Dienstag, 17. März 2009

»Kriege ums Wasser haben längst begonnen«

»Kriege ums Wasser haben längst begonnen«

Jens Loewe, Autor und Begründer des Stuttgarter Wasserforums
Mehr als eine Milliarde Menschen hat keinen Zugang zu sicherem Trinkwasser – häufig mit tödlichen Folgen. »Täglich sterben weltweit 5000 Kinder«, mahnt SPIEGEL ONLINE zum Welt-Wasser-Tag, der jährlich am 22. März auf die grundlegende Bedeutung des Wassers für die Menschheit aufmerksam machen soll: »Die Uno hatte es sich 2002 zum Ziel gesetzt, bis 2015 die Zahl der Menschen zu halbieren, denen ein Zugang zu sauberem Wasser fehlt. Experten halten dies aber schon jetzt nicht mehr für erreichbar.« Sie befürchten, es sei nur eine Frage der Zeit, bis um Wasser Kriege geführt werden. Gastkommentator Jens Loewe meint, die knappe Lebensressource Wasser ist ein Profitbringer, der als Milliardenmarkt für Konzerne und Banken eine zunehmende Rolle spielt.

Anders als beim Öl, bei dem noch Alternativen denkbar sind, ist das Wasser durch nichts zu ersetzen, womit sich erklärt, dass die Kriege ums Wasser auf den verschiedensten Ebenen längst begonnen haben.
Erinnert sei an die bolivianische Stadt Cochabamba, wo die Wasserversorgung erst nach blutigen Kämpfen im Jahr 2001 wieder in öffentliches Eigentum rück überführt werden konnte, nachdem der US-Konzern Bechtel die Wasserpreise exorbitant erhöht hatte.

Oder die täglichen Wasserkämpfe im Israel-Palästina Konflikt, über die man wenig liest, die aber an Brutalität gegenüber wasserbedürftigen Palästinensern dem vorher Gesagten in nichts nachstehen.
Wasserstreit findet man auch in den USA, wo der deutsche RWE-Konzern vor einigen Jahren die Wasserversorgung von 29 US-Bundesstaaten aufgekauft hatte, um groß ins Wassergeschäft einzusteigen. Nun möchte RWE alles wieder verkaufen, meistbietend an der Börse und gegen den Widerstand ungezählter US-Bürger, die ihre Wasserversorgung wieder in öffentlicher Hand halten möchten.
Wasserkämpfe können aber auch völlig anders geartet sein, wie derzeit die Kämpfe um den Ilisu-Mega-Staudamm, der in der Osttürkei am Tigris gebaut werden soll, zeigen. Tausende Militärs sind vor Ort und sollen über 50.000 Bewohner aus dem Gebiet »entfernen«; wertvolle Grabungsstätten sowie die über 9000 Jahre alte Stadt Hasankeyf sollen überflutet werden; den Nachfolgestaaten Syrien und Irak wird, ohne Konsultation, förmlich das Wasser abgegraben und internationale Auflagen werden nicht eingehalten. Trotzdem gab die Bundesregierung eine 100-Millionen Hermes Bürgschaft und der Baukonzern ZÜBLIN freut sich auf einen Großauftrag.
Ob im ehemaligen Mesopotamien, im indischen Narmada-Tal, oder am Jangtse-Fluss in China: hunderte von Großstaudamm-Projekten verursachen soziale Probleme, wie die Vertreibung der Bewohner und ungezählte ökologische Probleme.

Im brasilianischen Sobradinho wird derzeit ein ähnlicher Kampf gekämpft. Präsident Lula will gleich einen ganzen Fluss, den Rio Sao Francisco umlenken und 700 km in ein neues Flussbett verlegen, um damit der durstigen Agro-Industrie einen gefallen tun. Gegen dieses Mega-Projekt wehrte sich Dom Luiz Cappio, Bischof von Barra, mit einem Hungerstreik und tausende Brasilianer, auch indigene Stämme, mit andauernden Demonstrationen, was aber Lula offensichtlich unbeeindruckt lässt.

