Die Pax Pacifica (I)
31.01.2013
Das pazifische Jahrhundert
Hintergrund für den Ausbau der Kooperation zwischen
Berlin und Canberra zu einer "Strategischen Partnerschaft" ist der
schnelle Aufstieg Asiens, insbesondere Chinas, und die mit ihm
verbundene Verlagerung des Zentrums der Weltwirtschaft und der
Weltpolitik vom Atlantik zum Pazifik. Laut einer unlängst
veröffentlichten Untersuchung der OECD könnte China weitaus schneller
als bislang vermutet zur größten Volkswirtschaft der Welt aufsteigen und
die Vereinigten Staaten schon im Jahr 2016 überholen.[1] Indien und vor
allem die Länder im südostasiatischen Umfeld der Volksrepublik
erstarken ebenfalls gewaltig. Die Vereinigten Staaten haben längst
reagiert und Ende 2011 offiziell das "pazifische Jahrhundert"
ausgerufen; nicht nur die ökonomische Zukunft, auch die "Zukunft der
Politik" werde "in Asien entschieden", hieß es im November 2011 in einem
Namensartikel der US-Außenministerin Hillary Clinton in einem
prominenten US-amerikanischen Außenpolitik-Magazin.[2] Experten
urteilten damals mit Blick auf die sich rapide verschärfende
amerikanisch-chinesische Rivalität, US-Präsident Barack Obama könne nach
Abwicklung der Kriege im Irak und - zumindest teilweise - in
Afghanistan jetzt sein hauptsächliches Ziel in Angriff nehmen: "die
Entwicklung einer neuen Architektur im asiatisch-pazifischen Raum".[3]
Australiens Asien-Offensive
Dabei kommt laut Spezialisten wie etwa dem Leiter des
US Studies Centre der Universität Sydney, Geoffrey Garrett, gerade
Australien eine herausragende Rolle zu. "Durch seine geopolitische Lage
ist Australien nicht nur eine Macht im pazifischen Raum, sondern auch
auf dem Indischen Ozean", wurde Garrett Mitte November 2011 zitiert.
Zudem könne "die Vertrautheit mit den USA", die das Land zeige, "größer
überhaupt nicht sein".[4] Canberra, das sich lange neben den USA
vorwiegend an Europa orientierte, wendet sich nun tatsächlich dem Ausbau
seiner Stellung innerhalb Asiens zu und hat Ende Oktober 2012 ein
"White Paper" mit der Überschrift "Australia in the Asian Century"
publiziert. In ihm manifestiert sich der Anspruch des Landes, eine
führende Stellung in der Asien-Pazifik-Region einzunehmen. Die
australische Regierung hat inzwischen eigens ein Departement
eingerichtet, das für "Asian Century Policy" zuständig ist und der
Premierministerin unmittelbar zuarbeitet; sie will zudem ihr
diplomatisches Netz in Asien ausbauen. Breitenwirksam ist vor allem eine
bildungspolitische Offensive: Jede Schule des Landes soll Beziehungen
zu einer Partnerschule in Asien unterhalten; jeder Schüler soll die
Chance haben, Chinesisch, Indonesisch oder auch eine andere asiatische
Sprache zu erlernen.[5]
Strategisches Sprungbrett
An die neue Asien-Offensive Australiens knüpft nun
auch Deutschland an - um durch einen Ausbau seiner Stellung in dem Land
seine Präsenz in der Asien-Pazifik-Region, dem künftigen Zentrum der
Weltwirtschaft und -politik, zu stärken. Canberra sei ein "strategisches
Sprungbrett in den asiatisch-pazifischen Raum", erklärte der deutsche
Außenminister zu Wochenbeginn bei der Unterzeichnung der
"Berlin-Canberra-Absichtserklärung über eine strategische Partnerschaft"
zwischen den beiden Staaten. Die Erklärung sieht vor, "die bilaterale
deutsch-australische Zusammenarbeit und unsere multilateralen
