Die wahren Ursachen der Finanzkrise
Freitag, 23. Januar 2009
Die Medien lenken in der aktuellen Finanzkrise das Augenmerk auf die Gier der Banker und die Gier der amerikanischen Kreditnehmer, auf Unmengen fauler Kredite und auf Unmengen von Credit Default Swaps und anderen Derivaten. Doch dies ist nur die halbe Wahrheit.
Kurzbeschreibung der aktuellen Finanzkrise - Von Alexander Czerny
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Welche Bombe in den letzten Jahren auf der Passivseite der Bilanzen des Bankensystems herangereift ist, wird aus guten Gruenden nur allzugern verschwiegen – und durchweg uebersehen. Die Krisenursache aber ist genau hier verborgen! Ein kurzer, lohnenswerter Ausflug ins Banking:
Jede Bank bilanziert Soll und Haben auf 2 Seiten: der Aktivseite und der Passivseite.
Zu den Grundregeln gehoert, dass die Bilanzsumme der Aktiva identisch sein muss mit der Bilanzsumme der Passiva.
Ein vereinfachtes Modell:
Aktivseite
1. Forderungen an Kunden (Kredite)
2. Aktien und Beteiligungen
3. Barreserve
4. Schuldverschreibungen
5. Forderungen an Kreditinstitute
6. Sonstige Aktiva
____________________________________
(Bilanzsumme)
Passivseite
1. Verbindlichkeiten ggü. Sparern
2. Eigenkapital
3. Verbindlichkeiten ggü. Kreditinstituten
4. Verbriefte Verbindlichkeiten
5. Sonstige Verbindlichkeiten
____________________________________
(Bilanzsumme)
Vereinfacht kann man die Bilanz wie folgt ausdruecken:
Aus Sicht der Banken:
Bankenaktiva = Forderungen (vergebene Kredite) und Wertpapiere,
Bankenpassiva = Verbindlichkeiten (aufgenommene Kredite = Guthaben von Sparern)
Oder aus der Perspektive der Nichtbanken:
Bankenaktiva = aufgenommene Kredite (Schulden) und Wertpapiere
Bankenpassiva = Sichtguthaben und Geldvermoegen
Waehrend der Mainstream der Krisenanalytiker sich einseitig auf die Aktivseite des Bankensystems, die faulen Kredite, die fallenden Aktienwerte und den Derivateschwindel konzentriert, lohnt es sich, einen Blick auf die Passivseite der Banken zu werfen. Die allzugern vertuschte Wahrheit und die Verursacher der Finanzkrise finden wir naemlich hier: sich immer schneller aufblaehende, exponentiell wachsende Passiva, sprich: explodierende Geldvermoegen.
Inwieweit diese Passiva fuer jede einzelne Bank, den nationale Bankensystemen wie auch dem globalen Finanzsystem zum Problem geworden sind, offenbart sich, wenn wir einen tieferen Blick in die kapitalistische Finanzarchitektur werfen.
Sehen wir uns zunaechst die Entwicklung der Bankenpassiva in Deutschland an:
Und hier ein Blick auf die USA:
Quelle: Federal Reserve
Beide Wachstumsmuster der Passiva stehen stellvertretend fuer alle Banken in allen kapitalistischen Staaten. So findet man dasselbe Muster in der gesamten Eurozone, allen OECD-Staaten usw.
Schauen wir uns das Wachstum der Geldvermoegen in Deutschland genauer an:
Wir sehen, dass sich alle 7 bis 8 Jahre die Geldvermoegen verdoppeln. Es vergingen gut 37 Jahre nach der Waehrungsreform 1948, bis die erste Billion (in Euro ausgedrueckt) angewachsen war. Die zweite Billion war nach nur weiteren 8 Jahren erreicht, die Dritte nach weiteren 6 Jahren usw.
