Ärzte töten
Flüchtlinge, um deren Organe zu verkaufen
Günther Lachmann
Ihr Geschäft ist
blutig und eilig. Mit schweren Geländewagen reisen die
Ärzte aus Kairo in die Gesetzlosigkeit der
Sinai-Halbinsel. Sie haben mobile Operationszelte und
sterile Kühlboxen dabei. Ihr Ziel ist eine Gruppe von
Flüchtlingen, die in der Wüste ebenso
geschäftstüchtigen wie skrupellosen Beduinen in die
Hände gefallen sind. Doch diese Ärzte kommen nicht, um
zu helfen. Nein, sie bringen den Flüchtlingen einen
qualvollen Tod.
Denn die
korrupten Mediziner aus Kairo machen gemeinsame Sache mit
den Beduinen. Und sie kommen nur aus einem einzigen Grund
in diese unwirtliche Gegend: Sie wollen die Organe von
jungen Menschen. Nieren lassen sich gut verkaufen, eine
gesunde Leber ebenso. Mit prüfendem Blick mustern sie
die Flüchtlinge und zeigen mit dem Finger auf jene
Männer und Frauen, die ihnen am gesündesten erscheinen,
so jedenfalls beschreibt es ein ägyptischer Mitarbeiter
der Menschenrechtsorganisation New Generation Foundation
for Human Rights. Er selbst habe es anfangs nicht glauben
können, sagt Hamdi al Azzazy. „Ich dachte immer, so
eine Organentnahme sei nur in großen Kliniken
möglich.“ Doch dann musste er lernen, dass es auch
anders geht.
Im gut 300
Kilometer entfernten Kairo weiß die Justiz nur zu gut um
diese Gräueltaten. „Die Ärzte schneiden dich auf,
und dann nehmen sie sich, was sie brauchen“, sagt
der frühere Chef der Rechtsmedizin in der ägyptischen
Hauptstadt, Dr. Fakhri Saleh.
„Dann lassen
sie dich sterben. Die Mafia interessiert es nicht, ob du
lebst oder stirbst.“ Für sie zählt nur das
Geschäft. Und das ist enorm lukrativ.
„Nur mit dem
Handel von Waffen lässt sich mehr Geld verdienen“,
sagt der Rechtsmediziner. Das heißt, illegaler
Organhandel ist heute profitabler als der Drogenschmuggel
oder das Geschäft mit Prostitution.
Der illegale
Handel mit Organen blüht längst auf der ganzen Welt.
Vor fünf Jahren hatten die USA ihren ersten
spektakulären Fall. Damals wurden vier Angeklagte zu
langjährigen Haftstrafen verurteilt. Über fünf Jahre
hinweg sollen sie mit Hilfe gefälschter Totenscheine und
Organspenderausweise Organe und Knochen von 1077 Leichen
gestohlen und für mehrere Millionen Dollar verkauft
haben, berichtete die Süddeutsche Zeitung. Die
entstandenen Hohlräume in den Leichen füllten sie
demnach mit OP-Handschuhen oder gar Schürzen auf.
Knochen ersetzten sie durch PVC-Rohre, damit die Leichen
bei der Beerdigung äußerlich normal aussahen.
„Illegaler
Handel mit Menschen zum Zwecke der Verwendung ihrer
Organe insbesondere Nieren, ist ein schnell wachsender
Bereich der kriminellen Aktivitäten“, schreibt
Interpol. In allen westlichen Ländern sind die
Wartelisten für Transplantationen lang, Spender gibt es
viel zu wenige. Im Jahr 2005 warteten rund 40.000
Westeuropäer auf eine Niere. Die durchschnittliche
Wartezeit betrug damals zwei Jahre, heute sind es bereits
fünf Jahre und mehr.
Schon früh hat
die Organisierte Kriminalität diese Diskrepanz zwischen
Nachfrage und Angebot gesehen und ihre Schlüsse daraus
gezogen. „Kriminelle haben diese Chance
genutzt“, bestätigt Interpol. Die Verzweiflung der
Patienten ist ihrem teuflischen Geschäft die Garantie
für satte Gewinne. Und die Aussichten werden sogar noch
besser. „In den entwickelten Ländern mit einer
alternden Bevölkerung und einer Zunahme von Diabetes
werden immer mehr Organtransplantationen notwenig. Und
dieses Verbrechen wird noch lukrativer“, so
Interpol.
