Dienstag, 17. März 2009

Nach dem Amoklauf von Winnenden warnen Bildungspolitiker und Experten vor überzogenen Sicherheitsmaßnahmen an den Schulen.


Nach dem Amoklauf von Winnenden warnen Bildungspolitiker und Experten vor überzogenen Sicherheitsmaßnahmen an den Schulen.

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagt, man solle "nicht glauben, dass es schnelle Antworten gibt“. Keine gesetzliche Regelung hätte diesen Amoklauf verhindern können.

Änderungen im Waffenrecht lehnte Schäuble ab. Die Auflagen für Schützen oder andere Waffenbesitzer seien bereits sehr streng. Waffen gänzlich verbieten zu wollen, sei unrealistisch. Ebenso warnte Schäuble vor Sicherheitsschleusen oder Metalldetektoren an Schulen. „Wir sollten die Schulen nicht in Festungen verwandeln“, sagte der Minister. Das hätte Wirkungen auf die Schüler, „die wir uns nicht wünschen“.

Merkel spricht von "Tag der Trauer" für das Land Nach dem „schrecklichen Ereignis“ müsse vielmehr gefragt werden, was in der Gesellschaft los sei. Die Neigung zu Gewaltexzessen nehme offenbar zu. Daher sei zu fragen, ob eine andere Wertevermittlung notwendig sei, ob Familien mehr gestärkt werden müssten oder stärker gegen Gewaltdarstellungen in den Medien vorgegangen werden müsse, sagte Schäuble. „Ein Stück weit sind wir immer machtlos in bestimmten Situationen.“

Auch Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) lehnte eine Verschärfung des Waffenrechts als Konsequenz aus dem Amoklauf ab. Die Auflagen für den Waffenbesitz seien in den vergangenen Jahren bereits erhöht worden und „in der Auslegung sehr klar und eindeutig“, sagte Schönbohm in Potsdam. Er warnte zudem vor einer Verunglimpfung von Schützenvereinen. „Schützenvereine leisten gute Jugendarbeit und sind ein wichtiger Bestandteil der deutschen Tradition.“

Der Vater des 17-Jährigen, der bei dem Amoklauf in Winnenden (Baden-Württemberg) 15 Menschen und dann sich selbst tötete, ist Mitglied in einem Schützenverein. Er soll eine seiner Waffen im Schlafzimmer und nicht wie gesetzlich vorgeschrieben im Tresor aufbewahrt haben.

Im Fokus der aufmerksamkeit stehen auch wieder gewaltverherrlichende Computerspiele. Das Europaparlament forderte einen besseren Schutz von Kindern und Jugendlichen vor solchen Videospielen. Dazu könne ein „roter Knopf“ an den Konsolen geschaffen werden, der so Killerspiele und Videos mit Gewaltszenen blockiert, regte das Straßburger Parlament in einer Entschließung an. Die EU-Kommission und die 27 Mitgliedsländer sollten diese Möglichkeit gemeinsam mit der Industrie prüfen.

Ziel sei es, junge Menschen besser vor Videospielen zu schützen, die „Gewalt auf die leichte Schulter nehmen oder gar verherrlichen“, sagte die SPD-Europaabgeordnete aus Baden-Württemberg, Evelyne Gebhardt. Dazu müssten alle technischen Möglichkeiten genutzt werden. Zudem müssten Eltern und Lehrer besser über mögliche Gefahren durch Videospiele informiert werden.

Debattiert wird auch über einen besseren Schutz von Schulen vor Gewalttätern. Baden-Württembergs Kultusminister Helmut Rau (CDU) sagte im ZDF: „Schulen sind das Herz einer offenen Gesellschaft“. „Deswegen können wir sie nicht zu Festungen ausbauen.“ In den Schulen gebe es in Abstimmung mit den Kommunen bereits heute unterschiedliche Kontrollmaßnahmen. Eine Debatte über zusätzliche Vorkehrungen solle aber trotzdem geführt werden.

Technische Einlasskontrollen, wie zum Beispiel Chipkarten verbunden mit dem Schülerausweis, hatte die Gewerkschaft der Polizei (GdP) ins Gespräch gebracht. „Metalldetektoren und Kameras zur Videoüberwachung zu installieren, halte ich nicht für sehr sinnvoll“, sagte der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, zu „Handelsblatt.com“. „Das gaukelt eine Sicherheit vor, die es nicht gibt. Außerdem schafft eine solche Installation ein Big-Brother-Klima, das nicht gut ist für eine Einrichtung, in der sich Heranwachsende frei entfalten sollen.“

Der Lehrerverbands-Präsident riet dazu, den Schulen zu überlassen, welche Konsequenzen sie aus der Tat in Baden-Württemberg ziehen. Jede Schule müsse unter Berücksichtigung ihrer spezifischen Gegebenheiten „eigenverantwortlich“ handeln, sagte Kraus. „Zum Beispiel haben viele Schulen eigene Evakuierungspläne beziehungsweise Schließsysteme entwickelt.“

Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Sebastian Edathy, forderte den Einsatz von Metalldetektoren an Schulen, in denen sich bekanntermaßen Waffen im Umlauf befänden. Allerdings wandte sich der SPD-Politiker auf WELT ONLINE gegen einen flächendeckenden Einsatz solcher Detektoren.

Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach warnte davor, die Schulen zu Sicherheitsburgen zu machen. Generell halte er aber Zugangskontrollen für sinnvoll. Bosbach sagte Reuters TV: „Die Stichworte sind da Personenkontrollen, also Zugangskontrollen, auch Taschenkontrollen.“

Quelle:welt.de

1 Kommentar:

  1. Ein Kunde hebt hervor, daß der Amokläufer aus reichem Hause stammt: “Die können sich solche Hobbys leisten. Und die haben dann Knarren im Dutzend im Haus.” Die durchweg Ärmeren, auf die geschossen wurde, hätten hingegen nicht zurückschießen können. Klassenkampf in Winnenden?

    http://www.classless.org/2009/03/15/okonomischer-gottesdienst-aktuellpolitische-stunde/

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