Samstag, 2. Februar 2013

Die Pax Pacifica (I)

 
Die Pax Pacifica (I)
31.01.2013
 CANBERRA/BERLIN
 
(Eigener Bericht) - Berlin bereitet sich auf die Verlagerung des Zentrums der Weltpolitik vom Atlantik zum Pazifik vor und stärkt seine Stellung in Australien. Das Land sei ein "strategisches Sprungbrett in den asiatisch-pazifischen Raum", erklärte Außenminister Guido Westerwelle bei der Unterzeichung einer "Absichtserklärung über eine Strategische Partnerschaft" mit Canberra Anfang dieser Woche in Berlin. Die "Strategische Partnerschaft" soll es Deutschland ermöglichen, über Australien weitaus stärker als bisher im unmittelbaren Umfeld der ungebrochen aufsteigenden Volksrepublik China Einfluss zu nehmen und so im künftig wohl zentralen Konflikt zwischen dem Westen und Beijing eine aktivere Rolle zu spielen. Dies schließt, wie die Planungen für die "Strategische Partnerschaft" belegen, militärpolitische Maßnahmen ausdrücklich ein.
Das pazifische Jahrhundert
 
Hintergrund für den Ausbau der Kooperation zwischen Berlin und Canberra zu einer "Strategischen Partnerschaft" ist der schnelle Aufstieg Asiens, insbesondere Chinas, und die mit ihm verbundene Verlagerung des Zentrums der Weltwirtschaft und der Weltpolitik vom Atlantik zum Pazifik. Laut einer unlängst veröffentlichten Untersuchung der OECD könnte China weitaus schneller als bislang vermutet zur größten Volkswirtschaft der Welt aufsteigen und die Vereinigten Staaten schon im Jahr 2016 überholen.[1] Indien und vor allem die Länder im südostasiatischen Umfeld der Volksrepublik erstarken ebenfalls gewaltig. Die Vereinigten Staaten haben längst reagiert und Ende 2011 offiziell das "pazifische Jahrhundert" ausgerufen; nicht nur die ökonomische Zukunft, auch die "Zukunft der Politik" werde "in Asien entschieden", hieß es im November 2011 in einem Namensartikel der US-Außenministerin Hillary Clinton in einem prominenten US-amerikanischen Außenpolitik-Magazin.[2] Experten urteilten damals mit Blick auf die sich rapide verschärfende amerikanisch-chinesische Rivalität, US-Präsident Barack Obama könne nach Abwicklung der Kriege im Irak und - zumindest teilweise - in Afghanistan jetzt sein hauptsächliches Ziel in Angriff nehmen: "die Entwicklung einer neuen Architektur im asiatisch-pazifischen Raum".[3]
 
Australiens Asien-Offensive
 
Dabei kommt laut Spezialisten wie etwa dem Leiter des US Studies Centre der Universität Sydney, Geoffrey Garrett, gerade Australien eine herausragende Rolle zu. "Durch seine geopolitische Lage ist Australien nicht nur eine Macht im pazifischen Raum, sondern auch auf dem Indischen Ozean", wurde Garrett Mitte November 2011 zitiert. Zudem könne "die Vertrautheit mit den USA", die das Land zeige, "größer überhaupt nicht sein".[4] Canberra, das sich lange neben den USA vorwiegend an Europa orientierte, wendet sich nun tatsächlich dem Ausbau seiner Stellung innerhalb Asiens zu und hat Ende Oktober 2012 ein "White Paper" mit der Überschrift "Australia in the Asian Century" publiziert. In ihm manifestiert sich der Anspruch des Landes, eine führende Stellung in der Asien-Pazifik-Region einzunehmen. Die australische Regierung hat inzwischen eigens ein Departement eingerichtet, das für "Asian Century Policy" zuständig ist und der Premierministerin unmittelbar zuarbeitet; sie will zudem ihr diplomatisches Netz in Asien ausbauen. Breitenwirksam ist vor allem eine bildungspolitische Offensive: Jede Schule des Landes soll Beziehungen zu einer Partnerschule in Asien unterhalten; jeder Schüler soll die Chance haben, Chinesisch, Indonesisch oder auch eine andere asiatische Sprache zu erlernen.[5]
 