(Ab 2000 verlangsamte sich das Wachstum der Bankenpassiva in Deutschland drastisch, als die privaten Grossbanken unter Fuehrung der Deutschen Bank im Jahr 2000 eine Deflationsoffensive starteten und dem deutschen Binnenmarkt den Geldhahn zudrehten, um die von den Corporations geforderte neoliberale Umstrukturierung Deutschlands im Akkord mit Agenda 2010 und den Hartz-Gesetzen zu unterstuetzen. Dies wurde bis heute von den deutschen Linken nicht einmal ansatzweise diskutiert; die Deflationsstrategie seitens der deutschen Grossbanken blieb bis heute unerkannt. Da wir das in diesem Referat nicht weiter ausfuehren koennen, empfehle ich mit Nachdruck – trotz aller sonstigen Bescheidenheit – die Lektuere meiner Analysen unter --->egon-w-kreutzer.de)
In den USA verlaeuft das Wachstum recht aehnlich. Geldvermoegen verdoppeln sich hier etwa alle 7-11 Jahre. Nachdem die erste Billion 1977 nach einigen hundert Jahren Wachstum erreicht war, schaffte es die zweite Billion bereits 1984, nach nur 7 Jahren. Nach weiteren sechseinhalb Jahren waren dann 3 Billionen erreicht, nach weiteren sechs Jahren 4 Billionen (1997). Jede weitere Billion waechst in immer kuerzeren Zeitraeumen:
5 Billionen nach nur 2 Jahren und 11 Monaten,
6 Billionen nach nur 2 Jahren und 8 Monaten,
7 Billionen nach nur 1 Jahr und 10 Monaten,
8 Billionen nach nur 1 Jahr und 8 Monaten,
9 Billionen nach nur 1 Jahr und 4 Monaten,
10 Billionen nach nur 1 Jahr und 3 Monaten
11 Billionen nach nur 4 Monaten (Dezember 2008)!!
Auch in den USA explodieren foermlich die Geldvermoegen. Es sind wohlgemerkt GELDVERMOEGEN, nicht etwa Aktienvermoegen oder andere Sachwerte, sondern ganz traditionelle Spareinlagen. Gemaess der bekannten Reichtumsverteilung handelt es sich hier ueberwiegend um das Geldvermoegen der Reichen und Superreichen, der Corporations inklusive der Banken selbst, der Kriegsprofiteure und der Medienbosse. Entgegen des allgemeinen Eindrucks sparen die Superreichen nicht in den riskanten spekulativen Maerkten, sondern ganz traditionell in Form von Sparguthaben (und ein paar Staatsanleihen und Gold). Wertpapierbesitz und -handel (auch Derivate) dienen ihnen lediglich zum Zocken und bescheren gelegentlich Riesenprofite oder Verluste. Gespart wird hingegen sehr konservativ.
Wir sehen also eine exponentielle Wachstumssteigerung der Geldvermoegen. Die Frage lautet: Wohin geht die Reise? Eine Billion in nur 4 Monaten hatten wir gerade. Ist die naechste in nur 8 Wochen angehaeuft? Alle weiteren Billionen in nur 5 Wochen, 2 Wochen, 10 Tage, 4 Tage, 2Tage .... 12 Stunden?
Dieses dramatische exponentielle Wachstum der Geldvermoegen resultiert nicht nur aus steigenden Konzerngewinnen (in Deutschland die Exportgiganten, in den USA der militaerisch-industrielle Komplex). Dieses explosionsartige Wachstum ist nichts anderes als ganz normales Zinseszinswachstum. Die Formel, mit der Banker Vermoegen und Schulden wachsen lassen, lautet:
Jeder kann sich mit einem Taschenrechner ausrechnen, wie sich eine verzinste Geldanlage ueber einen gewissen Zeitraum hin entwickelt. Immer erfolgt das Wachstum zuerst recht langsam, beschleunigt sich dann aber zusehends, und gegen Ende erfolgt eine regelrechte Explosion der Bestaende. Wir sollten uns auch nicht davon taeuschen lassen, dass wir auf unserem Sparkonto nur mickrige Zinsen erhalten. Den Grosskunden, die wesentlich groessere Summen zur Bank tragen, werden in der Regel viel hoehere Zinssaetze geboten, als dem normalen Durchschnittskunden.
