Destabilisierungshebel (II) 11.06.2009
FRANKFURT AM MAIN/GÖTTINGEN/TEHERAN(Eigener Bericht) - Mit Hilfe iranischer Autonomie- und Sezessionsaktivisten erhöht Berlin den Druck auf Teheran. Die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung kündigt für die kommende Woche eine Tagung zur "Nationalitätenfrage" im "Vielvölkerstaat" Iran an. Als Referenten werden mehrere Befürworter einer weit reichenden Schwächung der iranischen Zentralregierung angekündigt. Wie es in dem Einladungsschreiben für die Veranstaltung heißt, sei es "Zeit", die Belange "nicht-persischer Völker" "verstärkt in den Fokus der internationalen Öffentlichkeit zu rücken". Schon vor Jahren haben Fachleute darauf hingewiesen, dass trotz der "nicht hinnehmbaren" Diskriminierung von Minderheiten im Iran "nicht geleugnet werden" könne, dass Autonomie- und Sezessionskonflikte "durch Außenmächte zur Schwächung der Zentralregierung geschürt werden". Ein Professor an der Universität der Bundeswehr hat explizit geheimdienstliche Maßnahmen zum Schüren von Minderheitenkonflikten gefordert - als "Destabilisierungshebel" gegenüber Teheran.
Es wird Zeit
Für die kommende Woche kündigt die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung (FNSt) eine Tagung zum Thema "Nationalitätenfrage und Demokratie im Iran" an. "Tag für Tag", heißt es im Einladungsschreiben, "fallen immer mehr Angehörige nicht-persischer Völker oder religiöser Glaubensgemeinschaften im Iran der Willkür der iranischen Geheimdienste zum Opfer." Ausdrücklich genannt werden "Aseri, Kurden, Araber, Belutschen, Turkmenen, Baha'i, sowie andere kleinere Völker und Religionsgemeinschaften".[1] "Es wird Zeit", urteilt die Stiftung, "die Belange dieser Bevölkerungsgruppen im Iran verstärkt in den Fokus der internationalen Öffentlichkeit zu rücken". Diesem Ziel dient die Tagung, die am 20. Juni in Frankfurt am Main stattfinden soll. Kooperationspartner der Stiftung bei der Durchführung der Tagung ist die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) aus Göttingen.
Durch Außenmächte geschürt
Die Lage ethnischer und religiöser Minderheiten im Iran wird im Westen immer wieder instrumentalisiert. Bereits im Herbst 2005 hatte der Iran-Experte Bahman Nirumand über die iranischen Minoritätenkonflikte geurteilt, sie beruhten auf einer "nicht hinnehmbaren ökonomischen und kulturellen Benachteilung von Minderheiten"; allerdings könne "nicht geleugnet werden", dass sie "durch Außenmächte zur Schwächung der Zentralregierung geschürt werden".[2] Anlass war damals eine Serie von Bombenanschlägen in Khuzestan, der erdölreichsten Provinz des Landes, die Teheran westlichen Umsturzplänen zuschrieb. Zwei Jahre später berichtete ein deutsches TV-Magazin von einem Fall, der Nirumands Einschätzung zu bestätigen scheint: In der Bundesrepublik warben damals Separatisten aus "Iranisch-Kurdistan" Rekruten an - laut dem TV-Magazin "unter den Augen von BND und Verfassungsschutz".[3] Zum selben Zeitpunkt stellten Beobachter fest, dass Insurgenten im Nordwesten des Iran ("Iranisch-Kurdistan") ihre bislang minderwertige Ausrüstung deutlich hatten verbessern können; viele schrieben dies westlicher Unterstützung zu.[4] Gleichzeitig begannen Vorfeldorganisationen der Berliner Außenpolitik, sich mit einer Aufstandsbewegung ("Belutschistan") zu befassen, die ihren Einflussbereich von Westpakistan ausgedehnt hat - nach Ostiran.
Spielte sich die westliche Unterstützung für inneriranische Aufstandsbewegungen damals vorwiegend hinter den Kulissen ab, scheint Berlin nun öffentliche Werbung für hilfreich zu halten. Bei der Tagung in der kommenden Woche erhalten Vertreter mehrerer Minderheiten die Chance, ihr Anliegen publikumswirksam zu präsentieren. Angekündigt sind bislang Repräsentanten von vier Sprachminoritäten (der turkmenischen, der kurdischen, der aserischen und der arabischen Sprachminderheit) und ein Sprecher der Baha'i-Religion. In Frankfurt soll außerdem ein Mitglied des "Kongresses der Nationalitäten für einen föderalen Iran" (CNFI) eine Rede halten. Offiziell wird der "Föderalismus als Lösungsmodell" ins Spiel gebracht; einigen der Organisationen, die im CNFI zusammengeschlossen sind, werden jedoch weitergehende Sezessionsabsichten nachgesagt.
Erfolgreich
Die Friedrich-Naumann-Stiftung, die die Tagung in der kommenden Woche veranstaltet, hat in der jüngsten Vergangenheit recht erfolgreich mit der Minderheiten-Thematik operiert. Mit ihrer Unterstützung für die weltweiten Tibet-Aktionsgruppen etwa schuf sie die Voraussetzungen für die Fackellauf-Kampagne vor den Olympischen Spielen in China, die im Westen antichinesische Ressentiments anheizte.[5] Über Kontakte zu Sezessionisten verfügen Netzwerke der Stiftung auch in Lateinamerika, wo Autonomiebewegungen auf die Schwächung von Regierungen zielen, die den westlichen Hegemonialmächten kritisch entgegentreten.[6] Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), die die Tagung gemeinsam mit der Friedrich-Naumann-Stiftung organisiert, ist auf Agitation zugunsten völkisch definierter Minderheiten spezialisiert, sie hat schon mehrfach für die Berliner Außenpolitik eine nützliche Rolle gespielt.[7] Dazu gehören insbesondere ihre Aktivitäten zugunsten eines "Selbstbestimmungsrechtes von Völkern und Volksgruppen", das sie wie Berlin oft gegen mit Deutschland konkurrierende Staaten gewendet hat (bezüglich Tschetscheniens zur Schwächung Russlands, bezüglich Xinjiangs zur Schwächung Chinas).
Geheimdienstlich, versteht sich
Ein Professor an der Bundeswehr-Universität in München hat schon vor Jahren ausdrücklich geraten, den "Vielvölkerstaat" Iran mit Hilfe völkischer Sezessionsbewegungen unter Druck zu setzen. Sie seien ein "Destabilisierungshebel" gegenüber der missliebigen Regierung in Teheran, erklärte der Mann: "Diese innenpolitische Labilität könnte - und sollte (geheimdienstlich verdeckt, versteht sich) - der Hebel westlicher Iran-Politik unterhalb des eigenen militärischen Eingreifens sein".[8]
Quelle: http://www.german-foreign-policy.com
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