansonsten Auszahlungen von über einer Billion Dollar aus verkauften CDS hypothekenfinanzierten Wertpapieren zugekommen wären. Dies sei notwendig gewesen, so Finanzminister Henry Paulson, um das Land vor einer „Immobilienbereinigung“ zu schützen. Er fügte jedoch hinzu, dass die vom Steuerzahler finanzierte Übernahme nicht andere Banken vor einem Zusammenbruch und einem daraus resultierenden Börsenkrach schützen würde.
Mit anderen Worten hat Paulson den Kongress erpresst, um einen Coup der Bankenelite durchzuführen. Unter dem falschen Deckmantel notwendiger Gesetze sollte der Deich vor der Überflutung geschützt werden. Wie schon ein Jahrhundert vorher verschob es jedoch lediglich den Reichtum von einer Klasse zur nächsten. Just als Paulson diese Worte gesprochen hatte, implodierten andere Finanzinstitute, und mit ihnen kam die Auflösung des globalen Finanzsystems – nach dem Beispiel des viel gepriesenen amerikanischen Bankensystems.
Im September kaufte dann die Notenbank mit ihrem gesicherten Kreditrahmen das weltgrößte Versicherungsunternehmen, AIG, für die Summe von 85 Milliarden Dollar für 80% ihrer Anteile. AIG war der größte Vertreiber von CDS, aber da es nun in der Position war auszukehren – von Schuldensicherheiten, die es nicht besaß – taumelte es am Rande des Bankrotts.
Im Oktober meldete Island Bankrott an, nachdem es wertlose amerikanische Subprime-Hypotheken als Kapitalanlagen gekauft hatte. Die europäischen Banken fingen an zusammenzubrechen, weil sie alle zeitgleich Geld aus ihren aufgeblähten amerikanischen Aktien schlagen wollten, um die Schulden ihrer niedrigen Zinsraten abzubezahlen, bevor diese sich erhöhten. Schon ein Jahr vorher waren die Zeichen augenscheinlich gewesen, als der größte amerikanische Hypothekengeber Countrywide zusammenbrach. Kurz danach ging der größte Kreditgeber Großbritanniens, Northern Rock, unter – nachdem London über Jahre hinweg die Wall Street mit ihrer kreativen Kapitalbeschaffung imitiert hatte. Japans und Koreas Autoindustrie machte einen Sturzflug von 37%, die Weltwirtschaft zieht sich zusammen. Pakistan ist auch kurz vor dem Zusammenbruch, mit realen Rücklagen von 3 Milliarden Dollar – gerade genug um Essen und Öl für einen Monat zu kaufen – und versucht, die Zahlungen für die von Saudi-Arabien gelieferten 100 000 Barrel Öl pro Tag auszusetzen. Unter Präsident Musharraf, der sein Amt gerade zum rechten Zeitpunkt abgelegt hat, hat Pakistans Währung 25% ihres Wertes verloren und die Inflation wütet bei 25%.
In der Zwischenzeit schnellten die Energiepreise empor und der Ölpreis erreichte seinen Höhepunkt mit fast 150 Dollar pro Barrel im Sommer. Die Kosten wurden direkt an die schon abgebrannten Hausbesitzer weitergegeben, mit der Anhebung der Heiz-, Öl-, Transport- und Herstellungskosten. Doch 30% der Kosten für ein Barrel Öl basierten auf Spekulationen der Wall Street und stiegen durch den spekulativen Angstfaktor auf 60% im Verlauf des Sommers. Als die Finanzkrise erste Anzeichen zeigte, rutschte der Ölpreis in den Keller. Von einem Höchststand von 147 Dollar im Juni wurde er auf 61 Dollar beschnitten, was beweist, dass der Spekulationsfaktor von 60% sehr viel präziser war. Dieser plötzliche Abfall zeigte deutlich, wie wenig Kontrolle die OPEC über die in die Höhe schießenden Preise in den letzten Jahren hatte, die voll und ganz auf den alleinigen Schultern von Saudi-Arabien lagen. Als die OPEC im September versuchte, die hohen Preise durch Zurückfahren der Produktion zu halten, stimmte Saudi-Arabien auf Kosten seiner eigenen Einkünfte dagegen.
Daraufhin entschied sich Europa, dass es nicht weiter durch amerikanische Ausschweifung ruiniert werden würde. Das ‚alte Europa’ hatte wahrscheinlich genug, ständig Vorschriften von den USA zu bekommen und weigerte sich, Kompromisse bei Krediten einzugehen, die ihren eigenen zerrütteten Nationen nach dem Zweiten Weltkrieg gewährt worden waren. Am 13. Oktober einigten sich die einst gespalteten europäischen Länder einstimmig auf einen Notfallplan von 2,3 Billionen Dollar. Dies war dreimal so viel wie das amerikanische Paket – für eine Katastrophe, die allein von den USA ausgegangen war.