Wir jedenfalls erahnen, dass dieses exponentielle Wachstum der Bankenpassiva zu einem Kollaps fuehren muss.Vermutlich haben wir gerade die ersten Anzeichen des drohenden Kollapses im Herbst 2008 gesehen. Doch wie laesst sich die aktuelle Finanzkrise praeziser erklaeren? Was passiert im Detail? Warum brechen die Banken wegen der Geldvermoegen zusammen? Klingt das nicht widersinnig?
Die Geldvermoegen auf der Passivseite der Bankbilanz sind Fluch und Segen zugleich.
Aus Sicht der Banken besteht der Segen umfangreicher Verbindlichkeiten auf der Passivseite darin, entsprechend viel Kredite vergeben zu koennen. Die Kreditvergabe ist das Kernstueck des Bankgeschaeftes (bedeutsamer als der Wertpapierhandel und –besitz), da aus der Kreditvergabe die Zinsen generiert werden, die die Bankgewinne und deren Kundeneinlagen wachsen lassen. Im Durchschnitt behaelt die Bank 20% der erwirtschafteten Kreditzinsen als Profit fuer sich und bucht die restlichen Aktivzinsen, also 80%, auf die Guthaben ihrer Passivseite. Und: Je staerker die Passiva wachsen, desto staerker kann die Kreditvergabe ausgeweitet werden – womit die Zinsgewinne deutlich gesteigert werden koennen. Soweit scheint das Spiel im kapitalistischen Finanzsystem, dem Kreditgeldsystem, blendend funktioniert zu haben.
Die Kehrseite der Medaille wird erst jetzt, nach laengerem Bestehen dieses Kreditgeldsystems, fuer alle sichtbar. Der Pferdefuss exponentiell wachsender Geldvermoegen: Die Banken muessen in exponentiell wachsendem Umfang die Zinszahlungen auf deren Passiva, die Geldvermoegen, leisten und sicherstellen. Wie wir gesehen haben, explodieren jedoch im Endstadium die Passiva foermlich. Was bedeutet das fuer die Bank?
Zunaechst einmal ist es ein rein bilanzielles Problem. Wir hatten eingangs erwaehnt:
„ Zu den Grundregeln gehoert, dass die Bilanzsumme der Aktiva identisch sein muss mit der Bilanzsumme der Passiva.“
Passiva=Aktiva
Um saubere Bankbilanzen vorweisen zu koennen und die Zinsbuchungen auf die Geldvermoegen vornehmen zu koennen, sind die Banken bei exponentiell wachsenden Passiva regelrecht gezwungen, in gleichem Masse ihre Aktiva auszuweiten – und das eben exponentiell. (Wir bringen gleich die Derivate, die finanziellen Massenvernichtungswaffen ins Spiel.)
Bildlich kann man sich das wie folgt vorstellen, hier das Beispiel aus den USA:
Die Banken sind gezwungen, ihre Aktivabestaende in gleichem Umfang auszuweiten, wie ihre Passiva, ihre Verbindlichkeiten, wachsen. Angenommen, die gesamten Geldvermoegen auf der Passivseite belaufen sich im Jahr 2000 auf 5 Billionen US-Dollar und werden im Durchschnitt mit 4% verzinst. Dann bedeutet das, dass die Banken insgesamt 200 Mrd. Dollar Zinsen in 2000 erwirtschaften mussten. Eine gewaltige Summe! Doch in 2008 waren das bereits 400 Mrd. Dollar, weil sich die Geldvermoegen verdoppelt haben. Verstehst du, wo das Problem ist? Die Banken muessen auf Biegen und Brechen ihre Aktiva ausweiten, um die Zinszahlungen zu bewerkstelligen.
Aktiva, das sind vorwiegend Kredite und Wertpapiere. Steigen die Aktienkurse rasant und gelingt es, die Kreditvergabe auszuweiten, gibt es kein Problem mit den Bankbilanzen. Was aber, wenn die Boersenkurse stagnieren oder gar einbrechen?
Schauen wir uns daher die zweite Moeglichkeit, die Kreditvergabe, genauer an. Hier werden die Zinsen generiert, die die Banken auf die Geldvermoegen auf der Passivseite buchen muessen. Wer sind die Kreditnehmer? Es sind NICHT die grossen Unternehmen, die Corporations. Wenn die Geld brauchen, emittieren sie Wertpapiere. Kreditnehmer, Schuldner, das sind vorwiegend:
kleine und mittlere Unternehmen
Haeuslebauer
der Staatshaushalt
Kreditkartenbesitzer
Diese muessen sich aus Sicht der Bank auf Biegen und Brechen in exponentiellem Umfang immer weiter verschulden. Eine Teufelsspirale! Gelingt dies nicht mehr, weil alle ueberschuldet sind, brechen die Banken zusammen.
Halten wir fest: Ueber 10 Billionen Dollar Geldvermoegen bei den Commercial Banks (aufgrund der Reichtumsverteilung in wenigen Haenden und Corporations konzentriert) stehen ueber 10 Billionen Dollar Schulden gegenueber – Millionen und Abermillionen von Schuldnern, die wegen dieses kapitalistischen Systems immer weiter in die Schulden getrieben und zu Zinszahlungen erpresst werden muessen, damit das Finanzsystem nicht zusammenbricht.
Wir koennen das in einem Diagramm veranschaulichen. Die Welt, in die wir leben, sieht so aus:
Preisfrage: Wie lange noch wird das kapitalistische Finanzsystem in dieser Form bestehen, bevor es kollabiert?
Dass das System ein Verfallsdatum hat, war den Banken von Anfang an klar. In den 1990er Jahren sah man bereits das baldige Ende voraus. 1997 waren die Passiva bereits auf 4 Billionen Dollar angewachsen und die Zinszahlungen stiegen gewaltig, doch der boomende Aktienmarkt steigerte die Bewertungen der Bankenaktiva.
Als die Dotcom-Blase platzte und die Kurse ab 2000 fuer Jahre auf Talfahrt gingen, mussten die Zinsen auf Niedrigstniveau gesenkt werden, um als Ausgleich die Kreditvergabe auszuweiten. So verfielen die Banken auf die Idee, eine Immobilienblase aufzupumpen und Hypothekenbesitzer immer weiter in die Schulden zu treiben.
Kredite wurden den Kunden zu Sonderkonditionen foermlich hinterher geworfen – ungeachtet der Bonitaet der Schuldner – und Kreditkarten jedem aufgedraengt, auch wenn man schon 10 Kreditkarten besass und bis zum Hals in Schulden steckte (Achtung Sonderfall Deutschland, siehe oben). Und mit der Bush-Administration war eine Regierung im Sattel, die umfangreich Kredite aufnimmt, um die Welt mit Kriegen zu ueberziehen.
Die immer groesse Schuldenlast sahen die Banken bereits in den 1990er Jahren voraus. Es war klar, dass mittelfristig immer mehr Aktiva faul und nicht einbringbar werden. Daher musste vorgesorgt werden.
1997 wurden die Credit Default Swaps (CDS) erfunden. Kreiert hat sie ein Team, dass fuer JPMorgan Chase arbeitete. Sie wurden designt, um das Risiko von Kreditausfaellen zu minimieren und an Dritte zu verlagern, mit dem Ziel, die Kreditvergabe hemmungslos ausweiten zu koennen. Im Grunde fand man mit CDS eine Hintertuer und nutzte eine Gesetzesluecke, um nicht gegen bestehende Banking-Regeln verstossen zu muessen.
Ein CDS ist ein Swap-Kontrakt, in welchem der Kaeufer des CDS dem Verkaeufer, der Bank, regelmaessige Zahlungen leistet und als Gegenleistung von ihr eine Auszahlung erhaelt, falls der hinter dem CDS stehende Kredit platzt. Hierbei ist es noch nicht einmal notwendig, dass der Kaeufer den hinter dem CDS stehenden Kredit erwirbt.