Partnerschaften zu vertiefen". So sollen die Wirtschaftsbeziehungen
trotz der großen räumlichen Distanz massiv ausgebaut werden. Eine
gemeinsame "Energie- und Ressourcenpolitik" wird angestrebt. Auch in der
Entwicklungspolitik sowie bei Bildung und Forschung sollen die zwei
Länder künftig enger kooperieren. Vorgesehen ist auch ein
"Strategisch-politischer Dialog", zu dem sich die Außenminister beider
Staaten künftig mindestens einmal jährlich treffen sollen. Zudem soll
ein "Strategischer Lenkungsausschuss" zwischen den Regierungen gebildet
werden. Auch heißt es, man wolle die Zusammenarbeit zwischen Australien
und der NATO weiter unterstützen.[6]
Die westliche Front gegen China
Die Erklärung enthält ausdrücklich den Hinweis,
Deutschland und Australien strebten den Ausbau einer gemeinsamen
Militärpolitik an. Dies macht deutlich, dass Berlin sich künftig noch
stärker als bisher am Aufbau einer westlichen Front gegen China
beteiligen wird. Australien hat im Jahr 2009 ein 68 Milliarden Euro
schweres Rüstungsprogramm ("Force 2030") gestartet, das unter anderem
den Kauf von zwölf U-Booten, 70 Kampfhubschraubern und 100
Militärflugzeugen vorsieht. Beim Lowy Institute, einem Think-Tank in
Sidney, heißt es, man müsse sich zusätzlich mit den USA und Indien noch
enger gegen China verbünden.[7] Die militärische Zusammenarbeit mit den
USA wird inzwischen realisiert: Im November 2011 kündigte US-Präsident
Obama in einer Rede im Parlament Australiens an, die US-Streitkräfte
würden gut 2.500 Elitesoldaten in Darwin im Norden des Landes
stationieren. Auch Manöver der Marines und der Air Force sind dort
geplant. Fachleute urteilen, der Stützpunkt in Darwin habe für
Washington einen "immensen strategischen Vorteil": Er könne aufgrund der
großen Entfernung zur Volksrepublik viel schlechter von chinesischen
Raketen getroffen werden als die bestehenden US-Basen in Guam und
Okinawa. Den Kriegsvorbereitungen des Westens im Pazifik-Gebiet schließt
sich nun auch Deutschland in zunehmendem Maße an.
Nicht eigenständig
In Südostasien stoßen die westlichen Pläne immer
wieder auf Kritik. So urteilt etwa ein Beobachter aus Malaysia in einer
prominenten indonesischen Tageszeitung über Canberras "White Paper" zum
"Asian Century", es bleibe nicht nur dem "Australo-Zentrismus"
verhaftet. Es setze zudem die enge Kooperation Australiens mit den
Vereinigten Staaten fort. Dies beraube Canberra jeglicher Chance, eine
"eigene Identität in Südostasien" zu entwickeln.[8] Indonesien dagegen
befürworte etwa eine Politik der friedlichen Koexistenz Chinas und der
USA im Asien-Pazifik-Gebiet und deren Verzicht auf den Kampf um die
Vorherrschaft. Man habe dabei in Südostasien die Erfahrung gemacht, dass
Beijing seinen Kooperationspartnern größere außenpolitische Spielräume
lasse als Washington; das zeige etwa die Tatsache, dass die Verbündeten
des Westens sich am Krieg in Afghanistan beteiligen müssten. Die vom
Autor beklagte Frontbildung wird jedoch vom Westen ungebrochen
fortgeführt - und richtet sich, wie das Beispiel der Militärkooperation
mit Australien zeigt, immer offener gegen die Volksrepublik China. Mit
seiner neuen "Strategischen Partnerschaft" mit Canberra bindet sich
Berlin noch enger als bisher in diese Front zum Aufbau einer westlichen
"Pax Pacifica" ein.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen