Sonntag, 25. Januar 2009

Da hammers doch!


BND-Untersuchungsausschuss

Geheimgefängnis in Mannheim, Staatsanwalt schaut zu

Im BND-Untersuchungsausschuss wurde vor kurzem der Vorwurf untersucht, dass in einem amerikanischen Geheimgefängnis in Mannheim Gefangene menschenunwürdig behandelt wurden. Wie nun bekannt wurde, machten sich wahrscheinlich auch Vertreter deutscher Behörden an den Geschehnissen mitschuldig.

Nach seiner Vernehmung in der vergangenen Woche werden schwere Vorwürfe gegen Bundesanwalt Wolf-Dieter Dietrich, Vertreter der obersten Strafverfolgungsbehörde der Republik, laut, er sei entsprechenden Vorwürfen nicht nachgegangen und habe damit versäumt, sich angemessen für rechtsstaatliche Werte einzusetzen.


Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung (SZ) waren entsprechende Vorwürfe dem Bundeskriminalamt (BKA) bereits seit dem Jahr 2006 bekannt. Damals erstattete der Brite Peter Wright bei der Mannheimer Polizei Strafanzeige und berichtete, ein US-Soldat namens John Pierce hätte ihm berichtet, in der US-Kaserne Coleman Barracks "seien monatelang drei arabisch sprechende Männer als mutmaßliche Terroristen gefangen gehalten worden."

Pierce berichtete angeblich auch von Misshandlungen Gefangener, die in ihrer Natur an Berichte aus dem US-Gefangenenlager Guantanamo Bay auf Kuba erinnern. So seien Gefangene mit Elektroschocks an den Genitalien gefoltert und tagelang an ihre Pritschen gefesselt worden.

Mit diesen Berichten decken sich auch zeitgleich bei der Polizei eingegangene Schilderungen, ein Anwohner Mannheims habe bereits im Jahr 2003 "in den Coleman Barracks drei Gefangene in orangefarbenen Overalls gesehen", die "menschenunwürdig behandelt worden seien." Die geschilderten orangefarbenen Overalls sind seit Jahren als Gefangenen-Kleidung aus Guantanamo bekannt und werden von vielen Menschen mit den dortigen Praktiken und den systematischen Menschenrechtsverletzungen an den Gefangenen assoziiert. Ähnliches widerfuhr nach Angaben des besagten mittlerweile 72-jährigen Mannheimers auch den Gefangenen in den Coleman Barracks. Sie seien mit Ketten gefesselt und schwer bewacht über den Kasernenhof geführt worden; nach Angaben des Rentners ein "entwürdigendes Schauspiel", das ihn "sehr erbost" habe. Nach Angaben der SZ wirkte der Mann glaubwürdig; er "trat keineswegs als Anti-Amerikaner auf". Auch an seinem Geisteszustand und Erinnerungsvermögen bestehen offenbar keine begründeten Zweifel.

Nachdem das BKA in dem Fall zu ermitteln begann, wurde Bundesanwalt Dietrich zum Verantwortlichen für das Verfahren - und beschloss im Herbst 2006, es bestehe kein Grund für weitere Ermittlungen. Die von den Zeugen beobachteten Vorgänge bagatellisierte er bei seiner Anhörung. So soll er unter anderem gesagt haben: "Die Frankfurter Müllabfuhr trägt auch orangefarbene Overalls." Auf Befragungen von in den Coleman Barracks stationierten Soldaten verzichtete er ebenso wie auf eine Besichtigung der dortigen Örtlichkeiten.

Auch die Glaubwürdigkeit des Zeugen Wright versuchte Dietrich offenbar in Zweifel zu ziehen. Die SZ berichtet über seine diesbezüglichen Äußerungen: "Dem Zeugen Wright sprach Dietrich die Glaubwürdigkeit ab, weil er gern "im Schottenrock und mit Dudelsack" gegen die USA demonstrierte. Das war selbst dem SPD-Abgeordneten Michael Hartmann zu viel, der sonst als Verteidiger der USA und ihrer Helfer agiert: "Das macht den Mann ja noch nicht unglaubwürdig", stellte er fest."

Auch andere Politiker hatten offenbar nicht mit so viel Kaltschnäuzigkeit vonseiten eines Mannes, der eigentlich auf der Seite rechtsstaatlicher Werte stehen sollte, gerechnet: "Hellmut Königshaus (FDP) und Hans-Christian Ströbele (Grüne) wiederum konnten es nicht fassen, wie schnell sich ein deutscher Staatsanwalt mit der Unschuldsbeteuerung eines Verdächtigen zufrieden gab", heißt es. Nun bleibt abzuwarten, welche Folgen Dietrichs Verhalten haben wird und ob sich die Verdachtsmomente bezüglich eines Geheimgefängnisses in Mannheim erhärten.

Zitat Gulli:

Wer glaubt, er habe im Bezug auf Menschenrechtsverletzungen im von den USA ausgerufenen und von ihren Verbündeten nur allzu kritiklos unterstützten "Kampf gegen den Terror" schon alles gesehen und gehört, kann offenbar noch immer eines Besseren belehrt werden. Eine weitere Dimension derartiger Verbrechen findet sich auch acht Jahre nach den Anschlägen noch immer wieder, und möglicherweise ist auch Deutschland nicht immer so unschuldig an diesen Vorgängen, wie wir vielleicht alle gerne glauben würden. Die Anschuldigungen, es habe auf deutschem Boden derartige Geheimgefängnisse gegeben, sind schlimm genug - weit schlimmer aber werden sie dadurch, dass es offenbar die Chance, ja, die Pflicht gegeben hätte, etwas gegen diese Vorgänge zu unternehmen - und absolut nichts geschah.

Um es mit Erich Kästner zu sagen: "An jedem Unfug, der passiert, sind nicht nur die Schuld, die ihn begehen, sondern auch die, die ihn nicht verhindern." Leider handelt es sich hier, falls die Anschuldigungen den Tatsachen entsprechen sollten, nicht um harmlosen Unfug, sondern um Menschenrechtsverletzungen einer Kategorie, die im 21. Jahrhundert keinen Platz mehr haben sollten. Umso wichtiger wäre es, derartige Vorfälle wenigstens kompromisslos zu untersuchen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.

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