Kernpunkt ist die Spekulation auf Kreditausfaelle. Angenommen, ein Kaeufer erwirbt von einer Bank ein CDS, dem ein Kredit der Firma X unterlegt ist. Der Kaeufer leistet nun regelmaessige Zahlungen an die Bank (z.B. jaehrlich 0,5% des Nennbetrages des unterlegten Kredites), und wenn die Firma X den Schuldendienst nicht mehr leisten kann, erhaelt der Kaeufer eine Einmalzahlung in Hoehe des Nennbetrages des Kredites von der Bank, und der Kontrakt ist beendet. (Falls der Kaeufer auch tatsaechlich die Schulden der Firma X erwirbt, kann der CDS als Hedging-Instrument betrachtet werden.)
Der Kaeufer kann jedoch, wie gesagt, CDS erwerben, ohne den Kredit der Firma X mitzukaufen. Dieser CDS-Kauf kann zu spekulativen Zwecken geschehen, um auf eine eventuelle Zahlungsunfaehigkeit der Firma X zu spekulieren – reich werden mit CDS durch Pleiten Anderer!
Als zu Weihnachten 2000 der Commodity Futures Modernization Act in Washington durch den Congress gepeitscht wurde (keiner der Abgeordneten hat sich die Muehe gemacht, das 11000-Seiten-Papier zu lesen und zu verstehen), eroeffneten sich fuer Spekulanten ungeahnte Moeglichkeiten. Passiva und Aktiva der Banken waren zu diesem Zeitpunkt auf 5 Billionen angewachsen. Jeder sah die bevorstehende Schuldenkrise kommen. Der Besitz von CDS versprach ungeahnte Gewinne.
Die Finanzmaerkte wurden richtig wild und gierig auf CDS ab 2003. Aktiva und Passiva waren nun auf ueber 6 Billionen Dollar angewachsen. Vor dem Modernization Act belief sich der Marktwert aller CDS auf 900 Mrd. Dollar. Bis Ende 2007 (Aktiva und Passiva bei fast 10 Billionen) steigerte er sich auf sagenhafte 45 Billionen!
Die spekulativen Wetten auf platzende Kredite kleiner und mittlerer Unternehmen und Haeuslebauer wuchsen ins Unermessliche. Weltweit stopften sich insbesondere Banken ihre Portfolios (Aktiva!) voll mit CDS in Erwartung sprudelnder Gewinne. Das selbst in Deutschland die kleine IKB voll war mit CDS, beweist, wie weit diese Schrottpapiere weltweit verstreut sind. Wussten die deutschen Banken zu diesem Zeitpunkt von dem Risiko? Hier hat wohl die Gier ueber den Verstand gesiegt.
Im Jahr 2006 – Passiva und Aktiva ueberschritten gerade die 8-Billionen-Marke – begann die Kreditvergabe in den USA schwierig zu werden. Der US-Binnenmarkt war nicht mehr willens, sich in erforderlichem Umfang weiter zu verschulden. 8 Billionen Dollar Schulden lasteten auf Unternehmer und Private, und der Hypothekenmarkt begann zu stagnieren – Alarm!
Die US-Bürger sind bereits hochgradig überschuldet - und diejenigen, die dabei reich geworden sind, sehen keinen Sinn mehr darin, sich für neue Projekte zu verschulden. Schließlich wird es immer schwieriger, neue Märkte zu erschließen und dabei Gewinne zu machen, wenn hinten und vorne kein Geld - und damit keine Kaufkraft - mehr im Markt ist.
In 2007 schliesslich platzte die Hypothekenblase. Zwar wechselten mit dem Zusammenbruch der Schuldner zigtausende Haeuser ihren Besitzer (die Banken eigneten sich somit zahllose Sachwerte an), doch der Preisverfall ist so dramatisch, dass anstelle von Assets auf der Aktivseite der amerikanischen Banken nun riesige Loecher klaffen.
Das Problem: Die Bank hat riesige Zahlungsverpflichtungen in ihren Passiva. Geldvermoegen auf der Passivseite sind ja nichts anderes als Schulden der Bank, fuer die sie Zinsen zahlen muss. Platzen die Assets auf der Aktivseite, wird nicht nur die Bilanz schief, da Aktiva immer gleich gross wie Passiva sein muessen.
Vor allem aber kann die Bank keine Guthabenzinsen mehr zahlen und damit ihren Zahlungsverpflichtungen gegenueber ihren Anlegern nachkommen – das Spiel ist aus, game over, die Bank ist Pleite. Und je groesser die Bank - genauer: je groesser die Bilanzsumme der Bank – ist, umso groesser ist das Risiko des Zusammenbruchs. (Die Deutsche Bank hat uebrigens eine Bilanzsumme von ueber 2 Billionen Euro – so hoch wie das gesamte deutsche Bruttoinlandsprodukt!)
Bricht die Bank zusammen, platzt die Bombe, verrichten die finanziellen Massenvernichtungswaffen ihr Werk: Die Bank, als Emittent zahlloser CDS, kann den Kaeufern ihrer kreierten CDS kein Geld mehr ueberweisen. Diese Kaeufer jedoch waren ueberwiegend andere Banken, die darauf wetteten, dass die CDS in ihren Portfolios auf der Aktivseite einen Wert darstellen.
Die Banken haben nichts, ausser den uneinbringlichen Forderungen. Und um sich zu retten, müssten sie diese uneinbringlichen Forderungen verbriefen (also Wertpapiere herausgeben) und diese verkaufen. Nur - das gelingt nicht. Wer kauft schon Forderungen, wenn klar ist, dass sowohl die Schuldner, wie auch die Verkäufer der Forderungen praktisch zahlungsunfähig sind?
Nun stellen weltweit die Banken fest, dass ihre CDS, ein Grossteil ihrer Aktiva, im Grunde wertlos sind – womit sie ploetzlich ebenso in Schieflage geraten, wie die zuvor zusammengebrochene Bank. Und da die nun betroffene Bank ebenfalls Emittent zahlloser CDS ist, entwickelt sich eine dramatische Kettenreaktion im gesamten Bankensystem, aehnlich der Zuendung einer nuklearen Bombe.
Das, was wir bisher gesehen haben, war nur ein kleines Vorgeplaenkel.
Das richtig grosse Beben in den Finanzmaerkten kommt erst noch. Zumindest in den USA ist man sich sicher, dass ein Run auf die Banken bevorsteht, alle Staaten der Welt sich von ihren Dollarreserven trennen (die dann in die amerikanische Binnenwirtschaft fluten) und eine Flucht der Hochfinanz in die Sachwerte einsetzt.
Die Politiker haben sich vor Kurzem weltweit darauf geeinigt, die Loecher in den Aktiva der Banken mit Cash zu stopfen. Bis zur kommenden Hyperinflation ist Bargeld momentan die einzige Loesung, die Bilanzen der Banken wieder auszugleichen, doch die bisherigen Milliarden sind angesichts der astronomischen Loecher erst ein Tropfen auf dem heissen Stein. Weltweit laufen die Notenpressen auf Hochtouren.
Doch die Krise wird dadurch nicht gemanagt, sondern fortgeschrieben: Da die unabhaengigen Zentralbanken das Bargeld nicht verschenken, sondern gegen Zins verleihen, werden die Loecher in den Banken mit Hilfe von Staatsverschuldung gestopft. Die Verschuldung setzt sich fort. Die Schuldenkrise wird mit gigantischer Neuverschuldung nach hinten verlagert und dem Steuerzahler aufgebuerdet. Es ist das alte Spiel, wobei Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert werden.
Alexander Czerny,
Jahrgang 1974, studierte nach Abitur und Zivildienst zunächst Wirtschafts- und Politikwissenschaften und schloss dann ein Studium der neueren und neuesten Geschichte an. Seit Jahren ist er als "Ghostwriter" in der Thematik "Internationale Finanzmärkte" unter anderem auch für attac tätig. Nach einem Praktikum bei WEED*) ist er dort weiter als freier Mitarbeiter auf den Gebieten Internationale Währungsbeziehungen, Makroökonomie und Internationale Finanzmärkte tätig. *) WEED = World Economy, Ecology & Development (Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung), eine nichtstaatliche Organisation aus Deutschland, die 1990 gegründet wurde und sich seitdem für eine sozial gerechte und ökologisch zukunftsfähig gestaltete Globalisierung einsetzt.
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