Nicht nur in der »Dritten Welt«, sondern auch im behüteten Deutschland finden Auseinandersetzungen um das Wasser statt. So wollen die Berliner ihre Wasserversorgung rekommunalisieren, von der 49.9 Prozent an die Konzerne RWE und Veolia verkauft wurde und fordern die Offenlegung aller Geheimverträge. Trotz eines erfolgreichen Volksbegehrens verweigert sich die Politik mit dem Argument, eine mit den Konzernen vereinbarte Geheimhaltung habe Vorrang vor dem Bürgerwillen.

In Stuttgart sieht es nicht besser aus: 2002 hatte die Stadt ohne Not ihre gesamte Gas-, Strom- und Wasserversorgung an den EnBW-Konzern verkauft, hält Verträge geheim und stellt sich vehement gegen die Bürger, die eine Rückführung in öffentliche Hand fordern.
Die Beispiele im In- und Ausland ließen sich beliebig fortsetzen und Institutionen wie die Welthandelorganisation WTO und die EU tun ihr mögliches, um durch Verordnungen, Richtlinien und Beschlüsse die Privatisierung des Wassers zugunsten von Konzernen weiter zu forcieren. Den Bürgern wird dazu gebetsmühlenartig erklärt, dass dies notwendig, effektiv und für den härter werdenden Wettbewerb und die leeren Haushaltskassen notwendig sei.

Auch die von der UN-Generalversammlung im Jahr 2000 ausgerufene so genannte Milleniumskampagne zielt in eine ähnliche Richtung. Hinter der Vorgabe, bis 2015 die Zahl derer zu halbieren, die keinen Zugang zu sanitären Einrichtungen und zu Trinkwasser haben, verbirgt sich unter anderem eine klare Privatisierungsagenda, verbunden mit dem Argument, es gäbe nicht genügend öffentliches Geld, um den Menschen zu helfen, was jedoch zynisch anmutet. Schon ein Bruchteil der für Kriege und Zerstörung ausgegebenen Milliarden würde ausreichen, um bequem die gesteckten Ziele zu erreichen.
Eine andere Gefahr für das Trinkwasser ist die zunehmende Verschmutzung und Kontamination mit verschiedensten Giften. So werden in der Landwirtschaft, mit über 70 Prozent dem größten Wasserverbraucher, immer mehr Totalherbizide eingesetzt, wie z.B. Glyfosat, von Monsanto, die nicht genmanipulierte Pflanzen sowie viele Insekten töten und zudem krebserregende- und Unfruchtbarkeit auslösende Wirkung haben. Ähnliche Herbizide wie z.B. Diuron oder Bromacil, setzt die Bundesbahn ein, um die Gleise Pflanzenfrei zu halten. Diesen »Pflanzenschutzmitteln« ist gemeinsam, dass sie früher oder später in die Wasserleiter gelangen und so über lange Zeit unser Grundwasser nachhaltig verseuchen.
Noch gravierender ist die Kontamination des Wassers mit radioaktiven Substanzen, die sowohl bei der »friedlichen Nutzung« der Kernenergie anfallen, als auch bei der Verwendung in Kriegen. So schlummern auf dem Meeresgrund ungezählte Atomsprengköpfe und in den gegenwärtigen Kriegen werden tonnenweise Waffen mit abgereichertem Uran eingesetzt, deren Feinstaub hochgiftig, lungengängig und wasserlöslich ist und damit letztlich weit über die Landesgrenzen hinaus das Trinkwasser verseucht. Bei der »friedlichen Nutzung« ist vor allem die Endlagerung des radioaktiven Mülls ein ungelöstes Problem. So lagern im Salzbergwerk Asse 2 bei Wolfenbüttel derzeit über 125.000 Fässer mit radioaktivem Abfall, der früher oder später in die Wasserleiter gelangt, weil seit 1988 Wasser in das Bergwerk einbricht, und damit ein nicht mehr nachvollziehbares Verbrechen gegen die Umwelt darstellt.

Die zuständigen Politiker sind derzeit offensichtlich nicht in der Lage, auch nur halbwegs vernünftig klingende Lösungen anzubieten.
Auch hier ließe sich die Liste der Wasser gefährdenden Stoffe endlos fortsetzen und sollte uns zeigen, wie unendlich wichtig ein guter Umgang mit dem Wasser ist, wenn wir weitere Kriege ums Wasser vermeiden- und eine lebenswerte Zukunft für uns und unsere Nachkommen sicherstellen wollen.

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