Mitte Oktober hatten der Dow Jones, der NASDAQ und der S&P 500 all ihre Gewinne, die sie in den letzten zehn Jahren gemacht hatten, ausgelöscht. Greenspans Pyramidenmodell, aus nichts Geld zu machen, führte zu massiver Überschuldung, aufgeblähten Immobilienpreisen und unglaublichen Bestandsbewertungen, was dadurch erreicht wurde, dass die Investoren nie alle zur selben Zeit ihr Geld vom Markt zogen. Doch nun brach der Markt in einem halsbrecherischen Tempo zusammen und eine Lösung war nicht in Sicht. Präsident Bush ließ verlauten, dass sich niemand Sorgen zu machen bräuchte, da „Amerika das beliebteste Ziel für Investoren aus aller Welt sei“.
Diejenigen, die es am meisten trifft, sind genau jene Menschen, die dem Land nach dem Zweiten Weltkrieg zum Aufschwung verholfen und ihre Pensionen für das jetzt beginnende Rentenalter gespart haben. Sie haben das Land in den Jahren der Kriegsproduktion mit aufgebaut, stellten seine Waffen und Gewehre für den globalen Konflikt her. Während des Kalten Krieges war die UdSSR der stets präsente Feind, und so wurde der militärisch-industrielle Komplex immer weiter ausgebaut. Die USA profitieren nur in Zeiten des Krieges.
Russland wird ein erneutes Aufrüsten von ballistischen Raketen nach Art des Kalten Krieges nicht tolerieren. Und der Nahe Osten wurde Zeuge, wie sein historischer Verbündeter zu seinem schlimmsten Alptraum wurde, sei es militärisch oder wirtschaftlich. Diese Länder werden in Zukunft den Dollar nicht mehr als Weltwährung anerkennen. Die Weltwirtschaft wird nicht länger von den USA kontrolliert werden und die USA stehen nun in der Schuld der restlichen Welt. Sie werden in Zukunft nicht mehr in der Lage sein, von ihrem größten Öllieferanten im Nahen Osten eine Offenlegung seiner Konten zu fordern, um Korruption und terroristischen Verbindung transparenter zu machen und um Konsequenzen auszuschließen – die größte Straftat in der Geschichte krimineller Korruption wurde gerade von den USA begangen.
Es war die beste Betrügerei am Platze: große Risikosummen zu verkaufen und dafür gut bezahlt zu werden, zu versagen, und dann den Staat das Problem auf Kosten des Steuerzahlers lösen zu lassen, des Steuerzahlers, der sowieso selbst nie einen Cent des gemeinsamen Wohlstands zu sehen bekommen hat.
Es gibt keine einfache Lösung in dieser Krise, ihre Auswirkungen vermehren sich wie eine ansteckende Krankheit.
Ironischerweise sind die islamischen Banken am wenigsten von der Krise betroffen.
Sie sind weitestgehend immun gegen den Zusammenbruch, weil das islamische Bankwesen die Anhäufung von Reichtum durch Glückspiele (oder Alkohol, Tabak, Pornographie und Aktien von Waffenunternehmen) verbietet. Es verbietet auch den Kauf und Verkauf von Schulden und Zinswucher. Des Weiteren untersagt das Scharia-Bankengesetz Investitionen in jegliche Unternehmen, deren Verschuldung 30% überschreitet.
„Islamische Bankinstitutionen sind nicht per se zusammengebrochen, denn sie handeln mit Sachanlagen und berechnen die Risiken“, erklärt Dr. Mohammed Ramady, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der King Fahd Universität für Petroleum und Minerale. „Obwohl der islamische Bankensektor auch Teil der Weltwirtschaft ist, sind die Auswirkungen der direkten Gefährdung durch Subprime-Anlageninvestitionen eher gering“, führt er weiter aus. „Der Liquiditätsrückgang hat im Besonderen Dubai getroffen, das viele internationale Anleihen tätigt. Die größte negative Auswirkung ist der Vertrauensverlust in regionale Aktienmärkte“. Stattdessen, so Dr. Ramady, überdenken jetzt die großen arabischen Ölnationen ihre „Auslandsinvestitionen in Finanzaktiva“ und treiben dafür ihre eigenen innerstaatlichen Projekte voran.