Zahlen darüber,
wie viel Geld weltweit insgesamt mit illegalem
Organhandel verdient wird, sind schwer zu bekommen. Aber
was wohlhabende Patienten bereit sind zu zahlen, das ist
kein Geheimnis. „Arabische Transplantationspatienten
zahlen zwischen 100.000 und 500.000 Dollar für die
Operation“, schieb „Die Zeit“ im Jahr
2005. In dem Beitrag wird der 57-Jährige Alfred
Rosenfeld zitiert. Er sei stellvertretender Leiter bei
Dikla, einem Tochterunternehmen der größten
israelischen Krankenversicherung. Rosenfeld verfolge die
Entwicklungen im internationalen Organhandel seit Jahren.
„Das ist Big Business“, zitiert ihn die
„Zeit“. Er schätze den Gewinn aus dem Handel
mit einer Niere auf 50.000 bis 70.000 Dollar.
Von alldem ahnen
die Flüchtlinge im Sinai nichts. Sie sind hier, weil sie
auf ein besseres Leben in Israel hoffen. „Drei
Viertel kommen aus dem Sudan, ein Viertel aus
Eritrea“, sagt Frederik Pleitgen, der für CNN dort
war, im Gespräch mit „Welt Online“.
Die jungen
Leute vertrauen ihr
Schicksal Schleuserorganisationen an. Im Schnitt
zahlen sie 2000 Euro pro Person für den Transport aus
dem Heimatland nach Sinai. Es sind die gesamten
Ersparnisse einer ganzen Familie, die hier für den Sohn
ausgegeben werden in der Hoffnung, er werde bald schon
mit einer guten Arbeit in Israel die Familie
unterstützen können. „Im vergangenen Jahr kamen
auf diese Weise 14.000 Flüchtlinge über die
israelischen Grenze“, sagt Pleitgen.
Viele aber
schaffen es nicht. Für sie ist im Sinai Endstation, wo
kriminelle Beduinen sie in ihre Gewalt bringen. „Die
verlangen dann noch einmal mehrere tausend Dollar für
den Weg über die Grenze nach Israel“, sagt
Pleitgen. Das aber kann keiner der Flüchtlinge bezahlen.
Mittellos und weit weg von daheim sind sie den Beduinen
wehrlos ausgeliefert. Nun schlagen die Herren der Wüste
ihnen nun den tödlichen Handel vor. Die Flüchtlinge
sollen ihre Organe hergeben. Sie seien der Preis für die
Reise ins gelobte Land.
„All das
geschieht kaum fünf Kilometer von der israelischen
Grenze entfernt“, sagt Pleitgen. Er beschreibt den
Sinai als Territorium ohne Recht und Gesetz, wo es zehn
Fußballfelder große Marihuanafelder mit
Bewässerungsanlagen gebe und Waffen aller Art
geschmuggelt würden. Auf Pleitgens Frage, wie viele
Flüchtlinge auf dem Sinai den Tod gefunden hätten,
antwortet in der CNN-Dokumentation ein Beduine:
„Tausende. Sie sterben durch Stromstöße, Infarkte
und Organraub.“
Wenn die Ärzte
in ihren schweren Geländewagen abfahren, bleiben die
aufgeschnittenen und nur dürftig wieder
zusammengenähten Leiber als menschlicher Abfall im
Wüstensand zurück. Blutend verenden sie qualvoll unter
der heißen Wüstensonne. Und bald schon lebt irgendwo
ein wohlhabender Mensch mit ihrer Leber oder ihren
Nieren. Wie wichtig Berichte über diese Verbrechen sind,
zeigt eine Reaktion der Beduinen. Nach der
Erstausstrahlung der Dokumentation auf CNN-International
seien 600 Flüchtlinge von den Beduinen freigelassen
worden, sagte Hamdi al Azzazy von der
Menschenrechtsorganisation New Generation Foundation for
Human Rights.
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Mit freundlicher Genehmigung von Günther Lachmann, GEOLITICO.de | ||
erschienen am 10. Januar 2013 auf > Dorian Grey > Artikel |
Freitag, 18. Januar 2013
Ärzte töten Flüchtlinge, um deren Organe zu verkaufen
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