Donnerstag, 22. November 2012

Islamophobie- ein Konstrukt der herrschenden Ideologie

Islamophobie- ein Konstrukt der herrschenden Ideologie PDF Drucken E-Mail



http://csplutte.files.wordpress.com/2009/05/islamophobie.jpgSeit Ende der 1980iger Jahre macht ein neues Wort in der politischen Debatte Karriere: Islamophobie. Die Tatsache, daß dieses Wort recht jung ist und zu einem Zeitpunkt auftaucht, als weltweit massive soziale und politische Veränderungen stattfinden, muß jeden Ideologiekritiker auf den Plan rufen.

Im Folgenden soll der These nachgegangen werden, daß dieses Wort ein Konstrukt der herrschenden Ideologie ist und eben aus diesem Grunde eine ideologische Funktion hat. Es soll bestimmte soziale Verhältnisse verschleiern und ist zudem Bestandteil der "Defensiv"strategie der herrschenden Ideologie, zu der bspw. die Standortlogik, die Verteidigung sog. westlicher Werte und der Kampf gegen den Terror gehören. Kurzum, die bürgerlich-kapitalistische Welt sieht sich heute allen möglichen Gefahren ausgesetzt.

Islamophobie suggeriert zunächst einmal, es ginge um Ängste vor dem Islam. Der Islam, und es wäre noch zu klären, wer oder was dieser Islam ist, sei eine ständige Gefahrenquelle für die Gesellschaft. Das Wort Phobie stammt aus der Psychologie und bezeichnet eine Angststörung (z.B. Spinnenphobie).

Unterstellt wird also, die Ursache für Ängste in einer Zeit kapitalistischer Krise, sei der Islam. Es war übrigens immer typisches Merkmal bürgerlicher Ideologie, gesellschaftliche Verhältnisse zu psychologisieren und damit das Bewußtsein für gesellschaftliche Ursachen von Unsicherheit und Perspektivlosigkeit zu verhindern. Unter dem Islam versteht man vorwiegend nicht den historischen Islam noch den Islam als Religion noch die Alltagspraktiken religiöser Menschen, sondern ein dumpfes Gebräu medialer Berichterstattung der herrschenden Klasse, die den Islam ständig als gewalttätig, menschenverachtend und frauenfeindlich darstellt.  Nun mag es in bestimmten Ländern mit muslimischer Bevölkerung Gewalt und eine Benachteiligung von Frauen geben wie z.B. in Afghanistan. Nur sieht es in vielen andern Ländern dieser Welt, die nicht muslimisch sind, auch nicht besser aus. Man denke z.B. an die Stellung der Frau in der indischen Gesellschaft, in der es auch arrangierte Ehen, rechtliche Benachteiligungen der Frauen und sogar die Witwenverbrennung gibt oder an die sich periodisch wiederholenden Massenvergewaltigungen in Afrika, die dem Sextourismus ausgelieferten Frauen in Thailand oder an den einsamen Spitzenreiter in punkto Gewalt gegen Frauen inklusive "Ehrenmorde": die katholische, spanischsprechende Welt.

Auch in den sog. Industrieländern kann von wirklicher sozialer Gleichberechtigung der Frau, von Emanzipation ganz zu schweigen, die immer nur gesellschaftlich gedacht werden kann, nicht die Rede sein. So soll nach einer kürzlich veröffentlichten Studie jede dritte Frau in Deutschland Opfer häuslicher Gewalt sein.

Schließlich kommt in der christlichen Ideologie die  Frau wohl am Schlechtesten weg, weil der Gründungsmythos des Christentums die von der Frau verursachte Erbsünde ist. Der Frau wird im Christentum die Seele abgesprochen, soweit geht bspw. der Islam nicht. Im Islam gab es weder Hexenverfolgungen noch eine Inquisition. Und die berühmt-berüchtigte Scharia, die auch während der Hochzeiten des Islam es nie wirklich zum kodifizierten Recht schaffte sowie von verschiedenen Herrscherdynastien unterschiedlich gehandhabt wurde, wird heutzutage auf Steinigung und Hände abhacken reduziert. Wie wenn der Islam nicht eben diese Strafen und erstaunlicherweise vieles bezüglich Moralvorstellungen sowie Verhaltensweisen von der Bibel übernommen hätte, wie z.B. daß sich die Frau verhüllen soll, was auch vor der Entstehung der bürgerlichen Welt gang und gäbe war.
Der Islam verstand sich dabei in seiner Entstehungszeit als bewußter Fortsetzer der jüdischen und christlichen Lehre unter Wiederherstellung des wahren Monotheismus, den Judentum und Christentum verfälscht hätten.

Kurz wer die Ursache gesellschaftlicher Probleme in einer Kultur oder Religion sucht, der widerspricht einem urmarxistischen Grundsatz, wonach die Ursache in den materiellen Lebensbedingungen der Menschen und nicht in den ideellen Reflexen einer bestimmten ökonomischen Formation zu suchen ist. Damit wären die sog. Islamophoben des Idealismus als Grundlage der Argumentation und damit als ideologische Gegenspieler des Marxismus überführt.

Nehmen wir den Faden wieder auf. Die o.g These läuft darauf hinaus, daß mit dem Wort Islamophobie eine ideologische Umkehrung der tatsächlichen Verhältnisse stattfindet, wonach der Angriff auf bestimmte gesellschaftliche Gruppen und Länder als Verteidigung verkauft wird, um sich selbst umso besser als Opfer zu inszenieren. Dabei lassen sich immer wieder Kontinuitäten zum Antisemitismus des letzten Jahrhunderts feststellen, wonach die Juden bspw. eine Gruppe gewesen seien, die nicht zu erkennen gäbe, sich in die Gesellschaft integrieren zu wollen, daß sie nicht anpassungsfähig seien und daß das Judentum mit dem Christentum nicht vereinbar sei, um diese als Gefahr für den Volkskörper darzustellen. In dieser Opferrolle gefiel und gefällt man sich gerne und pflegt dann vermeintlich entsprechende Ängste, Ängste, die weniger auf der Kenntnis des Anderen, sondern auf Unwissenheit, Desinteresse oder schlicht Feindseligkeit beruhen.

Aber geht es wirklich um Ängste ? An dieser Stelle sind erhebliche Zweifel anzumelden. Die sog. Islamophoben sind sich der politischen, wirtschaftlichen und militärischen Überlegenheit gegenüber dem Widerstand muslimischer Rebellen durchaus bewußt. Gegenüber der Diaspora der Muslime in den imperialistischen Ländern ganz zu schweigen. Und muss man erst an den ehemaligen US-amerikanischen Sicherheitsberater Brezinski erinnern, der auf die Frage, ob die Unterstützung islamischer Kräfte sich eines Tages als Boomerang erweisen könnte, lakonisch antwortete: Was sind ein paar aufgeregte Muslime gegen den Untergang der Sowjetunion ! Nichts möchte man heute bekräftigend antworten, was regt sich die Welt eigentlich so auf über ein paar aufgeregte Muslime ?

Was bildet die Grundlage für die gegenwärtig vorherrschende Islamfeindlichkeit ? Im Zuge der Einwanderung von ausländischen Arbeitskräften in die kapitalistischen Länder kamen auch Menschen mit islamischer Religion. Die Länder, die heute von der Kriegsmaschinerie der imperialistischen Länder aus wirtschaftlichen und geopolitischen Gründen unter die Botmäßigkeit von USA und EU gezwungen werden sollen, konnten vor einigen Jahrzehnten nicht so leicht überfallen werden, da dies unweigerlich eine Reaktion Moskaus nach sich gezogen hätte.
Das Schüren von antiislamischen Stimmungen erfüllt dabei eine doppelte Funktion:
Innenpolitisch soll die Arbeiterklasse im Namen der Religion gespalten und der Klassenkampf in einen Religions- oder Kulturkampf umgewandelt werden. Dies war vor einigen Jahrzehnten etwas schwieriger, weil in der Kategorie des Ost-West-Konflikts gedacht und wahrgenommen wurde.
Außenpolitisch werden die brutalen Raubzüge unter Mißachtung der elementarsten Rechte, Außerkraftsetzung der Genfer Konvention und Demütigung der unterworfenen Völker in jedweder perversen Form mit der Verteidigung der Menschenrechte gegen den Islam gerechtfertigt. Schon Marx wußte, daß die sog. Menschenrechte nur die Verwirklichung der Interessen der Kapitalistenklasse bedeuten.

Da gegenwärtig die Arbeiterklasse weder über eigene Kampforganisationen noch über Klassenbewußtsein verfügt,  fällt dies umso leichter und schlägt sich  notwendigerweise auch im ideologischen Klassenkampf nieder. Statt die materiellen Ursachen für gesellschaftliche Konflikte aufzusuchen, wird rein empirisch wahrgenommen, daß muslimische Rebellen das bürgerliche System im Spiegel ihrer Religion in Frage stellen und scheinbar irgendwelche bürgerlichen Freiheiten bedrohen, während die Arbeiterklasse als integrierter und politisch gefahrloser Bestandteil der Gesellschaft betrachtet wird, mit dem es auf der Grundlage des bürgerlichen Staates Kompromisse auszuhandeln gilt. Die Arbeiterklasse kann dabei froh sein, daß ihr diese bürgerlichen Freiheiten gewährt werden. Der Islam wird als alternatives Schreckgespenst immer wieder vor Augen geführt. D.h. die Frontlinie verläuft zwischen der bürgerlichen Welt und dem Islam.

Die bürgerliche Ideologie geht sogar soweit, den Islam mit Faschismus zu vergleichen. Man möchte diesbezüglich daran erinnern, daß der Islam weder die Organisationsform des frustrierten Kleinbürgertums innerhalb rein kapitalistischer Gesellschaften unter Führung des imperialistischen Finanzkapitals ist noch den rassistischen, systematischen Massenmord als symbolische Aufhebung des Klassenkampfs predigt.

Faschismus wird von der heiligen Inquisition der Menschenrechte als das Nichtvorhandensein bürgerlicher bzw.liberaler Verhältnisse (Die muslimischen Länder sind bekanntlich dank des Imperialismus halbkoloniale Länder oder Besatzungszonen) betrachtet. Die faschistische, staatliche Gleichschaltung, will heißen die Zerschlagung aller selbständigen Arbeiterorganisationen, wird gleichgesetzt mit dem Gedanken der Einheit von Ideologie (Theorie, Moral) und Praxis wie er in jeder Religion und sogar Philosophie üblich ist. Demnach wäre das christliche, islamische, konfuzianische usw. Mittelalter , währenddessen die Religion vorherrschend war, faschistisch. Man könnte noch vieles Weitere anführen, um die Absurdität dieses Vergleiches zu demonstrieren, wenn man dabei nicht Gefahr laufen würde, diesen hanebüchenen Unsinn dadurch auch noch ernst zu nehmen.

Angesichts einer solch grotesk verzerrten Wahrnehmung ist es nicht weiter verwunderlich, daß die herrschende Ideologie leichtes Spiel hat, die Menschen in ihrem Sinne zu erziehen und zu mobilisieren.
Der Druck der herrschenden Ideologie ist heute immens und droht den Marxismus mehr und mehr ins Abseits zu drängen und damit die Arbeiterklasse zum Spielball der Herrschenden zu machen.

Rein empirisch mag es mit den sog. Menschenrechten wie überall auf der Welt auch in muslimischen Ländern nicht rosig aussehen. Wer aber Materialismus durch Empirismus ersetzt wie auch ein großer Teil der Pseudolinken heute, der verteidigt objektiv die bürgerliche Ideologie und verfestigt damit diese Zustände. Denn daß die sozialen Verhältnisse in muslimischen Ländern so sind wie sie sind, liegt ursächlich nicht am Islam, sondern an den materiellen Verhältnissen, die das Produkt von Kolonialismus und Imperialismus sind. Diese Länder sind heute mehr denn je weder politisch noch ökonomisch autonom. Woher ein demokratisches Bewußtsein kommen soll, bleibt ein Rätsel, wenn diesen Ländern ständig diktiert wird, welche politischen und wirtschaftlichen Maßnahmen sie zu ergreifen haben, damit sie Lieblinge der USA und EU werden. Und wer nicht pariert, wird eben mit Gewalt auf den rechten Weg der Wahrheit gebracht.

In der gegenwärtigen ideologischen Auseinandersetzung ist es daher besser, wenn das Wort Islamophobie vermieden wird, weil mit dem Ausdruck Islamophobie bürgerliche Ideologie reproduziert wird. Islamophobie reproduziert die Täter-Opfer-Ideologie, wonach die imperialistischen Länder die Opfer und der Islam der Täter wären. D.h. erstere werden passiv und bedroht wahrgenommen und hätten damit ein Verteidigungsrecht, während dem Islam die Rolle des aktiven Aggressors zukommt. Zudem beachte man übrigens die äußerst scharfsinnige Gegenüberstellung von bürgerlich-kapitalistischen Ländern und dem Islam, wie wenn es sich beim Islam um ein konkurrierendes Gesellschaftssystem wie den Kommunismus handelte, wie wenn nicht alle Länder mit muslimischer Bevölkerung an den Weltkapitalismus unter imperialistischem Vorzeichen angeschlossen wären und selbst auf kapitalistischer Grundlage funktionierten, wie wenn diese Länder den gleichen Islam praktizierten und nicht unterschiedliche Gesellschaften sowie Geschichten hätten und wie wenn marxistische Theorie heute überhaupt keine Geltung mehr hätte, wonach insbesondere die monotheistischen Religionen der ideologische Reflex vergangener feudaler oder asiatischer Produktionsweisen sind und heute ihren materiellen Nährboden im Kapitalismus finden.

Quelle:www.linkezeitung.de

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