Strategisches Sprungbrett
 
An die neue Asien-Offensive Australiens knüpft nun auch Deutschland an - um durch einen Ausbau seiner Stellung in dem Land seine Präsenz in der Asien-Pazifik-Region, dem künftigen Zentrum der Weltwirtschaft und -politik, zu stärken. Canberra sei ein "strategisches Sprungbrett in den asiatisch-pazifischen Raum", erklärte der deutsche Außenminister zu Wochenbeginn bei der Unterzeichnung der "Berlin-Canberra-Absichtserklärung über eine strategische Partnerschaft" zwischen den beiden Staaten. Die Erklärung sieht vor, "die bilaterale deutsch-australische Zusammenarbeit und unsere multilateralen Partnerschaften zu vertiefen". So sollen die Wirtschaftsbeziehungen trotz der großen räumlichen Distanz massiv ausgebaut werden. Eine gemeinsame "Energie- und Ressourcenpolitik" wird angestrebt. Auch in der Entwicklungspolitik sowie bei Bildung und Forschung sollen die zwei Länder künftig enger kooperieren. Vorgesehen ist auch ein "Strategisch-politischer Dialog", zu dem sich die Außenminister beider Staaten künftig mindestens einmal jährlich treffen sollen. Zudem soll ein "Strategischer Lenkungsausschuss" zwischen den Regierungen gebildet werden. Auch heißt es, man wolle die Zusammenarbeit zwischen Australien und der NATO weiter unterstützen.[6]
Die westliche Front gegen China
Die Erklärung enthält ausdrücklich den Hinweis, Deutschland und Australien strebten den Ausbau einer gemeinsamen Militärpolitik an. Dies macht deutlich, dass Berlin sich künftig noch stärker als bisher am Aufbau einer westlichen Front gegen China beteiligen wird. Australien hat im Jahr 2009 ein 68 Milliarden Euro schweres Rüstungsprogramm ("Force 2030") gestartet, das unter anderem den Kauf von zwölf U-Booten, 70 Kampfhubschraubern und 100 Militärflugzeugen vorsieht. Beim Lowy Institute, einem Think-Tank in Sidney, heißt es, man müsse sich zusätzlich mit den USA und Indien noch enger gegen China verbünden.[7] Die militärische Zusammenarbeit mit den USA wird inzwischen realisiert: Im November 2011 kündigte US-Präsident Obama in einer Rede im Parlament Australiens an, die US-Streitkräfte würden gut 2.500 Elitesoldaten in Darwin im Norden des Landes stationieren. Auch Manöver der Marines und der Air Force sind dort geplant. Fachleute urteilen, der Stützpunkt in Darwin habe für Washington einen "immensen strategischen Vorteil": Er könne aufgrund der großen Entfernung zur Volksrepublik viel schlechter von chinesischen Raketen getroffen werden als die bestehenden US-Basen in Guam und Okinawa. Den Kriegsvorbereitungen des Westens im Pazifik-Gebiet schließt sich nun auch Deutschland in zunehmendem Maße an.
 
Nicht eigenständig
 
In Südostasien stoßen die westlichen Pläne immer wieder auf Kritik. So urteilt etwa ein Beobachter aus Malaysia in einer prominenten indonesischen Tageszeitung über Canberras "White Paper" zum "Asian Century", es bleibe nicht nur dem "Australo-Zentrismus" verhaftet. Es setze zudem die enge Kooperation Australiens mit den Vereinigten Staaten fort. Dies beraube Canberra jeglicher Chance, eine "eigene Identität in Südostasien" zu entwickeln.[8] Indonesien dagegen befürworte etwa eine Politik der friedlichen Koexistenz Chinas und der USA im Asien-Pazifik-Gebiet und deren Verzicht auf den Kampf um die Vorherrschaft. Man habe dabei in Südostasien die Erfahrung gemacht, dass Beijing seinen Kooperationspartnern größere außenpolitische Spielräume lasse als Washington; das zeige etwa die Tatsache, dass die Verbündeten des Westens sich am Krieg in Afghanistan beteiligen müssten. Die vom Autor beklagte Frontbildung wird jedoch vom Westen ungebrochen fortgeführt - und richtet sich, wie das Beispiel der Militärkooperation mit Australien zeigt, immer offener gegen die Volksrepublik China. Mit seiner neuen "Strategischen Partnerschaft" mit Canberra bindet sich Berlin noch enger als bisher in diese Front zum Aufbau einer westlichen "Pax Pacifica" ein.
 
 
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