Vor acht Jahren, im Mai 2000, gab der saudisch-islamische Banker Seine Hoheit Dr. Nayef bin Fawaaz ibn Sha’alan öffentlich eine Reihe von wirtschaftlichen Vorträgen in den Golfstaaten. Seine Recherchen zeigten, dass zu der Zeit arabische Investitionen in den USA – in Höhe von 1,5 Billionen Dollar – auf wirksame Weise festgesetzt wurden und er empfahl, sie zurückzuziehen und in Sachvermögen auf arabischen und islamischen Märkten neu zu investieren. „Jedoch nicht in Aktien, da der Aktienmarkt aus der Ferne manipuliert werden könnte, wie wir es in den letzten Jahren auf dem arabischen Markt gesehen haben, wo Billionen an Dollar sich in Luft aufgelöst haben.“
Er sprach auch die Warnung aus, dass das amerikanische Wirtschaftssystem durch seine angehäuften Schulden, das ständig steigende Defizit und die Zinsen für diese Schulden, ohne Zweifel am Rande des Zusammenbruchs stände. „Wenn die Schulden und Defizite eingefordert werden, werden einfach neue Schatzanweisungen ausgestellt, um die ausstehenden alten Anleihen zu decken, zusammen mit ihren Zinsen und dem neuen Defizit “ Der Kreislauf könne nicht gestoppt oder die Schulden getilgt werden, weil die USA dann nicht mehr in der Lage seien, Anleihen zu tätigen. Die Folge einer Auflösung dieses Kreislaufs wäre der vollständige Zusammenbruch ihres Wirtschaftssystems im Gegensatz zum teilweisen, wenn auch massiven, Absturz von 2008.
„Das islamischen Bankwesen“, so Dr. Al-Sha’alan, „sichert immer den Besitz des Einzelnen, indem es Eigennutz und Gier einen Riegel vorschiebt. Es verkörpert das Beste des Kapitalismus und des Sozialismus, indem es die negativen Auswirkungen aus beiden herausfiltert.“ Beide Systeme seien unvermeidlich dem Untergang geweiht gewesen. Dazu kommt, dass Europa und Japan nicht mehr von den USA zur Rechenschaft gezogen werden würden bzw. ihnen zu Dank verpflichtet seien für den Schutz vor den Sowjets.
„Der wesentliche Unterschied zwischen dem islamischen Wirtschaftssystem und dem kapitalistischen System liegt darin“, so Dr. Al-Sha’alan weiter, „dass im Islam Reichtum und Besitz Gott gehören – der einzelne Mensch ist nur der Manager. Geld ist nur ein Mittel, nicht der Zweck. Im Kapitalismus ist dies anders: Geld gehört dem Einzelnen und ist absoluter Selbstzweck. Besonders in den USA wird Geld verehrt wie Gott.“
Kurz gesagt ist der Zusammenbruch des gesamten Weltwirtschaftssystems das Ergebnis der finanzpolitischen Arroganz, mit der die USA für sich andere Spielregeln beanspruchen als sie dem Rest der Welt zubilligen. Ihre zunehmend kreativere Kapitalbeschaffung täuschte ihre Bevölkerung und gaukelte ihr ein falsches Sicherheitsgefühl vor, und nun sieht es danach aus, als stände der Kapitalismus vor seinem Ende.
Die Praxis der gewaltsamen Demokratisierung von arabisch-muslimischen Nationen hat die USA beinahe in den Bankrott getrieben. Der Kalte Krieg ist vorbei und die USA haben nichts mehr zu bieten: kein Export, keine Produktion, wenige Bodenschätze und keinen wirtschaftlichen Dienstleistungsbereich.
Genau jene Märkte, die sich der amerikanischen Wirtschaftspolitik am meisten widersetzt haben, indem sie ausländische Direktinvestitionen in die USA gedrosselt haben, werden gestärkt aus dieser Krise hervorgehen und am Ende oben stehen.
Aber bevor das passiert, werden sie einen sehr hohen Preis zu zahlen haben.
--
Tanya Cariina Hsu ist Politikwissenschaftlerin und politische Analystin mit dem Schwerpunkt auf saudisch-amerikanische Beziehungen. Die gebürtige Londonerin zog 2005 nach Riad, Saudi-Arabien, und schreibt zur Zeit ein Buch über die amerikanische Politik in Saudi- Arabien.
Sie ist eine der Unterzeichner/innen der kürzlich veröffentlichten schriftlichen Stellungnahme von FOCA (Friends of Charities Association) zum Königreich Saudi-Arabien in einer Anhörung des Rechtsausschusses im Senat des amerikanischen Kongresses in Washington D.C. Ihre Untersuchung wurde in den USA, Europa und im Nahen Osten veröffentlicht und von Kritikern gefeiert.
Sie war die erste, die 2004 beim Symposium „A Clean Break“ in Washington D.C. in ihrer Funktion als Forscherin und Direktorin für Entwicklung des „Institute for Research: Middle East Policy“ (IRmep) den Bann gegen die öffentliche Diskussion des israelischen Einflusses auf Entscheidungsprozesse in der amerikanischen Außenpolitik gebrochen hat. Tanya Cariina Hsu arbeitet heute als internationaler Fellow für das Institut.
Dieser Artikel erschien auf Englisch unter dem Titel „Death of the American Empire“ in Global Research, am 23. Oktober 2008
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen